Der Gedicht-Thread


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Post 25.05.2004 20:43 Post
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Emily



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Registriert: May 2004
Beiträge: 9
Zitat:
Celebrian schrieb:
Eine Gefügigmachung implizierte ja, daß der Mensch als überlegen oder zumindest als zeitweiliger Unterdrücker auftritt, was in dem Gedicht nicht der Fall ist - deshalb denke ich nicht, daß dieser Aspekt von größerer Bedeutung ist. Meiner Ansicht nach ist es eher so, daß die Personifizierungen den Mächten der Nacht und des Todes mehr Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit verleihen.

Diese "Gefügigmachung" ist auch für mich nicht als Kernthematik zu verstehen, sondern nur Teil - vielleicht Ursache - meiner Intention von Schuld (Mensch) und Unschuld (Natur): nur, wer schuldig ist, fühlt sich von Unschuldigem bedroht; erst recht, wenn die Schuld auf einem "Vergehen" an dem Unschuldigen basiert. Ich bin mir sicher, dass unsere blinden Kinder die Natur als weniger bedrohlich empfinden würden, da sie, wie bereits geschrieben, mit ihr noch eher verbunden sind, und, aufgrund ihrer Blindheit - die neben der Implizierung von seherischen Fähigkeiten oft einfach auch nur mit Unvoreingenommenheit oder Naivität gleichgesetzt wird - diese Schuld (noch) nicht tragen. Sie sind, sozusagen, noch ein Teil der Natur, der Unschuld, und nur wenige Menschen haben den Tod im Laufe ihrer Kindheit fürchten gelernt. Dass sie in engen Stuben singen, sehe ich auch als ein Bild einer Barierre an; jedoch, um mein Bild abzurunden ( ), als ein Hindernis, Teil dieser Unschuld zu bleiben. Das Singen für sich genommen deute ich als Zeichen ihrer Unbeschwertheit, welche Unschuldigen leichter fällt als Schuldigen.

Zitat:
Am Ende weinen die Nebel – vielleicht trauern sie um das ewige Sterben? Warum sind sie "keusch"?

Nun bringe ich mein Bild noch zu Ende. *g*
Ich kenne nichts Unschuldigeres in der Natur, als Tau oder Nebel: Nebel ist, begründet in seiner Entstehungsweise, unschuldig, unberührt, keusch. (Ist nicht auch ein Brautschleier mit Nebel zu assoziieren, dessen Trägerin ja eigentlich noch "unschuldig" sein sollte? )

Warum weinen die Nebel also nun? Vielleicht trauern sie gar nicht um das ewige Sterben, was ja Teil des Kreislaufs ist, dem sie selbst entspringen, sondern um den unabänderbaren, sich stets wiederholenden Verlust der Unschuldigkeit eines Teils der Natur?

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Post 25.05.2004 21:14 Post
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Celebrian



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Registriert: Jun 2003
Beiträge: 239
Hm, ehrlich gesagt fällt es mir schwer, Deine Gegenüberstellung Schuld/Mensch - Unschuld/Natur aus dem Gedicht herauszulesen. Der Brautschleierassoziation beim keuschen Nebel kann ich mich aber nur anschließen, das macht das Schlußbild tatsächlich verständlicher. *nicknick*

Wofür mir vorhin keine Zeit blieb, was ich aber doch noch loswerden möchte: die erste Strophe hat mich an einer Stelle ziemlich vom Hocker gerissen:

Die Pendel brauner Uhren nicken leise.
Der Abendmond verlaesst sein bleiches Bett.
Ein Jaeger einsam bei dem Hasel steht.
Die schwarzen Voegel ziehen leichte Kreise.


Mond und Vögel - okay, das ist zeitlos. Uhren - weniger geläufig, aber auch okay. Aber ein einsam am Haselstrauch stehender Jäger??? *schluck* Sowas war selbst 100 Jahre früher schon an der Schmerzgrenze, und zu Trakls Zeiten ist der wilde Jägersmann schon längst im Löns-Kitsch angesiedelt und auf dem Weg in den Heimatfilm. Wieso steht da ausgerechnet ein Jäger? *ratlos*

Weniger belastet ist der Wanderer, den Trakl in einem anderen Gedicht (s.u., eins meiner Lieblinge, es gibt auch eine schöne volksliedhafte Vertonung) völlig ungeniert ganz ernsthaft auftreten läßt - der würde rein rhythmisch auch hier passen ("Ein Wandrer einsam bei dem Hasel steht"), aber nein, es ist ein Jäger...



Ein Winterabend

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet,
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.


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"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt."
L. Wittgenstein

"Day 200075:
Council very boring. Got to say "DOOM" a few times in v. dramatic voice."
(The very secret diary of Lord Elrond)

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Post 26.05.2004 01:31 Post
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Arbrandir
Schuft


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Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
Gott, wie lange es her ist, daß ich dieses Trakl-Winterabend-Gedicht bewußt gelesen habe!

Es bringt Gegensätze zusammen - Einsamkeit und Zuhausesein, Wärme und Kälte, Dunkelheit und goldenen Schimmer, Stein und Brot. Es läßt den Wanderer eintreten und schauen -- aber dann endet das Gedicht. Er setzt sich nicht nieder, greift nicht nach den Speisen. Er schaut nur, und wir schauen mit ihm.

Das Gedicht verharrt in Erwartung, im Tableau dessen, was wie ein Stillleben (sic!) sich dort vor unseren und des Wanderers Augen darbietet. Der Moment erstarrt.

Schön.

Oder?



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Post 26.05.2004 10:15 Post
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Kaylee



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Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
schön ist vor allem, euch beim Gedicht schwärmen zuhören zu können.... *genieesss*

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Post 26.05.2004 13:10 Post
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_TylerDurden_



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Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
Alex schrieb:
Zu Trakl habe ich auch nie so richtigen Zugang gefunden,
obwohl er manchmal sehr schön schreibt.


Ja, manchmal ist es eine sehr eigentümliche Mischung aus Schwermut, Tod und Verfall.

Die zentrale Zeile scheint mir
"Gewaltig schlingt der Schlund der Nacht."
zu sein. Es geht darum, wie die Nacht hereinbricht, den
Abend verschlingt. Ich sehe das Gedicht vor allem
deskriptiv.


Nicht schlecht. Rezitier die Zeile mal laut, vom lautmalerischen hat das schon einen eigenen komischen Rhythmus, oder?

Emily schrieb:
Kinder symbolisieren Unschuld. Liegt deren Unschuld nicht aber begründet in ihrem erst kurzem Dasein auf dieser Welt, sprich darin, dass sie noch nichts gesehen (=blind) haben?

Zara widersprach:
Deshalb sind "blinde Kinder" die Perversion des Kindes

Das Argument zwischen euch fand ich sehr interessant. Als ich das Gedicht zum ersten Mal las, da fand ich die blinden Kinder die in engen Stuben singen und den Hundekadaver auch sehr morbide. Ich denke hier an Horror, bleiche, kränkliche Kinder, die mich aus leeren Augen anstarren und in ihren Händen ein großes Schlachtermesser wetzen, bereit mich nach dem Hund abzustechen. Vielleicht habe ich zuviele Horrorfilme gesehen. Die Anspannung dieses drastischen perversen Bildes musste ich jedenfalls spontan durch befreiendes Lachen lösen.

Emily erkannte:
Bestimmte Begriffe scheinen sich durch sämtliche Gedichte zu ziehen. Hier haben wir wieder eine Uhr, einen Hund, Kinder, die Blindheit, den Schlaf, Singen...

*applaudier*

Und:
Schade, dass nicht auffindbar ist, von wann das Gedicht tatsächlich stammt, dann könnte man es sicher besser einordnen.

Hier hatte ich Angst du könntest per Google nach dem Gedicht suchen und mich dann steinigen...

Celebrian:
Es liegt nahe, die Bibel zu assoziieren - alles ist eitel und Haschen nach Wind, und alles Fleisch ist wie Gras.
Am Ende weinen die Nebel – vielleicht trauern sie um das ewige Sterben? Warum sind sie "keusch"?


DAS ist eine gute Frage Celebrian...

Der Brautschleierassoziation beim keuschen Nebel kann ich mich aber nur anschließen, das macht das Schlußbild tatsächlich verständlicher. *nicknick*

*glucksglucks* Mmmmmhehehmmm... *kichernunterdrück*

Wofür mir vorhin keine Zeit blieb, was ich aber doch noch loswerden möchte: die erste Strophe hat mich an einer Stelle ziemlich vom Hocker gerissen:

Die Pendel brauner Uhren nicken leise.
Der Abendmond verlaesst sein bleiches Bett.
Ein Jaeger einsam bei dem Hasel steht.
Die schwarzen Voegel ziehen leichte Kreise.

Mond und Vögel - okay, das ist zeitlos. Uhren - weniger geläufig, aber auch okay. Aber ein einsam am Haselstrauch stehender Jäger??? *schluck* Sowas war selbst 100 Jahre früher schon an der Schmerzgrenze, und zu Trakls Zeiten ist der wilde Jägersmann schon längst im Löns-Kitsch angesiedelt und auf dem Weg in den Heimatfilm. Wieso steht da ausgerechnet ein Jäger? *ratlos*


Weil das Gedicht nicht von Trakl ist, sondern eine Parodie auf ihn!

Das Gedicht ist tatsächlich von Robert Gernhardt, Titanic-Mitbegründer, Gag-Schreiber für Otto und, wie Marcel Reich-Ranicki letztes Jahr wohlwollend bemerkte, wohl der größte noch lebende deutsche Poet.

Zitat Gernhardt:
Es stammt nämlich gar nicht von Trakl, sondern von mir, und das kam so: 1956, vor dem Abitur, hatte mein Deutschlehrer, der bereits erwähnte Oberstudienrat Kraus, uns Abiturienten aufgetragen, doch bitte irgendein selbstgewähltes Gedicht auswendig zu lernen, und weil mir das auf einmal zu dumm war, beschloß ich, selber einen Trakl zu schreiben; mit allen Schikanen, dem trakl-typischen a-b-b-a ebenso wie mit einem ordentlichen Hauch von Verfall, und alles derart an der Parodie entlangschrammend, daß der Schwindel nicht auffliege. Was er denn auch nicht tat: Meinem Vortrag schloß sich nicht nur eine einfühlsame, vielstimmige Interpretation an, sondern auch ein eindringlicher Vergleich dieses Gedichts mit einem zuvor gehörten Werk von Weinheber - ein kritisches Abwägen zweier Kunstwerke, daß ganz und gar zu Trakls Gunsten endete.
(Robert Gernhardt in seinem Buch "Gedanken zum Gedicht". Nur 126 Seiten, aber ein wahrer Schatz für mich.)

Weil dem 19jährigen Pennäler die Sache zu dumm war, hat er also einfach selbst einen Trakl geschrieben. Großartig! Jede andere Tätigkeit als eine Schreibende, wäre bei ihm danach nur Verschwendung gewesen.


Und verzeiht mir bitte die Posse, aber ich fand das so lustig und konnte einfach nicht widerstehen.
*fiesgrins*


P.S. (Preisfrage):
Wenn ihr jetzt eine Seite zurück geht und euch das Gedicht, und eure Interpretationen, noch einmal mit diesem neuen Wissen durchlest, ist eure Leserrezeption dann eine andere?

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Post 26.05.2004 15:03 Post
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Celebrian



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Registriert: Jun 2003
Beiträge: 239
*LAAAAAACH* Das war fies, aber klasse!

Zitat:
P.S. (Preisfrage):
Wenn ihr jetzt eine Seite zurück geht und euch das Gedicht, und eure Interpretationen, noch einmal mit diesem neuen Wissen durchlest, ist eure Leserrezeption dann eine andere?

Jein - auch wenn es nur ein künstlicher Trakl ist, kann man über die expressionistischen Bilder nachdenken, als ob sie echt wären. Gernhardt ist nicht der schlechtesten einer. *g* Bloß eine Deutung der "Gesamtaussage" macht keinen Sinn mehr - aber eine solche hatten wir ja eh nicht hinbekommen.


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Post 26.05.2004 20:07 PostBlusen des Böhmen
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Arbrandir
Schuft


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Beiträge: 866
So, und nun sag nochmal, Du wärest es nicht, geehrter Till Durden:




Allerdings zeigt dieses "Hurz!"-mäßige Experiment auch einmal mehr, daß Bedeutung und Sinnzusammenhang ausschließlich im Auge des Betrachters (oder auf Postmodernsprech, des reading subject) liegen, und daß Autoren nicht immer diejenigen sind, die ihr Werk am besten verstehen ...



Dorlamm liest
von Robert Gernhardt

Dichter Dorlamm liest in einem Buch,
doch er wird aus diesem Buch nicht klug.

Liest darin und legt es wieder hin -
nein, er kommt nicht hinter seinen Sinn.

Legt es hin und denkt, sooft er las:
"Ich kapier das nicht. Was soll denn das?"

Denkt: "Was soll das? Wer schreibt solchen Mist?"
Und schaut nach, wer der Verfasser ist.

Schaut aufs Buch, und plötzlich ist ihm klar,
daß der Autor ein Herr Dorlamm war.

Dorlamm? Dorlamm selbst hat es geschrieben!
Peinlich? Rasend peinlich, meine Lieben!




[Dieser Beitrag wurde von Arbrandir am 26.05.2004 um 20:10 editiert]

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Post 26.05.2004 21:50 PostRe: Blusen des Böhmen
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Emily



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Beiträge: 9
Tyler, das ist wirklich unfassbar. Ich bin erschüttert, ja, entsetzt über dieses heimtückische Gebahren!

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Post 27.05.2004 00:40 Post
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Arbrandir
Schuft


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Beiträge: 866
Eine wirklich interesante Frage, die sich da aufdrängt: Was ist Parodie, was Imitation? Wo liegen die Grenzen? In manchen Fällen sicherlich sehr schnell und einfach zu beantworten, aber gerade im demonstrierten Fall Trakl-Gernhardt doch ein kniffliges Problem.

Ich hätte dem GernhardtDurden auch sofort den Trakl abgekauft, denn die sogenannte "Parodie" strotzt nur so vor (gelungener) Imitation. Das mag damit zusammenhängen, daß Trakls Bilder auch oft recht, hm, "schräg" (eben expressionistisch) sind. Gottfried Benn ist auch so ein Paradefall, der sich anbietet. Von Thomas Pynchon will ich lieber gar nicht erst anfangen ...

Meine Frage an den Tyler: Inwiefern parodiert Gernhardt hier eigentlich? Ist es nicht vielmehr so, daß er imitiert -- und insofern das Interpretieren seines Gedichts, als wäre es von Trakl selbst, kein "Hereinfallen" auf eine Parodie darstellt, sondern die Anerkennung einer gelungenen Stilübung?




Wie war das nochmal mit Raffael und ... ?Botticelli? Oder so?







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Post 29.05.2004 21:37 Post
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_TylerDurden_



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Beiträge: 2560
Er "schrammt an der Parodie" vorbei, wie er selbst sagt. Wollte also, dass das Gedicht auf zwei Ebenen funktioniert: Erstens sollte es als echter Trakl durchgehen und zweitens die Eingeweihten, also ihn selbst, belustigen. Aber das ist wirklich ein kniffliges Problem. Beispiel: "Der Schuh des Manitu" ist eine Parodie auf die Winnetou-Western. Aber was ist Winnetou selbst? Eine Imitation oder eine Parodie eines echten Indianers? Oder wenn Clint Eastwood in einem Spagettiwestern bei einem Duell minutenlang in die Sonne blinzelt: Ist die Übersteigerung des Stilmittels nicht auch komisch von Sergio Leone in Szene gesetzt?
Meisterhaft macht das Tarantino bei Kill Bill 2, als Uma Thurmann von Pai Mei im Kung Fu geschult wird. Das funktioniert als Parodie, Imitation und Hommage gleichzeitig.

Wieso bin ich jetzt eigentlich beim Film gelandet?

Zurück zum Gedicht. Das Gedicht "Die Unverstandene Frau" welches Zara auf ihrer Jürgen von der Lippe CD gefunden und hier gepostet hat, befremdete mich. Es war gut, nicht das ich v.d.Lippe das nicht zutrauen würde, aber irgendwie sah ich beim komischen Hawaii-Hemden-Dichter mehr das Kalauernde, als es wirklich ernst zu nehmen. Als Zara mir sagte, dass es natürlich von Erich Kästner stammt, überwog dann plötzlich der beissende Spott. Oder, hätte ich Trakls Biographie gefaked und ihn in die Weimarer Republik gesetzt, hätte Kaylee es als Allegorie auf den Nationalsozialismus verstanden?

Wenn der Leser immer auch der Autor ist (Achtung Floskel) und ganz eigene Gedanken und Empfindungen in einen Text hereinliest, oder sogar noch allgemeiner gesagt: Kunst erst durch die Rezeption des Betrachters erschlossen wird, wieso legen wir solchen Wert auf die Person und Intention des Künstlers? Ich könnte z.B. den Stil Picassos kopieren, trotzdem wird das nie für Abertausende versteigert. Welchen Wert hat ein kopiertes Gedicht?

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