21.06.2004 22:55
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Ramujan
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Donnerwetter Tyler, deine Interpretation ist nicht schlecht (vielleicht sollten wir mal versuchen, so etwas mit der deutschen Flagge zu machen).
Beim Lesen hatte ich jedoch - genau wie Mike Hat - kein Bild einer bis zum Rand mit Regenwasser gefüllten Karre vor den Augen, sondern eher Tropfen, die nach einem leichten Schauer auf dem Blech trocknen.
Darum verstehe ich die Idee auch nicht, das Gedicht würde sich von Zeile zu Zeile vom Objekt entfernen: Um die Schubkarre aufs Bild zu bekommen, muss ich mich ein paar Schritte von ihr entfernen. Die Tropfen sind da schon detaillierter; um sie in den Mittelpunkt zu stellen, fotografiere ich von einer kürzeren Distanz. Und damit die Hühner auch noch den CCD-Chip erreichen, wähle ich einen noch größeren Bildausschnitt als beim ersten Foto. Also: Mittlere Distanz, ganz nah, weiter weg.
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22.06.2004 00:32
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Arbrandir
Schuft
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Der Dichter ist William Carlos Williams, der heftig von der Tradition des Imagism inspiriert wurde. Dies war ursprünglich eine französische Kunstbewegung, die Ezra Pound dann in den USA populär machte. Eines von Pounds berühmtesten Gedichten ist ein Haiku:
In a Station of the Metro
The apparition of these faces in the crowd;
Petals on a wet, black bough.
(@Tyler: Pound ist auch einer der Hauptvertreter des "Modernism", der seine literarischen Anfänge in den 1910ern-1920ern hat.)
Was ist mit der reinen Form des Gedichts? Es besteht nur aus einem Satz, auffällig sind die vielen einsilbigen Worte. Warum die seltsamen Zeilenunterteilungen, der Bruch zwischen "wheel" und "barrow"? Imo sollte "glazed" hier wirklich mit "bedeckt" oder "überzogen" übersetzt werden; "filled" ist was anderes. "So much depends..." -- ja was nur?
Und sind Schubkarren, wie sie z.B. auf einer Farm eingesetzt werden, normalerweise rot? Das Rot und das Weiß sind ja wirklich zwei enorm kontrastierende Farben, auch was ihren jeweiligen Symbolcharakter angeht. Regenwasser empfinde ich nicht als blau, auch nicht, wenn es wirklich in einer Regentonne gesammelt steht, deswegen kann ich Tylers "patriotische" Assoziationen nicht nachvollziehen 
Bin schon gespannt auf weitere Interpretationen!
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22.06.2004 17:10
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Auriane
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Zitat: Arbrandir schrieb:
Der Dichter ist William Carlos Williams, der heftig von der Tradition des Imagism inspiriert wurde. Dies war ursprünglich eine französische Kunstbewegung, die Ezra Pound dann in den USA populär machte. Eines von Pounds berühmtesten Gedichten ist ein Haiku:
In a Station of the Metro
The apparition of these faces in the crowd;
Petals on a wet, black bough.
Hm, das ist lustig, als ich das Gedicht gestern laß, fiel mir aus irgendeinem Grund 'In a station of the Metro' ein. Das hatten wir derletzt mal in Englisch, aber ich wusste nicht, wozu man es zählt.
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20% der S wollen später K machen und lernen daher alle 3 Fs.
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24.06.2004 14:22
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_TylerDurden_
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Arbrandir, kurze Gedicht sind immer vielseitig interpretierbar. Die rote Schubkarre kann auch eine Zunge sein, benetzt mit Speichel und neben den weißen Zähnen. Nur ein Beispiel, nach dem Imagism-Link würde ich so eine Symbolhafte Deutung nicht mehr verfolgen.
"A movement in poetry, aiming at clarity of expression through the use of precise visual images."
Hm...
Also die erste und letzte Zeile haben sechs Silben, die in der Mitte fünf. Dazu ist die Form mit Zeilenunterbrechung extravagant, es folgt aber ein Punkt am Schluss, es ist also schon ein echter Satz. Was bedeutet das? Ich hab keine Ahnung. 
Meiner Ansicht nach ist das ein vortäuschendes Blender Gedicht. Schon die erste Zeile erhebt einen Bedeutungsanspruch, durch den strengen Formalismus des Layouts unterstrichen, der nicht zum Inhalt passt. Der Sinn bleibt einem dann entweder wie Mike Hat verschlossen oder man grübelt nach bis man sich selbst etwas ansatzweise zufriedenstellendes aus der rechten Gehirnhälfte gezutzelthat. Was natürlich auch einen Wert für sich hat, aber nur subjektiv gültig sein kann. Dass das Gedicht aber eine bestimmte Message transportieren soll sehe ich nicht. Aber was soll dann dein Hinweis auf die Autorintention? *frag*
Eine Schubkarre (rot vom Rost?), trocknendes Wasser und gackernde Hühner. Und soviel hängt davon ab! Oder anders ausgedrückt:
American Beauty (von Tyler Durden)
You have to look
closer
a red plastic
bag
flying in the
wind
beside the white
fences.
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29.06.2004 19:13
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Mike Hat
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Wenn Arbrandir nicht in Kürze antwortet, werde ich wohl schummeln müssen.
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29.06.2004 19:34
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_TylerDurden_
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Ich warte auch schon ungeduldig auf Arbrandirs tiefsinnige Auflösung. Wahrscheinlich sind wir Kerle ihm nur nicht gut und intellektuell genug und er möchte mehr von Celebrian und Kaylee lesen. *pfffhüü*
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29.06.2004 19:37
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Mike Hat
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So scheint es.
Wobei ich ja glaube, dass wir der Wahrheit schon sehr nahe gekommen sind.
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30.06.2004 03:41
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Arbrandir
Schuft
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Zitat: Wenn Arbrandir nicht in Kürze antwortet, werde ich wohl schummeln müssen.
Bin ja schon da! Und Du hast echt noch nicht geschummelt? Komm gib's zu... Du hast! Du hast! Du hast doch schon "William Carlos Williams" nachgeschaut, oder?? Wenn nicht, bist Du entweder sehr eisern - oder sehr uninteressiert .
Zitat: Wahrscheinlich sind wir Kerle ihm nur nicht gut und intellektuell genug und er möchte mehr von Celebrian und Kaylee lesen.
So ein Quatsch. Naja. Fastquatsch. Naja. Kaylees und Celebrians Kommentare fehlen mir schon. Naja. Ich war wohl nicht würdig.
Zitat: Wobei ich ja glaube, dass wir der Wahrheit schon sehr nahe gekommen sind.
"Wahrheit"! Wow!! Gibt es also eine "wahre" Interpretation von Gedichten? Gibt es unwahre?
... Bitte nicht falschverstehen, geehrter Mike Hat -- diese Formulierung hat mich nur gerade voll auf die Zwölf getroffen.
Ein wenig habe ich ja schon über den Dichter und seine Verbindung zm Imagism verraten. Er war hauptberuflich Kinderarzt (jaja, nehmt Abschied von dem romantischen Traum, als schon zu Lebzeiten berühmter Dichter Euer Brot verdienen zu können!) und prägte die mittlerweile in der amerikanischen Lyrik berühmte Maxime "No idea but in things". Weg von dem Gedanken, daß Dichtung im Dienste abstrakter, idealer Gedanken steht -- nur das Konkrete, Sichtbare, Greifbare zählt, und das gilt es auszudrücken.
"So much depends" habe ich denn auch immer interpretiert als eine Momentaufnahme des Farmalltags, in dem ein Spielzeug (nämlich die "rote" Schubkarre im Gegensatz zu einer handelsüblichen grauen) die Anwesenheit eines Kindes symbolisiert. Wie soll es weitergehen ohne Nachwuchs? Wo bleibt die Hoffnung, wenn keiner da ist?
Die weißen Hühner und das in diesem Bild implizierte Idyll spielen nur dann eine Rolle, wenn jemand da sein wird, es aufrechtzuerhalten. So viel hängt davon ab.
WC Williams hat diesen regenwasserbenetzten Schubkarren tatsächlich gesehen - und aus dem Gedanken über diese konkrete Manifestation einer puren Notwendigkeit ("Kinder sind nötig, um die Farm/das Familienunternehmen aufrechtzuerhalten") ein Gedicht gemacht. 1923.
Hut ab vor Euren (von Fachidiotie freien, treffenden) Interpretationen!
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30.06.2004 10:00
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Mike Hat
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Zitat: Arbrandir schrieb:
Bin ja schon da! Und Du hast echt noch nicht geschummelt? Komm gib's zu... Du hast! Du hast! Du hast doch schon "William Carlos Williams" nachgeschaut, oder?? Wenn nicht, bist Du entweder sehr eisern - oder sehr uninteressiert .
Mist, ich bin durchschaut!
Nein, ernsthaft, ich hab wohl schon mal nachgeguckt, nachdem Du den Namen genannt hast. Gefunden habe ich lediglich eine ganz kurze Abhandlung über den Dichter, keine Interpretation von "Red Wheelbarrow". Nicht einmal sein Beruf - der natürlich ein hilfreicher Hinweis gewesen wäre - wurde dort erwähnt.
Zitat: Arbrandir schrieb:
Zitat: Wobei ich ja glaube, dass wir der Wahrheit schon sehr nahe gekommen sind.
"Wahrheit"! Wow!! Gibt es also eine "wahre" Interpretation von Gedichten? Gibt es unwahre?
... Bitte nicht falschverstehen, geehrter Mike Hat -- diese Formulierung hat mich nur gerade voll auf die Zwölf getroffen.
Ich weiß. War Absicht. 
Trotzdem muss es ja einen gewissen Grundkonsens über ein so berühmtes Werk geben. Das hatte ich gemeint.
Zitat: Arbrandir schrieb:
Hut ab vor Euren (von Fachidiotie freien, treffenden) Interpretationen!
*verneig*
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