Der Gedicht-Thread


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Post 30.06.2004 10:15 Post
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Celebrian



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Zitat:
Arbrandir schrieb:
[So ein Quatsch. Naja. Fastquatsch. Naja. Kaylees und Celebrians Kommentare fehlen mir schon. Naja. Ich war wohl nicht würdig.

*zerknirschtAbbitteleist* Ich bin ein paar Tage in der Weltgeschichte herumgetingelt und war nicht online. Jetzt bleibt mir nur, mich vor den werten Gedichtzuzlern zu verneigen...

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"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt."
L. Wittgenstein

"Day 200075:
Council very boring. Got to say "DOOM" a few times in v. dramatic voice."
(The very secret diary of Lord Elrond)

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Post 06.07.2004 01:28 Post
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Celebrian



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Registriert: Jun 2003
Beiträge: 239
Kleiner Nachtrag zu Durs Grünbein, der aber nur am Rande mit Gedichten zu tun hat:

Ich war vorhin in einer, wie sagt man, Podiumsdiskussion – Durs Grünbein und Friedrich A. Kittler (Kulturwissenschaftsprof der Humboldt-Univ.) sprachen über "Poesie und Wissensgeschichte". Es war... anstrengend. Nicht nur, weil Kittler so nuschelte und beide die Mikros ignorierten, auch inhaltlich. Wie kann man nur so irrsinnig viel wissen?! Am Ende, nach fast anderthalb Stunden angestrengten Lauschens, trieb mich ein trotzig-verzweifeltes Bedürfnis nach einem Hamburger zu McDonalds.

Menschlich lehrreich war immerhin, zwei entgegengesetzte Typen des Intellektuellen live zu erleben: Kittler war der Selbstdarsteller, immer wieder schelmisch ins Publikum grinsend ("Hey, wir verstehen einander!") und Witze reißend, über die seine Studenten dann pflichtschuldigst lachten, große Namen und Zitate nicht um der Sache willen, sondern eben aus Gründen der Selbstdarstellung einwerfend: Liebe zur Sache und Liebe zu sich selbst sind eins geworden. Grünbein war unauffälliger, drückte sich aber klarer aus - und man merkte ihm die Liebe zur Sache an, er schwamm sozusagen als glückseliger Entdecker durch das Meer der Geistesgeschichte. Er war mir ziemlich sympathisch, zurückhaltend, ernsthaft und dennoch mit der nötigen Prise Lachenkönnen.

Worum es inhaltlich ging? Öh... hm... also... um die Vereinigung von Dichtung und Logik, von rechter und linker Hirnhälfte... singen und denken... Schon die Vorsokratiker hätten den Sündenfall fort von der Poesie vollbracht, was denn dazu geführt habe, daß sich die beweglichsten Denker des 20. Jahrhunderts schlußendlich wieder der Kunst zugewandt hätten. Descartes' "Cogito, ergo sum" werde allzuoft aus dem Kontext gezogen - der Kontext beinhalte tatsächlich etwas so Irrationales wie Träume.

Grünbein hat ein paar Gedichte vorgelesen, von denen mich eins ziemlich beeindruckt hat. Natürlich habe ich den Titel vergessen, irgendwas mit Schnee, und es ist in Dialogform geschrieben, Descartes und sein fiktiver Diener sprechen... *googelngeh* Oha, es ist ein Versepos (??? Epen sind doch ausgestorben) mit dem Titel "Vom Schnee oder Descartes in Deutschland", fast dreitausend Verse. *schluck* Bin gerade auf die Zusammenfassung einer Rezension Ernst Osterkamps (einer der wenigen wirklich sehr guten Germanistik-Profs der HU) gestoßen: 42 Winterbilder (Augenblick - 42?? Ernsthaft? Douglas Adams hatte doch recht.) über Leben und Sterben Descartes, die 'nie die Gedankenwelt des Descartes referieren, sondern sie ganz und gar im poetischen Bild aufgehen lassen'.

Hm. Vielleicht eher eine Lektüre für die nächsten Weihnachtsferien, zur Zeit sollte ja eigentlich Sommer sein.

(Bitte übrigens um Vergebung, werter Kneipenwirt, daß ich hier ein Posting schreibe, das eine Mischung aus Gedichtthread-, Buchtipthread- und Philosophiethreadbeitrag ist. Ich hätte auch noch was für den Trojathread mit reinnehmen können, in der Diskussion wurde irgendwie ständig Homer gestreift, aber ich weiß einfach nicht mehr, in welchem Zusammenhang. *wirr* Gibt es eigentlich einen "Ich muß was verarbeiten"-Thread??)

Gute Nacht, liebe Kneipe,
wünscht Celebrian


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Post 25.07.2004 13:26 Post
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_TylerDurden_



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Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
Somnio, ergo sum. Das gefällt mir Celebrian.

Im aktuellen Spiegel (letzte Seite?) habe ich ein Zitat von Durs Grünbein gelesen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern und weiss nur noch, dass das ziemlich gut formuliert war. Könnte das bitte jemand nachschlagen?

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Post 25.07.2004 13:51 Post
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Auriane
Raubtier


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Beiträge: 665
Ich weiß nicht, wo unser Spiegel ist, aber ich weiß, dass du das hier meinst.

"Wann stehen Sie eigentlich auf?"

"Ich stehe niemals auf. Wer aufsteht, ist verloren. Das Bett, die Wiege der Erkenntnis, nehm ich mit. Den Tag durch träumend, scheinbar wach. Man hat mich ungefragt geboren, und niemand fragt mich, ob ich sterben will. So leb ich hin, und bald ist es vollbracht."
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20% der S wollen später K machen und lernen daher alle 3 Fs.

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Post 30.07.2004 17:46 Post
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Frank2000



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Registriert: Dec 2001
Beiträge: 4855
Ein Gedicht wollt ihr haben? Ich geb´ euch gleich ein Gedicht!

Morgen, morgen, gibt´s ein neues Heute,
Morgen, morgen, ist ein neuer Tag
Morgen, morgen, trefft ihr neue Leute,
Morgen, morgen, wird ein Tag wie ich ihn mag

Heute, heute, heute wird geschlafen,
Heute, heute, geht es ab ins Bett
Heute, heute, seid ihr im Heimathafen
Heute war´s für uns doch richtig nett

Das ist das Gute Nacht-Lied, das ich für meine Racker gedichtet habe. Das kann man so schön schmettern "Morgen, mooooorgen" und auch ganz leise und langsam singen ...seid ihr im Heimathafen...

MfG Frank
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http://www.boardy.de/forumdisplay.php3?forumid=61014

Chruschtschow tot (dpa, 13. April 1964)
Bill Gates erschossen (MBC-TV, 4. April 2003)

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Post 30.07.2004 18:25 Post
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_TylerDurden_



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Beiträge: 2560
Für deine Kinder selbst gereimt? Wie süß!

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Post 02.09.2004 02:07 Post
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Arbrandir
Schuft


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Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
Heute per BM:

Abendkinder

Ich liebe die leisen blassen
Stunden über dem Land:
Die Kinder in allen Gassen
stehn vor den Häusern und fassen
sich heimlich bei der Hand.

Sie müssen ein Rufen spüren,
das weit in den Wiesen beginnt;
sie wollen einander führen
fort von den schwarzen Türen,
die nicht ihre Heimat sind.



Was meint Ihr - ist dieses Rilke-Gedicht positiv oder negativ in seiner Grundstimmung? Beinhaltet es Hoffnung und Aufbruchstimmung oder eher Resignation und Verlorenheit?


__________________
Alle Postings auf eigene Gefahr.




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Post 02.09.2004 08:32 Post
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Vikelb



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Registriert: Apr 2004
Beiträge: 63
Ich wuerde sagen es verbreitet eher Hoffnung als Resignation. Aber richtig greifen kann ich es auch nicht. Aufbruchsstimmung ist schon wieder zu froehlih dafuer. Vielleicht die die schwermuetige Mitte zwischen verloren sein in der Einsamkeit und zuversichtlichem Seelenfrieden?

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Post 02.09.2004 09:35 Post
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Celebrian



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Registriert: Jun 2003
Beiträge: 239
Für mich ist sie positiv - allerdings in dem Sinne positiv, wie andere Leute, sagen wir, ihre Septemberanfangsmelancholie schätzen. Ich versuche zu erklären, warum.

Die erste Strophe bleibt relativ wertneutral mit einem Hang ins Positive: leise, blasse Abendstunden, aber immerhin, diese Abendstunden werden geliebt. Es geschieht eine Heimlichkeit, aber eine harmlose: Kinder nehmen einander bei der Hand, da muß ein unausgesprochenes Einverständnis sein.

Die zweite Strophe bietet einen Anhaltspunkt für eine negative Grundstimmung: schwarze Türen, die symbolisch stehen für ein Zuhause, das nicht Heimat ist. Ich denke allerdings nicht, daß die Kinder deshalb heimatlos sind. Zentral scheint mir jenes Rufen zu sein, "das weit in den Wiesen beginnt": das muß doch ein Lockruf sein, wenn er die Kinder dazu bewegt, einander fortführen zu wollen. Dieser Lockruf sagt nicht "bei mir ist Heimat", das wäre zu brav. Aber er sagt etwas wie: "deine Heimat ist nicht hier, und du wirst sie nie finden, aber es gibt sie, dunkel und fern". Man darf auch nicht vergessen, worauf sich die zweite Strophe bezieht: es sind die blassen Abendstunden, also eine relativ bestimmte Zeit. Die Empfindung "ich bin hier nicht daheim" würde ich deshalb nicht für eine Grundstimmung der Kinder halten, sondern für eine Momentempfindung: etwas haben diese Abende, das die geordnete Tageswelt mit ihren klaren Gesetzen und dem selbstverständlichen Zuhause zurücktreten läßt und gleichsam die Grenze zu einer Art Nachtwelt durchsichtig macht (der Abend ist rein zeitlich gesehen die Grenze zwischen beiden). Man wird nicht Teil dieser Nachtwelt, aber spürt, daß es sie gibt und daß sie so etwas wie Heimat verspricht/ist. ("Nachtwelt" ist jetzt ein Etikett von mir, das mag man auch anders nennen.) Ein bißchen erinnert mich das an den berühmtesten Eichendorff:

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.


Fernweh und Heimweh werden eins. Bei Rilke ist der Ton natürlich gehaltener und vorsichtiger, was sich vor allem in den Naturbeschreibungen zeigt: außer Abend, leise, blaß, Wiese haben wir eigentlich nichts. Vermutlich ist es kein Abend mit glutrotem Sonnenuntergang und keiner mit Gewitterschauer, sondern eher ein unspektakulärer, aber letztlich muß sich jeder Leser selbst vorstellen, was das für ein Abend ist. Die Richtung ist vorgegeben, aber eine Beschreibung gibt es nicht.

Ich fürchte, über dieses Gedicht rede ich sehr subjektiv (jaaa, Arbrandir, ich weiß, man kann nicht subjektiv oder objektiv über Gedichte reden, aber durchaus subjektiv oder subjektiver):
In manche Gedichte taucht man ein wie in fremde Welten, in anderen findet man sich wieder. Dieses Gedicht gehört für mich zur zweiten Sorte. Diese besondere Art der Abendunruhe, die Sehnsucht nach etwas Unnennbarem hervorruft, kenne ich tatsächlich noch aus der Kindheit, und sie ist mir nicht völlig verloren gegangen. Es ist irgendwie wie ein Innewerden und Lauschen, weshalb ich im Gedicht das Rufen aus den Wiesen so wunderschön finde. Natürlich ist auch "Negatives" enthalten in dieser "positiven" Grundstimmung. Ich sage deshalb positiv, weil mein Leben ärmer wäre ohne diese Stimmung. Auch eine Septembermelancholie hat ihren Sinn und Zweck... womit ich dieses Posting formvollendet eingerahmt hätte. *gg* Und jetzt muß ich dringlichst los. *gehetztaufdieUhrblick*

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Post 02.09.2004 16:27 Post
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Vikelb



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Registriert: Apr 2004
Beiträge: 63
Eine sehr schoene Interpretation, die mich jetzt doch dazu verleitet etwas mehr zu schreiben als zuvor.
Im allgemeinen muss ich Celebrian zustimmen, gerade ihr erster Satz sagt genau das aus, was ich auch gedacht habe, allerdings mit den Worten „die schwermuetige Mitte zwischen verloren sein in der Einsamkeit und zuversichtlichem Seelenfrieden“ umschrieb. Oft sind es ja genau diese Momente, diese Septembermelancholie, die einen so viel tiefer im Inneren beruehren und damit auf ihre schmerzliche Art und Weise etwas ganz besonderes geben, etwas sehr positives.

Auch wenn das Fazit und bleibende Gefuehl nach diesem Gedicht gleich ist, faellt meine Betrachtung der einzelnen Verse etwas anders aus:

Im Gedicht sind zwei Quellen vorhanden welche die Gefuehle ausloesen. Zum einen die Quelle der Natur, zum anderen die des Menschen und der Menschlichkeit. Die ersten zwei Verse einer jeden Strophe geben wieder, wie die Umwelt alles hergerichtet hat; die aeusseren Umstaende die nicht zu beinflussen sind, welche allerdings soviel Einfluss auf uns haben.
Die drei darauf folgenden Verse erzehlen uns dann jeweils die Wirkung der Natur auf die Menschen.

Die erste Strophe empfinde ich aber im Gegensatz zu Celebrian nicht als „wertneutral mit Hang ins Positive“, fuer mich ist sie eher der ausschlaggebende Punkt, dessen Wirkung sich ueber das ganze Gedicht hinfort zieht.
Das Lyrische-Ich beginnt den Satz mit „Ich liebe...“ was eins der groesst moeglichen Gefuehle ist. Da zwar wirklich keine weitere Wertung erfolgt, kann die Aussage nicht seine ganze Wirkung entfalten, aber dem Leser wird eindeutig die Besonderheit dieser Tageszeit verinnerlicht. Gerade durch die Ich-Perspektive kann man sich leicht in den Erzaehler hinein versetzten und uebernimmt den positiven Blick auf dieses Naturbild.
Kommen dann die Kinder ins Blickfeld bekommt die Strophe einen Hang ins Negative in dieses durchweg gute Bild. Da die Kinder in den Gassen vor den Haeusern stehen, erklingt zum ersten Mal das Gefuehl des Ausgeschlossen sein. Sie nehmen sich heimlich an den Haenden, womit zwar die Einheit dieser Kinder wiedergegeben wird, aber auch die Tatsache, dass sie sich in ihrer derzeitigen Position nicht wohl fuehlen. Denn ansonsten wuerden sie sich nicht heimlich an die Hand nehmen; welches fuer sich genommen ja schon ein Ausdruck von Unsicherheit ist.

In der zweiten Strophe wird, gemaess der Natur-Mensch Einteilung, erneut zuerst die postive Stimmung aufgebaut. Interessant dabei finde ich die Verknuepfung der Natur, welche durch sich selber lockt und ruft, mit dem Lyrischen-Ich und dem Leser - ich zumindest empfinde auch dieses von Celebrian angesprochene magische Etwas, dass die Wiesenzeile wundervoll macht. Der Erzaehler (und somit auch wir) weiss um das Rufen, welches an die Kinder adressiert ist, es weiss sogar von wo es ausgeht, kennt den Ursprung. Diese erneute Verbindung zu der Natur traegt wie in der ersten Strophe ungemein zur positiven Grundstimmung bei, die letztendlich bestehen bleibt.
Jetzt muss ich wieder Celebrian absolut zustimmen: „Dieser Lockruf sagt nicht "bei mir ist Heimat", das wäre zu brav.“ Doch durch diesen Ruf wird Sehnsucht im Herzen geweckt, das Wissen entsteht, dass es irgendwo wirklich eine Heimat geben wird – ob sie diese jemals finden werden oder nicht ist hier irrelevant. Die Kinder werden fort gezogen, hinaus in die Natur, in die weite Freiheit.
Im starken Kontrast dazu wird auch die bisher gekannte Gegend gezeichnet: schwarze Tueren.
Tueren koennen Einlass geben, sie koennen ebenfalls das Gefuehl vom Willkommen sein und Geborgenheit symbolisieren, gleichzeitig aber auch Verschlossenheit, Gefangen sein und eine grosse Barriere darstellen. Letzteres ist hier der Fall, indem sie als schwarz beschrieben werden – eine nicht sehr einladende Vorstellung. Somit waere wieder der negative Aspekt gezeichnet.
Da jedoch auch eine Verbindung der Kinder zu dem Erzaehler besteht (beide spueren das Rufen der Wiesen und fuehlen die selben Dinge) wird die Dunkelheit abgerundet und legt damit nicht ihrer Schatten ueber das ganze Gedicht: Die Kinder sind nicht alleine, haben Sehnsucht und Hoffnung in ihrem Herzen

Gleichzeitig habe ich aber das selbe Gefuehl wie Celebrian: Die Heimat ist nicht immer so fremd. Es ist die momentane Stimmung, entstanden durch diesen Augenblick. Die Tueren werden nicht schwarz angestrichen sein, viel mehr wirken sie in der blassen Abendsonne verdunkelt und unfreundlich.


Allgemein denke ich, es geht nicht so sehr um Heimat und Fremde, als mehr um die Empfindung. Die Sehnsucht nach etwas, dass man vielleicht noch nicht kennt, aber trotzdem tief in einem spuert. Man weiss, dass man diesem Gefuehl, dieser Sehnsucht nachgeben muss, doch trotzdem gibt es einen Abschiedsschmerz, der entsteht wenn man vom alten Bekannten in neue Gefilde aufbricht. Das Gedicht loest also auch bei mir eine positv-negative Stimmung aus, von beidem ist etwas enthalten, jedoch wirkt ueberwiegt das angenehme Gefuehl.

Abschliessend kann ich mich also der vorangegangen Interpretation nur wieder anschliessen: Vielleicht sind Sehnsucht und (September-)Melancholie keine einfachen Empfindungen, aber ohne sie wuerde was fehlen. Durch ihre Einzigartigkeit werden sie zu etwas besonderem und haben eine positive Auswirkung auf uns.





Uebrigens habe ich auch mehr als einmal an Eichendorff (genau dieses Gedicht) gedacht, bevor ich wusste, dass ‚Abendkinder‘ von Rilke ist. Von den vermittelten Gefuehlen haben sie eine gewissen Aehnlichkeit.

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