17.08.2004 20:49
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Ludy
Chief Resident
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Ach mensch - schon wieder neue Bücher und ich komme beim Irving nicht weiter. Aber weil ich momentan recht viel "beruflichen" Streß habe, komme ich überhaupt nicht zum Lesen.
Gerade aktuell: Der englische Patient
Michael Ondaatje
Italien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. In einer verlassenen, abgelegnen Villa haben die Alliierten ein Lazarett eingerichtet. Hier pflegt die kanadische Krankenschwester Hana die Verwundeten der letzten Offensiven. Doch als die Alliierten entscheiden, das Lager abzubrechen und weiterzuziehen, entschließt sich Hana zurückzubleiben, um sich um einen schwer verwundeten, transportunfähigen Patienten zu kümmern. Dieser ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, sein ganzer Körper ist eingehüllt mit Bandagen, und selbst an seinen Namen kann oder will er sich nicht mehr erinnern. Doch gerade darum fasziniert er Hana: Wer ist dieser mysteriöse und schweigsame Mann, den sie nur als den „englischen Patienten“ kennt? Welche Geschichte verbirgt sich hinter seinen undurchdringlichen Augen? Noch bevor sie eine Antwort finden kann, stoßen der italienische Spion Caravaggio und der indische Minensucher Kip zu Hana und quartieren sich bei ihr ein. Während sich die Kampfhandlungen immer weiter entfernen, entspinnt sich hier in der stillen Villa zwischen den vier Protagonisten eine wechselhafte Beziehung zwischen Verdächtigung und Verlangen, zwischen Hass und Liebe. Der Krieg zieht weiter, doch für die Hauptfiguren, die so zufällig zusammengefunden haben, beginnt der Kampf mit den Gefühlen erst.
Schon wieder Weltkriegsliteratur. Es ist echt viel, wie der Frank schon bemerkte. Und obwohl die beiden großen Kriege, wie man sie nennt, viel Anlaß zum Schreiben geben und viel Platz in einer Auswahl wie dieser verdienen, reizt sie mich momentan noch weniger als der Irving.
Kennt jemand das Buch oder den Film? Wie ist denn die Story so?
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20.08.2004 01:08
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Ramujan
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Zitat: Ach mensch - schon wieder neue Bücher und ich komme beim Irving nicht weiter.
Ich komme derzeit bei Ripley nicht weiter. Die Hauptfigur mordet, nimmt eine andere Identität an, reist ein wenig herum und versinkt in Selbstmitleid. Die italienische Polizei ist so dämlich, dass sie sich umgehend selbst verhaften sollte. Der Schreibstil ist flüssig und schnörkellos, aber all die Reisen, die Highsmith ratternd aufzählt und in denen alles in allem wenig passiert, beginnen schnell zu langweilen. Finde ich. Mich hat das Buch bisher enttäuscht. Und wie es ausgeht, kann man sich denken, wenn man weiß, dass es mehrere Nachfolgebände gibt.
Ich werde die noch ungelesenen hundert Seiten erst einmal zur Seite legen; passend zu Ludys neuer Signatur habe ich mir Rumo von Walter Moers gekauft, jetzt frisch im Taschenbuchformat: Das ist anarchistisch-witzige Phantastik mit hohem Spaßfaktor in einem liebevoll aufgemachten Buch. Selbst die Graphiken sind nicht mehr so minimalistisch wie sonst vom Autor gewöhnt. Genau das Richtige vor dem Einschlafen.
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20.08.2004 00:49
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Ludy
Chief Resident
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Beim Ripley fehlt irgendwie was, so richtig überzeugt hat er mich auch nicht.
Rumo dagegen ist ein total tolles Buch. Ich wünsche Dir viel Spaß damit. Mir fehlt noch Ensel und Krete. Die drei Zamonien - Bücher brauche ich außerdem noch für die Bearbeitung der Hausaufgaben in der Nachtschule. Man will ja nicht ohne sein Nachtitur ins Berufsleben.
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20.08.2004 01:15
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Ramujan
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Ensel und Kretel habe ich auch noch nicht gelesen. Übrigens kommt bald ein neues Buch von Moers: Im Rumo-Taschenbuch befindet sich eine Leseprobe.
PS: Dein Link zur Nachtschule funktioniert nicht.
PPS: Hat sich erledigt. Du hast ihn mit der Boardy-URL kombiniert.
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31.08.2004 00:46
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pfeifenkrautler
Honk
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Walter Moers schreibt so wie Michael Ende auf LSD geschrieben hätte. Vielleicht nicht literarisch wahnsinnig wertvoll, dafür sind seine Sachen zu vollgestopft und unsortiert, aber erfrischend verrückt und irgendwie "undeutsch". Terry Pratchett ist ein guter Vergleich, wobei Moers noch schräger und unberechenbarer ist. Nach "Blaubär" und "Ensel und Krete" dieser blutrünstige, fast schon kranke "Rumo", mit seinen kafkesken Gewaltphantasien... ich möcht' nicht wissen, in wieviele Kinderzimmer das Buch als wohlmeinendes Geschenk Angst und Schrecken brachte.
Moers spinnt und das ist was Besonderes. Sein Schaffen wirkt auf mich so herrlich ungeplant, nicht so routiniert wie Pratchett und nicht so durchdacht wie Rowling. Ich hab das Gefühl, er weiß selber nicht, wo das alles hinführen soll, mit Zamonien, er schreibt einfach mal drauflos. Weil er muss. Ich glaube, wenn er die Zamonienbücher nicht schreiben würde, würde sein Kopf explodieren. Ich freu mich schon auf das Neue.
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31.08.2004 00:57
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Ludy
Chief Resident
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Da man nicht mehr allzuviel von Dementia schreiben kann, ohne zuviel zu spoilern, bemühe ich auf Tylers Wunsch eine andere Stelle des fabelhaften Buches "Wilde Reise durch die Nacht". Der zwölfjährige Gustave muß einige Aufgaben erfüllen, eine davon hat mit Jungfrauen und Lindwürmern zu tun.
"Wieso ist jetzt eigentlich Mittag? Und so warm?" fragte Gustave. Eben auf dem Schiff war es noch tiefe Nacht.
"Hier ist es immer Mittag", erläuterte der Greif. "Immer Sommer. Wegen der Jungfrauen."
"Verstehe ich nicht."
"Na, damit es immer schön beheizt ist. Die Jungfrauen sind doch so gerne nackt."
"Die Jungfrauen laufen hier ohne Kleider herum?" japste Gustave. Der Greif wendete seinen Kopf zu seinem Passagier und kniff verschwörerisch ein Auge zu.
"Mehr oder weniger. Wo es doch so warm ist."
Als sie den Küstensaum erreicht hatten, flog der Greif eine leichte Rechtskurve, spreizte die Schwingen und ließ sich von der leichten Meerbrise am Felsgestade entlangtragen. Gustave sah nur jäh abfallende Klippen unter sich und schäumend dagegen anrennende grüne Wellen. Ab und zu eine kleine Bucht, ein schmaler Sandstrand, dann wieder Felsen, Felsen, Felsen.
"Wo sind denn die Jungfrauen?" fragte er ungeduldig.
"Da sind sie, deine Jungfrauen", seufzte der Greif, "da vorne rechts - und fall mir ja nicht aus dem Sattel!"
Gustave konnte zunächst nur helle Flecken auf den Klippen wahrnehmen, die er für nistende Möwen hielt, aber als sie näher kamen, erkannte er immer deutlicher, daß es eine Schar junger Mädchen war.
Und sie schienen tatsächlich alle nur spärlich bekleidet und von ausnahmslos schönem Wuchs zu sein. EInige hatten gerade mal ein Hüfttuch umgeschlungen oder einen Kopfschmuck angelegt, manche waren sogar vollkommen nackt.
Gustave keuchte.
"Hilfe!" riefen die Mädchen. "Hilfe! So helft uns doch" Und sie lachten und kicherten und knufften sich gegenseitig mit den Ellenbogen.
Und jetzt ab, das Buch kaufen oder un der Bücherei ausleihen! Zack zack!
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31.08.2004 11:02
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pfeifenkrautler
Honk
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Zitat: Tyler schrieb mir in einem anderen, völlig unnötigerweise geschlossenen Thread: Du hast Post! Also so in echt, keine Boardy Message oder elektronischen Brief sondern dir wird von mir bedrucktes Papier geliefert. Mit der Vorgabe nach/während/vor dem Lesen Eindrücke und eine Rezension zu schreiben.
Au fein! Was Selbstverfasstes? *Lektorenfeder zück*
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02.09.2004 07:52
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Ludy
Chief Resident
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Ich fange eins voon den monatlichen Büchern an heute, jawohl. Es hört sich nämlich ganz interessant an, auch in Zeiten von HartzIV und so. *vagemitdenhändenfuchtel*
Jetzt habe ich ja Zeit *freu*
*wenigerinsternchenschreibensollte,weildasvielzujungmacht*
Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr so, wie es war. Kees Popinga, der brave holländische Familienvater und Prokurist, verliert seinen Job. Seine Firma geht Pleite, der bewunderte Chef verschwindet mit der Firmenkasse. Für Popinga ist das nicht nur eine persönliche Enttäuschung, sondern auch eine finanzielle Katastrophe, da er an der Reederei beteiligt ist. Dazu kommt, dass die Umstände es nahelegen, er sei an dubiosen Machenschaften der Firma beteiligt. Popinga fasst einen Entschluss: Er nimmt den nächsten Zug nach Amsterdam und taucht ein in ein neues Leben. Wenn schon alles zusammenbricht, dann möchte er wenigstens einmal richtig frei sein, leben und lieben, wie es ihm gefällt. Für seinen Traum vom neuen Leben geht Popinga sogar über Leichen, und schon bald ist er auf der Flucht.
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02.09.2004 09:55
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pfeifenkrautler
Honk
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Ich habe heute Tylers (leider nicht selbstverfasstes) Buch angefangen und dafür extra den Eugenides zurückgestellt. Wilde Schafsjagd von Murakami. Etwas komisch direkt nochmal ein Buch von jemandem zu lesen, dessen gerade gelesenes Buch mir nicht gefiel, würde ich eigentlich sonst nicht tun, aber ich lass mich ja immer gern belehren. Mal schauen. Bis jetzt gefällt mir der ereignisarme Tagesablauf des frustrierten Dreißigjährigen, der kommt mir bekannt vor.
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06.09.2004 01:47
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pfeifenkrautler
Honk
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Melde gehorsamst, bin durch. Vorab: besser als "Mister Aufziehvogel", aber komisch.
Insgesamt ist das Buch sehr viel stringenter und strukturierter als der "Aufziehvogel" (auch viel dünner), und das ist gut. Ein relativ gradlinig erzählter Mysterykrimi, ohne große zeitliche und räumliche Sprünge. Aus dem Ameisenhaufen Tokyo heraus führt die Story immer weiter nach Norden bis in die abgelegene Berghütte auf der Schafsweide (so ein Haus zu besitzen ist übrigens seit vielen Jahren mein Traum).
Die Parallelen zum "Aufziehvogel" sind unübersehbar, zwei Versionen der gleichen Geschichte sozusagen. Und wieder wird das Rätsel nicht vollständig aufgelöst, aber diesmal doch wenigstens soweit, dass ich damit leben kann. Ist halt Japan, der mysteriöse Ferne Osten, nicht wahr?
Was mir gefiel:
Der ziellose Ich-Erzähler. Das Haus in den Bergen. Die Jahreszeitenbeschreibungen. Der Schafmann, der war klasse. Diverse verschrobene Ideen und losgelöste Beobachtungen, der "Flow" des Ganzen. Ein bißchen hat mich der Erzählstil an die Bildsprache von "Lost in translation" erinnert.
Was mir nicht gefiel:
Die unglaubwürdige Frauenfigur, die Tussi mit den Ohren, was sollte das? Männerphantasien.. Die allmächtige konservative Verschwörung, die taucht auch im "Aufziehvogel" auf und langweilt, wie alle Verschwörungstheorien. Jaja, die dunkle Macht, wie unheimlich.. *gähn* Die nicht enträtselten Handlungsstränge (was wurde aus der Ohrenfrau? Was war das Schaf denn nun genau?) Die bemühten historischen Exkursionen, vielleicht für Japaner interessant, ich fands ermüdend. Wird im "Aufziehvogel" ziemlich ausgewalzt.
Fazit: Interessant, anders, exotisch, konnte mich aber nicht wirklich für erwärmen.
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Zurückschicken kann ich dir das Buch nicht, da kein Absender drauf stand. Da du noch eins von mir hast, behalte ich es als Geisel bis zum nächsten Treffen, okay?
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