Morgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser


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Morgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser    Dieses Thema ist 11 Seiten lang:    1   2   3   4   5   6   [7]   8   9   10   11   < Voriges Thema     Nächstes Thema >
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MorgothderGrosse



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So, weiter geht es mit Kaiser Konrad II.:

"Dass er niemandem wich, zeigte Konrad II. auch gegenüber den kirchlichen Gewalten. Heinrich II. war kein Heiliger gewesen [obwohl er später heilig gesprochen wurde ], Konrad II. schien noch nicht einmal sonderlich fromm. Man hat ihn als den "ungeistlichsten", den im Glauben am wenigsten festen Kaiser bezeichnet.
Auf die Päpste sah er mit Verachtung herab: was sollte er auch von Männern denken, die sich die Stellvertretung Gottes auf Erden anmaßten, mit ihrem Amt aber Schindluder trieben: wie Johannes XIX., der sich den Stuhl Petri von seiner Familie kaufen ließ und später mit dem Gedanken spielte, ihn an den griechischen Patriarchen von Konstantinopel weiterzuverschachern; oder wie sein Nachfolger Benedikt IX., ein zwölfjähriger Knabe, "kindischer als Caligula, lasterhafter als Heliogabal" und so korrupt, dass er gegen eine Abfindung in Höhe von 2000 Pfund in Gold sogar wieder zurücktrat. Konrad II. war nicht betrübt von dem, was man ihr "lasterhaftes Treiben" nannte, solange sie nicht seine Kreise störten und sich kommandieren ließen, wie er es befahl. Benedikt zum Beispiel war ihm gut genug, den Erzbischof von Mailand zu exkommunizieren, der sich den kaiserlichern Reformplänen zu widersetzen wagte. Mit den Bischöfen in Deutschland sprang er ähnlich rigoros um: Er setzte sie ein, er setzte sie ab, er setzte sie gefangen-wenn sie nicht so wollten wie er. Ihn interessierte es wenig, ob die Kirchenfürsten menschlisches Format hatten, ob sie gebildet waren oder ungebildet, wichtig war nur, dass sie in sein politisches Konzept passten und ihrer Pflicht als hohe Beamte nachkamen. Denn das waren sie für ihn in erster Linie: hohe Beamte, die nicht zwei Herren zu dienen hatten, sondern nur einem-ihm."

Irgendwie ist mir Konrads II. Einstellung der Kirche gegenüber sympathisch. Hier ein Bild des von Konrad II. um 1030 gegründeten, einstmals großen und bedeutsamen Klosters Limburg im Pfälzer Wald, das heute leider nur noch als großartige Ruine einsam auf einer waldigen, abgeschiedenen Bergkuppe steht:


Und hier die Krypta des verfallenen Klosters, die noch ganz gut erhalten ist:


Und weiter mit Konrad II. und seinen Problemen mit der Kirche:

"Während Heinrich II. der Kirche genommen und gegeben hatte, nahm Konrad II. nur noch. Der warme Regen königlicher Stiftungen auf Kirchen und Klöster hörte auf, die Versuche, Geschenktes ungeschenkt zu machen, nahmen zu. Bistümer und Reichsabteien wurden regelrecht vermarktet: Wer am meisten zahlte, bekam den Zuschlag. Bargeld gegen Bischofssitz, das war nicht eben neu, nur war Konrad noch nicht einmal bemüht, sein Tun zu bemänteln.
Auf den Vorwurf, dass er fortwährend sich der Simonie schuldig mache, gab er die entwaffnende Antwort: "Wie anders soll dieses Reich denn zu regieren sein?"
"Simonie" bedeutet den Handel mit Heiligtümern und kirchlichen Ämtern, eine Bezeichnung, die auf Simon den Magier zurückgeht, einen Wundertäter aus Samara, der mit Petrus und Johannes einen ungewöhnlichen Handel abschließen wollte: "Da aber Simon sah, dass der Heilige Geist gegen ward, wenn die Apostel die Hände auflegten", heißt es in der Apostelgeschichte, "bot er ihnen Geld an und sprach: "Gebet mir auch die Macht, dass, so ich jemandem die Hände auflege, derselbe den Heiligen Geist empfange."
Zum Teil hatten sich feste Sätze beim Ämterverkauf durch den Kaiser eingebürgert, zum Teil wurde gefeilscht. Wem die Kaufsumme zu hoch war, der konnte sich ruhig verschulden. Die Pfründe warf in der Regel so viel ab, dass er die Schulden bar tilgen konnte. Wenn nicht, ließ sich immer noch Kircheneigentum verkaufen. Marmorsäulen zum Beispiel, Bücher, Altarsilber oder die Ziegel vom Dach des Gotteshauses.
Es gab noch ein zweites Problem, das die Kirche seit Jahrhunderten zu lösen sich bemühte: den Zölibat. Der Gedanke, dass es besser sei, wenn Priester nicht heirateten, war ursprünglich weniger eine Sache der Moral gewesen als ein Erfordernis der Praxis: Wer unabhängig war, frei von Familiensorgen und emotionell nicht engagiert, konnte sich seiner Aufgabe als Seelsorger am besten widmen. Auch hatte er kein Interesse daran, Vermögen zu bilden, da es keine Erben gab. Ganz abgesehen davon, dass er durch die Bändigung seiner Triebe Gott näherstand und seinen Mitmenschen ein Vorbild war.
Doch mit den Trieben gab es Schwierigkeiten. Sie ließen sich auf die Dauer nur sehr schwer bändigen."

Konrad II. schaffte es, zu verhindern, dass priesterliche Ehen anerkannt werden-denn so konnte er verhindern, dass die geistlichen Lehnsmänner Kinder hatten, die erbberechtigt waren. Somit konnte er jedesmal nach dem Tod eines Klerikers frei über dessen Land verfügen.
Im Jahre 1039 starb Kaiser Konrad II. Seinem Sohn, der nun König Heinrich III. war, hinterließ er ein um Burgund vergrößertes und finanziell saniertes Reich. Die Macht der Kaiser erreichte unter Konrad II. und Heinrich III. ihren Höhepunkt: Die Päpste wurden vom Kaiser nach Gutdünken eingesetzt und abgesetzt, des Kaisers Wort galt von Schleswig bis Rom und von der Provence bis Polen-und die Reichsfürsten waren zu schwach, um sich gegen die starke Hausmacht des Kaisers stellen zu können.

Hier die Grabkrone Kaiser Konrads II. die man 1900 bei der Öffnung seines Grabes fand und die heute im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu bestaunen ist:


Und hier sein Sarkophag in der salischen Familiengruft im Speyerer Dom (Sein Sarkophag ist der hintere mit den beiden Eisenbändern, unter der runden Öffnung, links neben ihm der Sarg seines Sohnes Kaiser Heinrichs III. und ganz links hinten der Sarg seines Enkels Kaiser Heinrichs IV.):


Und nachher geht es weiter mit Heinrich III., den die Zeitgenossen den "Schwarzen Heinrich" nannten.
[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 02.07.2004 um 18:54 editiert]

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Post 02.07.2004 20:34 Post
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Hey, das Kryptafoto ist ja klasse!

Haben Konrad und sein Nachfolger ihre Macht eigentlich aus reiner Militärherrschaft bezogen, oder wieso waren die Kaiser inzwischen so mächtig?!

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Post 02.07.2004 21:17 Post
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MorgothderGrosse



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Zwei Dinge waren für die ungeheure Macht der Salier ausschlaggebend:
-Erstens ihre Hausmacht, also der Besitz der salischen Familie. Zwar war das Territorium recht klein, aber es umfasste große, alte Römerstädte wie Straßburg, Speyer, Mainz und Worms. Der Kern der salischen Hausmacht lag im dicht besiedelten Rheingraben, daher hatten sie viele Untertanen, die ihnen auf jeden Fall gehorchten-und eine gesunde Finanzbasis.
-Bedeutender aber war der zweite Punkt: Konrad II. gab sich konsequent ritterfreundlich, schenkte ihnen ihre Lehen und begünstigte sie, wo es nur ging-und das setzten die anderen Salier fort. Dadurch standen die Ritter fest auf der Seite des Kaisers und hätten in einem Konflikt sofort für ihn Partei ergriffen. Und bedenkt man, dass die deutschen Ritter mit ihren schweren Rüstungen, ihren gepanzerten Pferden und ihrer guten, aus Langschwert, Lanze, Dolch und Schild bestehenden Bewaffnung die stärksten Kämpfer Europas darstellten, überlegt man es sich als Fürst zweimal, ob man gegen den Kaiser revoltiert. Es ist bezeichnend, dass es gegen Konrad II. nur eine Revolte gab und gegen seinen Sohn Heinrich III. keine einzige.
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Post 02.07.2004 21:23 Post
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Mhmmm....*nick* einleuchtend! Der Beginn einer deutschen Arthustradition, die bis zu den langen Kerls reicht?!

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Post 02.07.2004 22:18 Post
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MorgothderGrosse



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Zurück ins Jahr 1039: Kaiser Konrad II. ist tot [eine kuriose Anmerkung am Rande: Im Historischen Museum der Pfalz in Speyer kann man immer noch originale Haarsträhnen Konrads II. und seiner Frau Gisela sowie ihre bleiernen Grabtafeln betrachten], und sein Sohn Heinrich III. wird ohne Probleme zum deutschen König gekrönt:

"Heinrich III., Konrads II. Sohn, der 1039 zur Regierung gelangt, waren Simonie und Priesterehe ein Ärgernis. Er war, ganz im Gegensatz zu seinem der Welt zugewandten Vater, tiefreligiös und fromm bis zur Askese. Er machte sofort Anstalten, gegen die Sünden des Vaters anzugehen und den Handel mit kirchlichen Ämtern zu stoppen. Er selbst gab das Beispiel, indem er auf die Schmiergelder verzichtete, die bei der Investitur von Bischöfen und Äbten üblich waren. Eine selbstlose, lautere Tat, die den Beifall der Reformer fand-und das Stirnrunzeln der für den Staatshaushalt zuständigen Räte.
Die Finanzierungslücke nämlich, die durch den Verzicht entstand, klaffte weit, und Heinrich III. sah sich gezwungen, die Adligen stärker zur Ader zu lassen, indem er sich von ihnen jene Summen holte, die ihm jetzt fehlten. Er hätte keine wirksamere Methode finden können, sich neue Feinde zu schaffen, doch das war ihm gleichgültig: wenn man ihn nur fürchtete, zu lieben brauchte man ihn nicht.
Heinrich III. war ein Idealist reinsten Wassers, und von den Idealisten heißt es, dass Gott uns vor ihnen beschützen möge, wenn sie in der Politik auftreten. Weil sie immer versuchen werden, die Welt nach ihrem-weltfernen-Bilde zu gestalten.
Seine Zeitgenossen schildern ihn als düster, verschlossen, unnahbar, und kein Name passte besser zu ihm als der des "Schwarzen Heinrich", auch wenn er ihn vornehmlich seinen schwarzen Haaren verdankte und seinem dunklen Teint. Als die Spielleute zu seiner Hochzeit herbeiströmten, um ihn auf ihre Art zu feiern, ließ er sie fortjagen-"in tiefer Verachtung ihrer eitlen Künste."
Das war nicht nur unklug-die Fahrenden waren die "Presse" und bestimmten weitgehend die öffentliche Meinung-, sondern auch der Sitte der Zeit zuwider, denn die Gaukler waren außerordentlich beliebt."

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Post 02.07.2004 22:29 Post
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Kaylee



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Na, DER führt sich ja gleich gut ein!! Da war mir Konrad aber sympathischer.

Wir hatten ja ganz schön unterschiedliche charaktere als Kaiser! +staun*

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Post 02.07.2004 23:26 Post
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MorgothderGrosse



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Bevor es weitergeht, hier eine Darstellung dieses düsteren Herrschers Heinrich III. in einer zeitgenössischen Buchmalerei:


Und hier sein Siegel:


Und nun weiter mit Heinrich III.:

"Ein freudloser Streber also, dieser dritte Heinrich? Vielleicht war er das, aber er war kein Heuchler, er hatte ein Ziel, das er mit aller Kraft zu verwirklichen suchte: die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern. Nur auf eine Kirche, die frei war vom Laster der Simonie und der Priesterehe, glaubte er sich in Zukunft stützen zu können.
Es empfahl sich, dabei eine Strecke Weges mit den düsteren Männern von Cluny zu gehen. Cluny war ein Fanal, das seit Jahrzehnten schon von Burgund her über die Grenzen nach Deutschland leuchtete [Allerdings war Burgund und damit auch das Kloster Cluny seit 1033 Territorium des Reiches und damit unter der Herrschaft Heinrichs III.], ein Zeichen der Besinnung auf die wahren Aufgaben der Kirche, die nicht in der Welt des lauten Alltags liegen könnten. Verinnerlichung, Versenkung in das Gebet, würdige Ausgestaltung des Gottesdienstes lauteten die Forderungen der burgundischen Abtei. Die Mönche kamen in strengen Zucht, wurden zu Gehorsam verpflichtet, zum Stillschweigen, zur Askese.
Dass Cluny auch die absolute Unabhängigkeit der Kirche von jeder weltlichen Gewalt predigte, hätte Heinrich stutzig machen sollen, aber er sah darüber hinweg in dem Glauben, mit dieser Gefahr fertig zu werden. Wichtig war ihm, die eine Zeitströmung repräsentierenden Cluniazenser auf seiner Seite zu wissen."

Hier ein Bild dessen, was von der damals zum Reich gehörenden, gigantischen Abtei Cluny heute noch erhalten ist:


Und weiter:

"Heinrich III. setzte den Hebel seiner Reformen dort an, wo die größtmögliche Breitenwirkung zu erwarten war: in Rom, dem Sitz des Oberhauptes der katholischen Christenheit. Das heißt, momentan war es der Sitz dreier Oberhäupter.
Die an Abwechslung nicht arme Geschichte der römischen Kurie hatte zwar gelegentlich Papst und Gegenpapst, aber noch nie drei Päpste zugleich. Benediktz, von Aufständischen vertrieben und durch Silvester ersetzt, kehrte zurück, vertrieb Silvester, trat aber in der Erkenntnis, sich doch nicht halten zu können, sein Amt an Gregor VI. ab, der ihn dafür großzügig entschädigte. Für Heinrich III. ein willkommener Grund einzugreifen, das Schisma zu beenden und bei dieser Gelegenheit mit der Reform zu beginnen.
Er erschien mit einer Heeresmacht in Italien, zwang Silvester zum Verzicht, setzte Benedikt, der ja dem katholischen Recht zuwider abgedankt hatte und deshalb noch als Papst gelten konnte, offiziell ab, schickte den der Simonie überführten Gregor ins Exil nach Köln und erhob einen Papst nach seiner eigenen Wahl: den Sachsen Suitger von Bamberg.
Suitger, nun Papst Clemens II., setzte anderntags dem König Heinrich III. die Kaiserkrone auf. Ein deutscher Papst und ein deutscher Kaiser, beide verbunden zu gemeinsamem Werk, beide gewillt, die Kirche zu erneuern und der Welt Gottes Frieden zu geben, das war seit den Tagen Ottos III. nicht mehr dagewesen, ein großer historischer Moment, der seinen Ausdruck fand in einer Krönungsfeier von nie dagewesenem Glanz. Heinrich III. hatte den Gipfel seiner Macht erreicht und mit ihm das deutsche Kaisertum überhaupt. Sein Machtbereich erstreckte sich von der dänischen Grenze bis nach Unteritalien, von der Oder bis zur Rhone, von Prag bis nach Gent, drei Königreiche-Deutschland, Italien und Burgund-waren unter seiner Krone vereint, die Polen, Böhmen, Ungarn und die Westslawen erkannten ihn als ihren Oberherrn an, und die Römer verliehen ihm die Würde eines Patricius-das Recht, jede Papstwahl zu entscheiden.
Wie die Kaiserkrönung des Mannes verlief, dem das Abendland gehorchte, diese größte "Show" des Mittelalters, es ist an der Zeit, sie zu schildern.
An jenem 25.Dezember 1046 wird Heinrich III. an der Kirche Santa Maria Traspontina in Rom vom Klerus und den Körperschaften der Stadt empfangen und zur Porta Castelli an der Engelsburg geleitet, wo er einen heiligen Eid leistet, die Gesetze der Stadt zu beachten und die Gewohnheiten ihrer Bewohner zu tolerieren. Von dort bewegt sich der Zug, begleitet von den Senatoren, dem das bloße Schwert tragenden Stadtpräfekten und den Kämmerern, die aus großen Körben Münzen unter das gaffende Volk werfen, zur Peterskirche.
Er steigt die Treppe hinauf, begrüßt den dort seiner harrenden Papst, küsst ihm den rechten Fuß, schwört feierlich, die Kirche zu beschützen, und wird zum Sohn der Kirche adoptiert. Gemeinsam schreiten sie zur Silbernen Pforte an der Basilika, knien nieder zum Gebet auf der Rota Porphyretica, einem kreisrunden, in den Boden eingelassenen Porphyrstein. Nach der Ablegung des Glaubensbekenntnisses wird der König in der Sakristei mit der Tunika, der Dalmatika und der Pluviale, liturgischen Gewändern, bekleidet, sowie mit der Mitra, der Bischofsmütze, und den goldenen Sandalen, worauf ihn der Bischof von Ostia am Altar des Heiligen Mauritius den rechten Arm und den Nacken salbt.
Der Gipfel allen menschlischen Ehrgeizes, die Kaiserkrone, liegt funkelnd vor seinem sehnsüchtigen Blick auf dem Altar des Apostelfürsten. Aber der Papst steckt erst den goldenen Ring an den Finger des Gesalbten, das Symbol des Glaubens, der Beständigkeit und der Kraft seines katholischen Regiments. Er umgürtet ihn mit dem Schwert und setzt ihm endlich die Krone aufs Haupt.
Das gewaltige Schiff der Kirche erschallt vom Gloria und den Laudes. Und von den endlosen Jubelrufen der wilen Krieger, die ihren König als Imperator Caesar Augustus in deutschen, slawischen und romanischen Zungen begrüßen. Der Kaiser assistiert nun als Ministrant dem Papst beider Messe, dann zieht ihm der Pfalzgraf die Sandalen aus und die roten Stiefel mit den Sporen des Mauritius an, worauf der ganze Zug mit dem Papst die Kirche verlässt und auf der alten Triumphstraße der Caesaren unter dem Geläut aller Glocken durch das bekränzte Rom zum Lateran, der Papstresidenz, sich bewegt."

Nach seiner Kaiserkrönung stärkt Heinrich III. seine Macht in Italien:

"Heinrich III. hatte den Bamberger zum Papst gemacht, weil er von ihm die Reformen erhoffte, die ihm am Herzen lagen. Doch das war nur die eine Seite der Medaille. Die andere war, den deutschen Einfluss zu stärken, Rom von Deutschland aus durch einen Statthalter zu beherrschen, so wie es die aus Deutschland stammenden Bischöfe in Italien seit jeher getan. Ein kluger Gedanke, der zeigt, dass der Kaiser bei aller Kirchentreue die Politik nicht vergaß.
Mit den von ihm ernannten Päpsten hatte er anfänglich wenig Glück. Clemens starb nach nur neuen Monaten Pontifikat und wurde nach Bamberg überführt, der einzige Papst, der sein Grab in Deutschland fand. Sein Nachfolger Damasus aus dem Südtiroler Städtchen Brixen siechte bereits nach drei Wochen dahin. In beiden Fällen raunte man von Mord durch Gift, doch das Gift, das die Päpste gemordet hatte, war ein Fieber-die Malaria, die aus den Sümpfen der Campagna aufstieg und immer neue Opfer forderte.
Ob nun Gift oder Sumpffieber, niemand unter den deutschen Bischöfen wollte eine Tiara tragen, die den Tod zu bringen schien, und so war man lange Zeit um einen Nachfolger verlegen, bis sich der Bischof von Toul, gewissermaßen auf kaiserlichen Befehl, als Leo IX. zur Verfügung stellte. Ein Elsässer aus bestem adligem Haus, noch dazu einer mit weißer Weste-hatte er doch als einer der ganz wenigen für seinen Bischofssitz keinen Pfennig gezahlt-versehen mit dem Vorsatz, der Kirche wieder zu ihrer alten Autorität zu verhelfen, ohne dem Kaiser zu nehmen, was des Kaisers war. Er erfüllte die Erwartungen, reiste ununterbrochen in Italien Frankreich und Deutschland umher und nahm den Kampf gegen die Hydra der Simonie und der Missachtung des Zölibats auf, wobei er bald feststellen musste, dass bei allzu strenger Handhabung der Verbote die Gotteshäuser verwaisen würden und die Klöster sich leeren.
Er musste überall Kompromisse schließen, mit halsstarrigen Bischöfen, hochmütigen Grafen, widerspenstigen Äbten, mit all jenen, die sich an Korruption und Schlendrian gewöhnt hatten, weil es so einträglich und bequem war. Die einfachen Menschen aber jubelten dem "fahrenden Papst" zu. Wann hatten sie schon Gelegenheit, einen Mann leibhaftig zu sehen, von dem man zwar wusste, dass es ihn gab, den aber noch niemand, ähnlich wie den lieben Gott, gesehen hatte.
Leo waren knapp sechs Jahre beschieden auf der cathedra Petri, und dass es nicht mehr wurden, lag an seinem kriegerischen Ehrgeiz, der ihn zu Unternehmungen verführte, die nicht Sache eines Papstes sein durften und denen er nicht gewachsen war. Er legte sich mit einem Volksstamm an, dem Kaiser Heinrich III. nicht ohne Grund mit klug berechneter Neutralität begegnet war: den Normanne.
Diese "letzten Germanen", einst als Wikinger die Schrecken der Meere, seit über einem Jahrhunder in Nordfrankreich sesshaft geworden und längst romanisiert, sollten das Schicksal des europäischen Südens in Zukunft entscheidend mitbestimmen. Wegen ihrer militärischen Tüchtigkeit waren sie als Söldner überall hochbegehrt. Im Auftrag unteritalienischer Fürsten hatten sie Byzanz das Fürchten gelehrt und die Griechen zu Paaren getrieben, anschließend aber die Hand gebissen, die sie ernährte, und eroberte Gebiete kurzerhand als die ihrigen zu betrachten. Als sie sich gegen den Einflussbereich des Kirchenstaates vergingen, beschloss Leo IX, diese wahre Landplage zu vernichten."

Doch Leo wartete keine Truppen des Kaisers ab, und so kam es, wie es kommen musste:

"Am Ende standen seine totale Niederlage, seine Gefangenschaft, sene Entlassung, seine Rückkehr nach Rom, das er, als gebrochener, todkranker Mann erreichte. Er ließ einen Sarg in die Peterskirche stellen und erwartete dort, in einem Lehnstuhl sitzend, den Tod, während der Pöbel bereits seine Gemächer im Lateran zu plündern begann."

So ging der zweite deutsche Papst zugrunde. Doch Heinrichs III. Macht schmälerte das nicht: Er setzte einfach einen neuen Wunschpapst ein.
Kaiser Heinrich III. war direkter Herrscher über das gesamte deutschsprachige Gebiet, über fast ganz Italien und über ganz Burgund sowie das ganze Gebiet der heutigen Staaten Belgien, Niederlande, Luxemburg, Schweiz und Tschechien und Oberherr über Ungarn, Polen Böhmen und die slawischen Stämme. Die Reichsfürsten gehorchten ihm, das Papsttum war sein willenloses Werkzeug-er war unbestreitbar der Herr des Abendlandes. Doch als Heinrich gerade an der Schwelle stand, seine Macht noch mehr zu vergrößern und sich zu einem wahrhaft großartigen Herrscher zu machen, schlug das Schicksal zu: Im Alter von 39 Jahren erkrankte er plötzlich an einem Lungenleiden und starb im Jahre 1056. An der Seite seines Vaters wurde er in der Gruft des Speyerer Domes beigesetzt. Der machtvollste Kaiser aller Zeiten war tot. Zwar wurde sein Sohn sofort als Heinrich IV. zum deutschen König gekrönt, doch der war erst ein sechsjähriges Kind und konnte nicht regieren...

Konrad II. und Heinrich III. sind recht knapp behandelt worden, doch heute nacht oder morgen beginnt mit Heinrich IV. und seinem Kampf mit dem Papst die große Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst, und so wird Heinrich IV. viel Raum gewidmet werden.
[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 02.07.2004 um 23:26 editiert]

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Post 02.07.2004 23:25 Post
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@Kaylee. "Mhmmm....*nick* einleuchtend! Der Beginn einer deutschen Arthustradition, die bis zu den langen Kerls reicht?!"
Hm, nein, das kann man nicht sagen. Diese ungeheure Machtfülle des Kaisers im Inneren und Äußeren bagann bald nach dem Tod Heinrichs III. zu bröckeln. Doch dazu, wenn wir mit seinem Sohn Heinrich IV. beginnen.
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Post 02.07.2004 23:57 Post
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So, und bevor ich heute nach oder morgen mit Heinrich IV. weitererzähle, hier jetzt einige Bilder, um einen Eindruck der salischen Zeit zu bekommen:

Hier die Burg Trifels im Pfälzer Wald, die zur Zeit der Salier erbaut wurde und ab 1126 Aufbewahrungsort der Reichsinsignien war(Allerdings ist das meiste, was man heute sieht, eine recht phantasievolle Rekonstruktion):


Die Kyffhäuser-Burg in Sachsen, die auch aus salischer Zeit stammt:


Hier eine Darstellung Clemens´II., des von Heinrich III. eingesetzten deutschen Papstes im Bamberger Dom:


Und hier die originalen Pontifikalstrümpfe Clemens´II.:


Ein typischer Fußsoldat der Zeit in einer mittelalterlichen Handschrift:


Während der salischen Zeit erlebten die rheinischen Städte Speyer, Worms und Mainu eine große Blüte-auch die jüdischen Gemeinden der Städte wuchsen. Hier das jüdische Ritualbad in Speyer, gebaut in salischer Zeit:


Und auch ganz interessant: Der Wald. Die mittelalterlichen Wälder in Deutschland waren dichter, düsterer, dichter bewachsen und von riesigen Ausmaßen. Einen Eindruck davon geben heute bspw. noch die Eichenwälder des Spessart oder die Auwälder, die es manchmal noch am Rhein gibt. Hier ein Bild eines rheinischen Auwaldes, das zeigt, wie durchschnittlicher mittelalterlicher Wald in Deutschland ausgesehen hat:


So, und bald geht´s weiter mit Heinrich IV.
[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 02.07.2004 um 23:57 editiert]

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Post 06.07.2004 23:15 Post
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[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 06.07.2004 um 23:15 editiert]

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