15.09.2004 18:07
|
|
Waldelb
Fool
Offline
Registriert: Mar 2003
Beiträge: 695
|
|
Na gut, dann gibt es hier eine kleine Auswahl an Gedichten des Nachtpoeten aka Stefan Brinkmann.
Am deutlichsten merke ich wie vergaenglich seine Gedichte (fuer mich!) sind, bei einem der ersten Gedichte, dass ich von ihm kennenlernte.
An Dich glauben
Wieder kommst Du zu mir,
nimmst mich in Deine Arme.
Zärtlich streichelst Du mein Haar,
küßt meine Tränen.
Du sagst, Du liebst mich
immer noch,
immer mehr,
für immer und
ewig.
Ich weiß, Du lügst,
Du wirst wieder gehen,
den Teil mit Dir nehmen,
der mich ganz macht...
...und doch, ich kann nicht
anders als an Dich glauben.
Ein sehr schoenes Gedicht wie ich immer noch finde, aber:
Damals, als ich es zum ersten Mal las, trieb es mir Traenen in die Augen, ich war ueberwaeltigt von den Gefuehlen, die es auf einmal in mir hervor rief. Unnoetig jetzt zu sagen, dass ich mich in einer aehnlichen Situation befand.
Wenn ich mir dieses Gedicht heute durchlese, kann ich zwar immer noch nachvollziehen, was ich damals empfunden habe, ich erinnere mich noch an alles, aber das Gedicht trifft mich nicht mehr mit seiner Emotionalitaet. Es schafft nicht, dass ich wieder das selbe spuere wie damals, hoechstens ein kleiner Schatten davon – zum Glueck. Doch in meinen Augen heisst das auch, dass nicht das Gedicht diese Empfindungen ausgeloest hat, sondern lediglich die hervor gekratzt hat, die eh schon da waren.
Klar, ich lese im Fruehling auch seltener Rilkes oder Frieds Herbstgedichte, aber wenn ich es tue, spuere ich das gleiche bekannte Gefuehl wie immer (so wie ich weiter ober erzaehlt habe, dass ich Gedichte an dem wiedererkenne, was sie in mir ausloesen und nur selten an den Worten).
Selbsttäuschung
Manchmal, da spielt mir meine Nase einen Streich.
Der Wind weht mir Deinen Duft zu,
doch Du bist nicht hier, da bin nur ich.
Manchmal spielen mir meine Augen einen Streich.
Ich meine, Dich zu sehen, rufe nach Dir,
doch wer immer sich umdreht, trägt ein fremdes Gesicht.
Manchmal, da spiele ich mir selbst einen Streich,
versuche mir einzureden, ich wäre von Dir los, weit weg.
Doch in meinem Herzen bist immer wieder Du.
„Selbsttaeuschung“ ist ein aehnlicher Fall, auch mit diesem Stueck Lyrik habe ich mich einmal sehr verbunden gefuehlt. Lese ich es nun erneut, so kann ich gar nicht anders, als die Worte in der letzten Strophe so zu drehen, dass sie wieder auf mich zu treffen. Fuer mich sollte ein gutes Gedicht nicht den Wunsch in mir wecken die Worte um zu formulieren, sondern eher in seiner Form perfekt sein. Denn komischer weise wirkt es nicht mehr auf mich, wenn ich mich darin nicht selbst erkenne.
Alles in allem kommt es mir so vor, als laege die Kraft dieser Worte darin, genau die richtigen Gefuehle zu treffen. Doch leider scheinen sie mir oft nicht stark genug, diese Illusion aus sich selbst heraus aufzubauen.
Ebenfalls vermisse ich das Thema Natur oder aehnliche freie Gestaltungsraeume in den meisten Gedichten von Stefan Brinkmann. Hauptthematiken seiner Werke sind Beziehungen, oder besser gesagt das Ende derselben. Dargestellt wird das Lyrische-Ich in all den Formen der Auseinandersetzung mit seinen Gefuehlen: Selbstzweifel, Wut, Trauer, Enttaeuschung, Hoffnung, Einsamkeit, Verlogenheit, usw. (Ich frage mich oefter, ob Herr B. permanent im Leben leidet, oder woher er all diese Inspiration sonst nimmt?!)
Und selbst in die etwas offener gestalteten Werke mischt sich oft der Unterton einer zerbrochenen Seele.
Herbstnebel
Nebel steigt lautlos über das Tal,
verschluckt die Sonne, zerbricht den Strahl,
nimmt Himmel und Erde mit eiskalter Hand
die Farben, hüllt sie in sein graues Gewand.
Nebel steigt lautlos über das Tal,
verschluckt die Hoffnung, nimmt Dir jede Wahl,
jede Richtung, hier gibt es kein Hin oder Her,
nur Dich und das Zwielicht, und doch - so viel mehr...
... Schatten und Ratten,
Geister und Meister,
Diebe der Liebe und Liebe der Diebe,
Ziele und Spiele,
Richter und Dichter,
Einsamkeit, Zweisamkeit, Einheit und Freiheit...
Nebel steigt lautlos über die Qual,
verschluckt die Selbstsucht, lockt Dich in das Tal
Deiner Einsamkeit, hier wirst Du neu geboren,
hast in Deinem Wesen Dich endlich verloren.
Das hoert sich nun wahrscheinlich sehr streng und auch etwas komisch an, wenn man bedenkt, dass ich doch recht haeufig auf den Seiten des Nachtpoets stoebere. Und es ist auch wirklich so, dass ich seine Kunst sehr hoch ansehe, nur oft erschlaegt mich fast was ich bei ihm so finde. Dabei sind auch durchaus etwas lockere Sachen darunter, die mich teilweise schon wieder zum lachen, oder zumindest zum schmunzeln bringen. Gedichte, die nicht in bittersuessen Emotionen wie Liebe und Schmerz dahin schmelzen, sondern so handfest sind wie ein Butterbrot. Eins meiner liebsten von ihm:
Absturz
Ich brauche jetzt ein kühles Bier,
der Rest ist mir,
das muss ich sagen,
egal, ich kann es schon ertragen.
Ich brauche nur, gleich jetzt und hier
ein Bier,
ein kühles, frisches Bier.
Ich brauche jetzt 'ne Zigarette.
Nur Nichtraucher? Die Etikette?
Wen kümmerts? Kummer hab ich auch
schon selbst genug, ich will den Rauch
durch meine Kehle rinnen spüren,
lass mich vom Nikotin verführen
auf einen Todestanz, der weit
über die Zigarettenzeit
hinausgeht, ehrlich jede Wette,
ich dreh durch ohne Zigarette!
Ich brauche jetzt 'nen guten Fick.
Warum drehst Du mir einen Strick
aus meinen Trieben? Schau nicht so.
Von mir aus gleich hier auf dem Klo.
Ich brauch das jetzt, es geht mir dreckig,
und meine Bettdecke, die war
schon viel zu lange nicht mehr fleckig.
Wir beide wär’n ein gutes Paar
für eine Nacht... renn doch nicht weg!
Dann hau halt ab, warst eh nur Dreck.
Ich brauche jetzt... ich weiß nicht mehr.
Ich fühle mich
in mir
so leer.
Auch hier sind wieder die fuer ihn so typischen Elemente enthalten, gerade wenn man die letzten zwei Zeilen betrachtet, doch durch die etwas haertere Ausdrucksweise in den ersten drei Strophen verliert es an Gewicht. Ja, es gefaellt mir wirklich. Zwar drueckt auch dies wieder nur eine Stimmung aus, allerdings sehr universell. Es wird verschwiegen, ob das Lyrische-Ich sich leer fuehlt, weil der Partner die Beziehung beendet hat, oder weil es seinen Job verloren hat, ebenfalls moeglich waere einfach ein „keine Lust“-Tag. Die Stimmung die versucht wird auszudruecken entsteht bei mir als Leser ohne dass ich mich gerade so fuehle. Das ist sehr wichtig.
Im uebrigens erinnert mich „Absturz“ sehr an ein paar lyrische Werke von Brecht, welche ich sehr schaetze.
Deshalb wollte ich mit „Absturz“ auch abschliessen. Die Seite nachtpoet.de zu besuchen kann nicht schaden, so als kleiner Link-Tipp. Gerade wenn man eine Phase durchmacht, in der das Leben nicht rosa-rot ist. Oft findet man dort die Worte, auf die man selbst nicht gekommen ist. Aber auch sonst ist sie durchaus interessant gestaltet und man entdeckt viele lesenswerte Dinge – ob sie sich langfristig ins Gedaechnis einpraegen ist natuerlich nicht zu sagen.
P.S. Ich moechte noch kurz etwas zum Nachtpoeten im Zusammenhang mit dem Lyrics-Thread im DAF sagen: Es passt wie die Faust aufs Auge.
Schwarz postende Teenager brauchen den Nachtpoeten. Wenn man dazu bedenkt, dass der Thread von einem Schmetterlingsgesang-Thread zu einem Gedanken-Thread (à la Lyrics-Thread) geworden ist (wir posten unsere deprimierten Gedanken ueber unseren Lebensfrust in Form von Gedichten), dann gaebe es wohl nichts was besser passt als Stefan Brinkmann. Leider geht da in meinen Augen die Vielfalt verloren, die in der Lyrik vorhanden ist.
IP: Logged
|
|
16.09.2004 00:34
|
|
Gast
Offline
Registriert: -
Beiträge: -
|
|
Harr, ein kritisches Publikum. Ich bin begeistert.
Gruß in die Runde zunächst, und Tyler ist schuld, er hat mich per Mail hierher gelockt.
Um gleich mal eines klarzustellen: Ich verstehe mich nicht als Gothic-Dichter. Genau genommen habe ich den Namen "NachtPoet" schon lange gewählt gehabt, bevor ich überhaupt wußte, was ein Gothic ist. Natürlich hat mich der Name irgendwann mit der Szene in Verbindung gebracht, weshalb ich jetzt auch des öfteren in einem schwarzen Club hier in München lese, aber genau so in Jazz-Schuppen, auf Bücher-Karavanen, In Jugendheimen oder ähnlichem.
Nachdem das geklärt wäre *g* zu der ausgesprochen interessanten Kritik von Waldelb:
Was ich ausgesprochen erleichternd finde, ist, dass Du eines meiner neuesten als positives Beispiel gebracht hast, und doch einige Jahre ältere Stücke für die 'Vergänglichen'. Und ich kann Dir im großen und ganzen nur zustimmen. Gedichte wie "An Dich glauben" und "Selbsttäuschung" gehörten damals zu den Momentaufnahmen, zu kleinen Gefühlsfacetten, die ich eingefangen habe und durch das deutliche Vergrößerungsglas des Poetenherzens zu Papier brachte. Es sind keine Gedichte für die Ewigkeit, vielmehr etwas, in dem sich, wie Du treffend ausgedrückt hast, Menschen wiederfinden, die gerade ähnliches erleben, und sich verstanden fühlen.
Das beste Training, um das Schreiben zu lernen, ist schreiben. Es einfach tun, es auszuprobieren, zu erforschen, wie es sich anfühlt, wie es funktioniert, ineinander greift, was es tun kann und wie. In den ersten vier Jahren habe ich vielleicht die Hälfte der Gedichte bisher geschrieben, und ich schreibe nun seit ca. 13 Jahren. Der Vorteil ist, wenn ich jetzt zu einem Thema zurückkehre, dann nur, wenn ich einen frischen, unverbrauchten, vielleicht originelleren Blickwinkel dazu habe und etwas daraus mache wie "Absturz".
Das andere ist mein Stil. Ich schreibe wenig verschnörkelt. Ich mag es, mit kleinen technischen Finessen zu arbeiten und Gedichten mehrere Ebenen zu verleihen, aber ich bin kein Freund von großartig mit blumigen Worten angereicherten Werken. Für mich ist die Kunst in einem Gedicht, mit wenigen Worten das auszudrücken, wofür andere einen Roman brauchen. Eine schöne Erfahrung durch meine Lesungen und meine Nightlys: Meine Gedichte sind oft etwas, was auch solche berührt, die eigentlich mit Poesie nichts am Hut haben.
Ein deprimiertes leidendes herzblutendes Viech bin ich nicht, auch wenn man das durch einige Gedichte meinen könnte. Vielmehr einer dieser unerträglichen in sich gefestigten Optimisten. Dummerweise schreibe ich, wenn ich gut aufgelegt bin, die traurigsten Werke, und umgekehrt. Es sind auch nicht alles meine Erfahrungen. Vieles ist Mit-Erlebtes. Ich beobachte gerne und viel. Und cihs chreibe zumeist über das, was ich in den Menschen sehe, und was sie bewegt. Lieben und Leiden ist eines der Hauptthemen in den Menschen, und so ist es auch eines meiner Hauptthemen, wie es scheint.
Rilke ist übrigens mein Lieblingsdichter. Er versteht es auf faszinierende Art und Weise, unaufdringlich mit Bildern zu arbeiten und dabei eine Ausdrucksfülle zu erreichen, die andere mit einem dutzend Bildern nicht hinbekommen. Und seine Technik erst, seine Begabung, Worte zögern zu lassen oder fließen... Ich bin kein Rilke, und will es auch nicht sein, aber ich hoffe, ich erreiche irgendwann einmal diese Klasse. Manchmal kratze ich ein wenig an diesen Kreisen, aber es ist noch ein weiter Weg, und das ist ja das faszinierende an der Kunst, und der Grund, aus dem ich Kritik wie diese schätze: Du bist nie so gut, wie Du es morgen vielleicht sein wirst. Der Weg ist nie zu Ende. Es geht immer weiter, immer tiefer, immer besser, immer, ja, zeitloser. Und manchmal tut es gut, daran erinnert zu werden.
was mich wirklich begeistert, ist, wenn ich ein Gedicht wie das folgende zu Papier bringe:
Ich wär' so gern...
Ich wär' so gern ein Denunziant,
denn, es ist allgemein bekannt,
ein Denunziant hat viele Feinde
und ich, ich habe leider keine.
Vielleicht auch ein Politiker
korrupt, oder ein Bahnschaffner,
so einer von der richtig mies
gelaunten Sorte ... das wär' fies!
Jedoch, ich muss es eingestehen,
da hilft kein betteln oder flehen,
kein überschlagen, wenden, drehen:
Ich werde einfach übersehen.
Man findet mich, wenn überhaupt
nur nett!
Und auch, wenn es mir keiner glaubt,
wenn ich nur ein paar Feinde hätt'
dann ging es mir gleich viel, viel besser ...
... hm ... vielleicht, mit einem Messer
im Park ... ja ... das könnte gehen!
Wir werden und bald wiedersehen ...
... oder dieses, auch schon alt, aber immer noch eines meiner persönlichen Lieblinge:
Vollmond
Die Nacht ist erfüllt vom kalten Feuer,
die schwarzen Schatten im silbrigen Licht
kriechen lautlos in Deine Gedanken,
machen Dich blind...
Das Kind tief in Dir, hörst Du sein Lachen?
stiehlt sich ungesehen nach vorn,
Neugierde besiegt alle Ängste und Sorgen,
wie nutzlos sie sind...
Du streifst durch die nächtlichen Straßen, rennst mit
den eisigen Flammen, klirrend zerspringt
der Spiegel um Dich, Dein Bild ist verloren,
die Wahrheit beginnt...
...oder, worauf ich verdammt stolz bin, und was in einem Programm, dass ich mit einer befreundeten Sängerin, Alexandra Janzen, auf die Bühne gestellt habe, und dort von ihr auf dem Klavier begleitet wird:
Harlekin
I
Der Vollmond lässt sein fahles Licht
mit sanfter Neugier lautlos gleiten,
bescheint ein Porzellangesicht
so zart und fein, dass es fast sticht...
Sag, Schöne, schnell, welch Freud und Leid,
welch Edelmut, welch Gier und Neid,
welch Qual kannst du dem Herz bereiten?
Erfahren werden wir's beizeiten.
Doch lassen wir uns weiterleiten,
dem fahlen Leuchten treu bedacht...
Sieh an, gleich links, ein Clownsgesicht
Ganz unbestritten. Wie es lacht!
Ihm scheint die Schöne nicht zu schaden
er ist ihr lächelnd zugewandt,
lässt sich in ihrem Lichte baden...
Dies Lachen! Schelmisch und Galant.
Und rechts, im Abseits... sieh mal an,
gradwohl ein zweiter Kandidat,
sein Blick, der wohl im Herz begann
verlässt die Augen, desolat,
voll Sehnsucht nach der fernen Schönen
die ihm auf ewig abgewandt
dort steht. Sie soll sein Dasein krönen!
Doch hat sie ihn nicht mal erkannt.
Wolken ziehen am Horizont.
Eine lässt den Vorhang fallen.
Die Dunkelheit stiehlt uns gekonnt
die Sicht.
Ein Schlag!
Ein Bersten. Knallen.
Was ist passiert? Nun, gebt uns Licht!
Komm, Mond, ich nehm dich in die Pflicht
Enthülle uns mit Deinem Schein
und unverhüllt der Welten Pein.
II
Dort, im Regal, wo eben noch
die Spieluhr stand, die Tänzerin
aus Porzellan, zerbrechlich, doch
voll Anmut, nur, wo ist sie ihn?
Dort am Boden liegt der Kasten
der Musik sein eigen nennt.
Doch von seiner Königin
keine Spur, die man erkennt.
Eine kleine weiße Hand schiebt sich langsam,
leise tastend
hinter unsrer Spieluhr hoch, dreht den Schlüssel.
Klickend rasten
Zahn in Zahn, die Federn Surren,
etwas Rost vergangner Zeit
protestiert mit leisem knurren,
doch dann ist das Spiel bereit.
Der erste Ton verlässt vibrierend
seinen Kerker, endlich frei
in der Stille, irritierend,
prallt ans Holz und bricht entzwei.
Doch die Spieluhr, unermüdlich
schickt schon Ton um Ton herbei
tanzend, schwingend, wie vergnüglich
drehen sie ihr Ringelreih'.
Seht doch nur, das Vollmondlicht
es scheint fast, diese zarten Klänge
geben ihm gleich mehr Gewicht.
Als ob es nach Erkenntnis dränge,
kriecht es durch den alten Speicher,
sucht nach der Erinnerung
Schaukelpferd, Soldat, ein bleicher
Malblock, Kisten, Mäusedung.
Schnell und schneller klingen, treiben,
tanzen Ton um Ton um Ton.
Was ist das? Ein Kratzen, Reiben,
Tapsen? Kommt, nun zeigt es schon.
III
Da, dort hinten, aus den Schatten
tritt hervor – ihr ahnt es schon -
die wir vermisst, verloren hatten;
abgestürzt von ihrem Thron,
die Prinzessin dieser Klänge,
tanzt mit leichtem Fuß daher,
schwebt im Takt der Blechgesänge
zweimal leicht für jedes Schwer.
Tanzt wie eine Feder schwerelos dahin
lässt nur kurz ein Füßlein den Boden berühren
dreht sich ewiglich, ohne Halt, ohne Sinn,
will doch nur die Schatten zum Tanzen verführen.
Ernst ist ihr Gesicht, in Gedanken erstarrt,
doch in ihren Schritt ist nur Frohsinn zu spüren,
tief in sich versunken, merkt nicht, wer ihr da harrt,
will doch nur die Schatten zum Tanzen verführen.
Es ist der Verschmähte, der sich in den Schatten
vom Sturz noch benommen die Augen wischt.
Er hörte das Rascheln. Sind's Mäuse? Sind's Ratten?
Dann hört er die Klänge, sieht Sie, und das Licht.
Mit einem Mal ist all seine Scheu vertan,
er will ihr nur nah sein, sie fassen, berühren
eilt zu ihr hin, voller Gier, ohne Plan,
will sie doch die Schatten zum Tanzen verführen.
Umgreift ihre Taille, ergreift ihre Hand,
berauscht von dem Lied, von dem Glück, sie zu spüren,
dreht sie im Kreis, außer Rand und Band,
will sie Tanz um Schritt in die Schatten entführen.
Sie wendet sich ihm zu, ihr Gesicht ist so zart
ihr Blick, wie ein Dolch in sein Herz geführt.
Sein Griff um ihre Taille wird fordernd und hart.
Hat sie ihm doch gelockt und zum Tanzen verführt.
Er beugt sich über sie. Ihre Lippen verführen...
Jetzt oder nie. Der Moment ist gekommen.
Ein Kuss. Nur ein Kuss.
Seine Lippen
berühren...
Ein Knall!
Und was er sieht
lässt ihn taumeln,
benommen
Torkelt er zurück. Ihr Gesicht! Ist zersprungen!
Als er seine Lippen auf die ihren gepresst
und ihr den einen Kuss hat entrungen...
Ihre Lippen. So kalt, und hart, und fest.
Es war eine Maske! Und nun, nur noch Splitter.
Und unter ihr, wie kann das nur sein,
der Clown, der Schelm, ihr strahlender Ritter,
welch böser Streich, welch Schmach. Welch Pein!
Er geht auf ihn los. Das soll er ihm büßen
wie konnte er wagen, das Antlitz der Süßen
zu tragen, und ihr dermaßen zu täuschen,
im Staub soll er liegen, und wimmern, und keuchen.
Er sieht nicht die Trauer in dessen Blick.
Er sieht nur sein eben zersprungenes Glück.
Er hört nicht die Worte, voll Reue und Schmerz.
Er hört nur sein kreischendes, wütendes Herz.
IV
Ein letzter Ton der Spieluhr wagt
sich zögerlich
ins Vollmondlicht
hängt zitternd in der Luft, verzagt,
verklingt
und hinterlässt nur Stille, die ewig alt ihr Nachtlied singt.
Mit der Musik bricht auch der Bann,
der dunkle Schatten nach sich zog.
Im Schlag erstarrt, hört unser Mann
warum der andre ihn betrog.
Und lässt die Hände kraftlos fallen
und lässt sich führen, in die Schatten
vorbei an Träumen, Mäusen, Ratten
die mit den winzig kleinen Krallen
die Stille kratzen, und doch nur
noch stärken in der alten Macht.
Er lässt sich führen, in die Nacht
bis hin zur klangverstummten Uhr.
„Ich wollte sie am Leben halten.
Ich wollte sie für mich behalten.
Ich wollte halten, was wir hatten,
und mit ihr tanzen aus den Schatten."
„Dich Täuschen, Freund, das wollt ich nicht.
ich täuschte mich, nahm ihr Gesicht...
Ich wollte sie in mir bestatten.
Doch sie bleibt. Ewig. In den Schatten."
So, genug fürs erste, ich wollte eigentlich nur kurz hallo sagen und dann noch weggehen... schlimm das, diese Karankheit, ins Schreiben zu kommen und nicht aufzuhören. Wie gesagt, weitere Kritiken und Anmerkungen sind mir immer willkommen, und bis dahin, viel Spaß im Reich der Poesie und Worte,
May the Night bless You,
Der NachtPoet
Stefan Brinkmann
http://www.nachtpoet.de
stefan@nachtpoet.de
IP: Logged
|
|
20.09.2004 14:18
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Liebe Dichter,
erstmalig wage ich mich in diesen Thread, indess nur um etwas Eigenwerbung zu betreiben (man verzeihe mir mein schnödes Ansinnen):
Ich bitte euch, reimt was und befüllt damit diesen meinen Schüttelreim-Thread* im DAF**, auf dass er nicht im Mathom*** versinke.
Danke und tschüss, der pk
--------------
*Eine Walter-Moers-inspirierte Spielerei, dient der dichterischen Entspannung. Es muss nicht immer Haiku sein.
**Das andere Forum, die Grüne Hölle, ein garstig Ort.
***Krempel.
IP: Logged
|
|
21.09.2004 19:52
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
@Nachtpoet
Keine Ahnung ob du noch mitliest, aber egal: Was mir auffällt, ist, du versuchst zum Abschluss immer eine Pointe, eine Wendung reinzubringen. Oft gelingt das, wie beim netten Möchtegernmörder im Stadtpark. Aber:
Absturz
Ich brauche jetzt ein kühles Bier,
der Rest ist mir,
das muss ich sagen,
egal, ich kann es schon ertragen.
Ich brauche nur, gleich jetzt und hier
ein Bier,
ein kühles, frisches Bier.
Ich brauche jetzt 'ne Zigarette.
Nur Nichtraucher? Die Etikette?
Wen kümmerts? Kummer hab ich auch
schon selbst genug, ich will den Rauch
durch meine Kehle rinnen spüren,
lass mich vom Nikotin verführen
auf einen Todestanz, der weit
über die Zigarettenzeit
hinausgeht, ehrlich jede Wette,
ich dreh durch ohne Zigarette!
Ich brauche jetzt 'nen guten Fick.
Warum drehst Du mir einen Strick
aus meinen Trieben? Schau nicht so.
Von mir aus gleich hier auf dem Klo.
Ich brauch das jetzt, es geht mir dreckig,
und meine Bettdecke, die war
schon viel zu lange nicht mehr fleckig.
Wir beide wär’n ein gutes Paar
für eine Nacht... renn doch nicht weg!
Dann hau halt ab, warst eh nur Dreck.
Ich brauche jetzt... ich weiß nicht mehr.
Ich fühle mich
in mir
so leer.
Das gefällt mir gut. Das erinnert mich an Bukowski: Der Liebe hinterhergeflucht, die Kippe im schmutzigen Aschenbecher ausgedrückt, das Klo vollgekotzt und den üblen Nachgeschmack mit weiteren Alkohol weggespült. Klasse Absturz!
Aber, und jetzt kommt Kritik: ich hätte nach "warst eh nur Dreck." aufgehört. Das wäre ein kräftiger, derber, zynischer, auf großartigem Niveau armseliger Abschluss gewesen.
Was danach kommt ist mir zu moralisch, der Wechsel zu selbstbemitleidenden Tiefsinn zu abrupt.
Vielleicht bin ich vom Haiku-Thread verdorben, aber die Deutung kann sich auch durchaus im Leser vervollständigen.
@Pfeifenkrautler
Das kommt, wenn man im Mathom-Haus
threads eröffnet, die an sich
besser in die Kneipe passen,
oder dorthin wo die Massen
wenigstens nicht schnellebig
threads von gestern fallen lassen.
*hoil* 
Ich bin neidisch und will auch Schüttelreime haben.
@Arbrandir
Wo bleibt dein Lyrikseminar du alte Socke?
IP: Logged
|
|
21.09.2004 19:55
|
|
Lothiriel
Badenixe
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 1056
|
|
Zitat: _TylerDurden_ schrieb:
Ich bin neidisch und will auch Schüttelreime haben.
Nix da! Die sind schon richtig im Mathom-Haus, gönn mir doch auch mal was. Außerdem wäre es schön, da auch mal was von Dir zu lesen.
__________________
Ihr habt doch alle keine Ahnung.
IP: Logged
|
|
21.09.2004 20:35
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
Das geht erst wenn Arbrandir mir das Reimen beigebracht hat. *rausred*
IP: Logged
|
|
21.09.2004 21:36
|
|
Lothiriel
Badenixe
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 1056
|
|
Dann erweitere ich doch mal meine Wunschliste für den Thread um ein paar Reime vom alten Mann. *bezauberndlächel*
__________________
Ihr habt doch alle keine Ahnung.
IP: Logged
|
|
21.09.2004 21:51
|
|
Arbrandir
Schuft
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
|
|
Äh... wie seid Ihr denn 'drauf?! Seit wann bitte kann ich reimen, vom Schütteln ganz zu schweigen?!! What madness is this???
__________________
Alle Postings auf eigene Gefahr.
IP: Logged
|
|
21.09.2004 22:00
|
|
Lothiriel
Badenixe
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 1056
|
|
Naja, Du könntest die Reime an den Wortanfang packen und Alliterationen posten. Wäre mal eine Abwechslung im Thread. Und behaupte jetzt nicht, daß Du das nicht kannst!
__________________
Ihr habt doch alle keine Ahnung.
IP: Logged
|
|
21.09.2004 22:25
|
|
Arbrandir
Schuft
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
|
|
Ich kann im Moment gar nix. Frag mal die Fee.

__________________
Alle Postings auf eigene Gefahr.
IP: Logged
|
|
|