Morgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser


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Post 05.06.2004 02:55 PostMorgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser
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Hier wird nun in kürzeren oder längeren Abständen häppchenweise Siegfried Fischer-Fabians "Die deutschen Kaiser-Triumph und Tragödie der Herrscher des Mittelalters" komprimiert, zitiert und kommentiert.
Bevor ich beginne, ein paar Worte zur Ausgangssituation:
Bald nach dem Tod Karls des Großen wurde das Frankenreich 843 in drei Teile geteilt-das Westfrankenreich, aus dem Frankreich entstehen sollte, einem Mittelreich, das bald verschwand und nur noch als das kleine Königreich Burgund weiterexistierte, und das ostfränkische Reich, aus dem sich langsam Deutschland entwickeln sollte und dessen erster König Ludwig der Deutsche war. 919 gelangt König Heinrich I. als erster der Sachsenkönige auf den Thron. Es gelingt ihm, fast alle deutschsprachigen Gebiete unter seinem Zepter zu vereinen, und aus diesem Grund wird er oft als der erste deutsche König angesehen. Im Mittelpunkt des ersten Kapitels aber soll nicht Heinrich stehen, sondern sein Sohn Otto, dem man später das Prädikat "Der Große" zuerkennen wird. Beginnen wir mit dem Text.

"In diese Zeit der Gärung wurde 912 Otto hineingeboren. Seine Kinderstube lag in den Pfalzen, burgenähnlichen Wohnanlagen, in denen die Herrscher in bestimmten Zeitabständen residierten. Das Land ringsum bedeckten weite Flächen Heide und Moor und vor allem dichte Wälder, in die sich Feuer und Axt immer tiefer hineinfraßen. Die "große Rodung" zur Erlangung neuer Äcker und neuer Widen war in vollem Gange, eine Art innerer Kolonisation, von der noch heute Ortsnamen künden mit "rode", "roda", "brand", "loh". Die Bauern wohnten wie in der Germanenzeit in Haufendörfern und auf Einzelhöfen. Die meisten von ihnen waren einem Grundherren verpflichtet, ihm hörig, was heißt, dass sie ihm von ihren Erträgen abgaben, ihm Dienste leisteten und dafür seinen Schutz genossen. Die alten Städte der Römerzeit an Rhein, Main, Mosel und Donau waren nur noch in ihrem Kern bewohnt. Und überall ragten die Türme der Kirchen empor: Wie die Wachtürme der Burgen bestanden sie vornehmlich aus Holz."

Fischer-Fabian fährt fort mit einem Überblick über Ottos Jugend:

"Heinrich hatte seinen Sohn Otto gelehrt, dass die höchste Tugend des Mannes die Einfalt ist. Und Einfalt heißt in diesem Fall "einig mit sich selbst". Bildung dagegen verweichlichte, Gelehrsamkeit nährte den Zweifel des Einerseits und Andererseits, Bücherwissen zerfaserte die Entschlusskraft. Um die Einfalt zu erreichen, galt es, den Körper zu stählen, ihn widerstandsfähig zu machen gegen Strapazen und auch unempfindlich gegen den Schmerz.
So hatten sie ihm beigebracht, Auerochse, Bär und Eber mit dem Spieß zu jagen, beim Bogenschießen nicht das Ziel zu verfehlen, beim Wettlauf nie der zweite zu sein, den Gegner beim Ringkampf zu werfen, beim Fechten mit dem Schwert keinen Fußbreit zu weichen, beim Brettspiel zu gewinnen-und den den Frauen zu gefallen.
Otto war fünfzehn, als er die erste Affäre hatte: Er verliebte sich in eine Sklavin. Das klingt, als handele es sich bei ihm um den Sohn eines Kalifen und nicht um den eines deutschen Königs. Sklaverei aber war noch gang und gäbe im Europa des 10.Jahrhunderts. Die Deutschen bezogen ihren Bedarf aus den weiten Gebieten des Ostens, dort, wo die Slawen wohnten, Völker, deren Name nicht von ungefähr den gleichen Klang aufweist: denn das Wort Sklave leitet sich von dem Volksnamen Sklaven her, wie die Slawen ursprünglich hießen.
Über Ottos Gespielin wissen wir sonst nichts. Die Chronsiten betonen lediglich, gleichsam als Entschuldigung, dass die edelsten Geblüts gewesen sei, wohl die "Tochter eines heidnischen Häuptlings". Fest steht nur, dass sie aus der Kriegsbeute eines der Feldzüge stammte, die Sommer für Sommer in das Gebiet zwischen Elbe und Oder führten [Anmerkung: Irgendwie lustig, dass die Westdeutschen sich in der DDR ihre Sklaven raubten] und an denen auch der Jüngling teilnahm, um sich in den Waffen zu üben. Die Verbindung zwischen dem Prinzen und der schönen Wilden wurde geduldet, Aussicht auf Legalisierung hatte sie nicht. Sie blieb eine Mesalliance, denn eine Slawin auf deutschem Thron war so undenkbar wie der Teufel als Beichtvater. Sie blieb es auch dann noch, als ein Sohn aus ihr hervorging. Wilhelm, wie man ihn taufte, kam als Erbe nicht in Betracht. Man gab ihm trotzdem eine sorgfältige Erziehung, denn in seinen Adern floss königliches Blut. Wenn wir dem unehelichen Sohn, einem Bastard also, später als Erzbischof von Mainz wiederbegegnen, so zeugt das für die Toleranz eines Zeitalters, das wir das finstere zu nennen uns angewöhnt haben."

König Heinrich hatte drei Söhne: Otto, Heinrich und Thankmar. Dem König gelang es Otto, den Ältesten, noch zu seinen Lebzeiten zu seinem Thronerben zu bestimmen. Doch das sorgte für böses Blut bei dessen Bruder Heinrich, was später bis zum Bürgerkrieg führen sollte. Aber hören wir, was Heinrich einwandte:

"In meinen Adernfließt edleres Blut", hat der Jüngere gemurrt, als er von der Designation des Älteren hörte. Das war keine bloße Bemerkung des Neides, es war eine Äußerung, von dessen Wahrheit er durchdrungen war. Denn: der Bruder war gezeugt worden, als der Vater noch Herzog war, er, Heinrich, hingegen, als er bereits die Königswürde trug. Er war damit der Purpurgeborene, zur Welt gekommen im Königsbett, aus königlichen Lenden entsprungen und nicht bloß denen eines Herzogs.
Das klingt absurd, für das Mittelalter aber war der "Porphyrogennetos" eine Realität."

König Heinrich kümmerte das nicht sonderlich, er beharrte auf Otto als seinem Nachfolger. So, und nun mach ich auch Schluss, genug für heute.
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Post 05.06.2004 20:23 Post
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Und weiter geht es mit Otto.

Im Sommer 929 wurde handelte König Heinrich aus, dass sein Sohn Otto mit Editha, der Tochter des mit ihm verwandten englischen Königs Aethelstan verheiratet werden sollte. Interessant ist übrigens diese Anmerkung Fischer-Fabians:
"Editha zählte siebzehn Jahre, und das war ein Alter, in dem man als junges Mädchen längst unter der Haube hätte sein müssen. Zwischen zwölf und vierzehn lag das Heiratsalter."

Heute würde das als Pädophilie gelten . Bemerkenswert auch, was Editha als Hochzeitsgeschenk in die Ehe mit Otto einbrachte:

"Im Laderaum stapelten sich die Geschenke und das Heiratsgut der beiden Mädchen [Edithas Schwester wurde gleich mitgeschickt und mit dem Herzog von Burgund verheiratet]...Eine Krone aus feinstem rotem Golde, verarbeitetes Gold und Silber, leinene und seidene Gewänder, goldene Ringe und Münzen, Brust-und Stirnschmuck, Gold und Silber in Barren, edle Pferde, mit Perlen bestickte Festgewänder, das Brautbett mit bunten seidenen Decken, Kissen und Laken."

Otto revanchiert sich folgendermaßen:

"Die Morgengabe des Siebzehnjährigen an seine Siebzehnjährige bestand aus einer Stadt: Magdeburg. Wobei der Begriff "Stadt" übertrieben ist. Es handelte sich eher um eine palisadenumwehrte Siedlung, noch halb zerstört vom letzten Einfall der Wenden. Wegen ihrer günstigen Lage bildete sie die wichtigste Handelsstation mit dem Osten. Gehandelt wurden hauptsächlich Sklaven. Morgengabe bedeutete gleichzeitig Witwenversicherung, denn man dachte wie stets praktisch. Solange die Witwe noch keine war, stand dem Mann die Nutznießung seines Hochzeitsgeschenkes zu. Otto nützte die Chance, die ihm mit dieser etwas verwahrlosten Siedlung geboten wurde, und machte im Laufe seines Lebens daraus eine gewaltige Anlage: umgeben mit Mauern, Wällen und Gräben, behütet von einem einflussreichen Kloster, gekrönt von einem viertürmigen, hundert Meter langen und dreißig Meter breiten Dom. Kein zweites Rom, wie Otto es gern gehabt hätte, doch Sitz eines Erzbischofs, der in der Hierarchie rechts des Rheins an der Spitze stand, Ausgangspunkt für die Eroberung und Bekehrung des slawischen Ostens, Verteidigungsbastion bei feindlichen Einfällen, alles in allem eine Metropole von großer Strahlkraft."

Aber gehen wir weiter in der Geschichte, kommen wir zu Ottos Weg an die Macht:

"Anfang des Jahres 936 war es, als Otto von einem reitenden Boten nach Memleben gerufen wurde. In dem durch eine Pfalz und ein Kloster bedeutsamen Ort lag Heinrich, der Vater, an einem Schlaganfall danieder und verlangte nach seinen Söhnen. Sie hatten noch die Kraft, die Menschen des Mittelalters, den Tod gelassen zu erwarten, Abschied zu nehmen und sich bereit zu machen für die Reise in jenes andere Land, aus dem es keine Wiederkehr gibt...
Für Otto galt es, keine Zeit zu verlieren; er war zwar gekürt, aber noch nicht gekrönt, und ehe er die Krone nicht trug, eher konnte er nicht sicher sein. Der Sarg des Vaters war noch nicht in die Gruft gesunken, da waren die Königsboten bereits unterwegs zu den Stämmen der Schwaben, der Lothringer, der Franken, Bayern, in die Grenzmarken jenseits der Elbe und luden die Fürsten zum Wahltag nach Aachen ein. Die Stadt gehörte zu Lothringen, und es schien für einen Edlen aus dem Hause der Sachsen logischer, sich auf sächsischem Boden krönen zu lassen. Otto aber bewies mit der Wahl dieses Ortes, dass er sich von höheren Zielen leiten ließ. Er wählte Aachen, weil dort der Thron stand, von dem einst Karl das Abendland regiert hatte. In Aachen ragte das Münster in den Himmel, das er sich gebaut hatte, hier stand die Pfalz, in der er gelebt, hier begegnete man auf Schritt und Tritt dem Geist eines Mannes, dessen Spuren nicht in Äonen untergehen würden.Über hundert Jahre waren damals vergangen seit seinem Tod; seine Gestalt aber war so lebendig, als habe er die Welt gerade erst verlassen. Aachen war ein Programm. Otto hatte nicht nur den Mut, sich mit dem gewaltigen Schatten des Franken zu messen, er war so kühn, in seine Fußstapfen treten zu wollen. Aachen galt ihm als Symbol für seine ehrgeizigen Pläne, als Warnung an den in Frankreich regierenden Westfranken, seine Kreise nicht zu stören, als Demonstration, dass er, Otto, die Führung als König der Könige Europas beanspruchte. Und tief in seinem Innern schlummerte der Gedanke, bald den nächsten Schritt zu machen, dem zum Imperator Augustus, zum Kaiser eines erneuerten Römischen Reiches."

Im Vorfeld seiner Wahl zum König vergisst Otto nicht, an seine Brüder Heinrich und Thankmar zu denken, die ihm den Thron streitig machen könnten, und lädt sie bewusst nicht ein. Fischer-Fabian schreibt über die Krönung Ottos in Aachen:

"Was 936 in Aachen geschah, war ein Ereignis, das die Geschicke Europas für lange Zeit prägte. Mit einer Wirkung, die sonst nur große blutige Schlachten ausüben. Die Krönung eines Königs wurde zum Ereignis des Jahrhunderts, und wenn der Historiker Robert Holtzmann schreibt: "Wie die Deutschen ein Volk geworden sind, das ist der köstlichste und unvergänglichste Inhalt der Geschichte Ottos des Großen", so nahm diese Geschichte hier ihren Anfang."
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Post 05.06.2004 20:36 Post
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Hier übrigens der später von Otto erbaute Magdeburger Dom:



Und hier im Inneren des Domes eine zeitgenössische Darstellung Ottos und seiner Frau Editha:


Und hier Heinrich I. Ottos Vater:

[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 05.06.2004 um 20:36 editiert]

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Post 07.06.2004 14:49 Post
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Weiter geht es mit Otto:

"Otto war nun von den Fürsten gewählt, von den Geistlichen geweiht, vom Volk bestätigt, und doch fehlte noch etwas: das gemeinsame Mahl. ´Nachdem man Gott gepriesen, stie, stieg der König in die Pfalz hinab´, schreibt Widukind, ´trat sodann an einen marmornen Tisch und setzte sich mit den Bischöfen und allem Volke. Die Herzöge aber warteten auf: Der Lothringer Giselbert, in dessen Gebiet man sich befand, ordnete die ganze Feier, der Franke Eberhard sorgte für die Tafel, Hermann, der Schwabe, stand den Mundschenken vor und Arnulf von Bayern zeichnete für die Unterkunft verantwortlich´.

Ein solches Mahl war neu bei einer Krönung, die Tradition aber uralt: Sie reichte zurück in altgermanische Zeit, da der älteste Sohn die Erbschaft des verstorbenen Vaters erst antreten durfte, nachdem er in feierlicher Weise das Totenmahl mit dem Erbbier begangen hatte. Otto hatte die Tradition noch aus einem anderen Grund wiederbelebt: Er wollte den Herzögen demonstrieren, dass sie nicht nur die Ersten im Staat seien, sondern auch dessen erste Diener.
Eine vergebliche Demonstration, wie die Zukunft zeigen sollte: die Stammesführer, die ihrem Souverän das Brot reichten, das Fleisch vorschnitten, den Becher mit Wein füllten, sie werden ihn verraten haben, bevor der Hahn dreimal krähte. Dem "ersten glücklichen Tag in der deutschen Geschichte", wie der Historiker Percy Ernst Schramm das Krönungsfest zu Aachen genannt hat, folgen viele unglückliche Tage..."

Und hier ein Bild des Throns Karls des Großen im Aachener Dom, Krönungsort Ottos:


Doch nun, da Otto zum König gekrönt ist, wenden wir uns seinen Taten zu, die ihm schließlich den seltenen Beinamen "Der Große" einbrachten:

"Die Glocken begannen bald Sturm zu läuten über Deutschland. Da Herrschaft ausschließlich gegründet war auf die Persönlichkeit des Herrschenden, wurde jeder Thronwechsel zu einem Test. Getestet wurde, wie stark der "Neue" war und wie weit man bei ihm gehen konnte. Es hat zu allen Zeiten Parteien gegeben, deren Blütenträume unter dem alten Herrscher nicht gereift waren und die ihr Heil vom Nachfolger erhofften. So auch hier: Es kam zu Intrigen, zu Verschwörungen, zu Landfriedensbruch und zu Aufständen jenseits der Grenze. Als erste erhoben sich die Böhmen, denen Ottos Vater das Joch hoher Tribute auferlegt hatte. Jetzt schien ihnen die Zeit gekommen, diese Last abzuschütteln, und sie fanden in Boleslav einen Anführer, der dieser großen Aufgabe gewachsen schien. Er wurde mit dem ersten Heer fertig, das man gegen ihn entsandte, und auch mit dem zweiten, weitaus gefährlicheren, den sogenannten Merseburgern. Das waren Diebe, Räube, Wegelagerer, Totschläger und Mörder, für den Galgen bestimmt, doch vor dem Galgen gerettet um den Preis einer Frontbewährung. Bewährten sie sich, winkte ihnen die Freilassung.
Gleichzeitig mit den Böhmen erhoben sich die Elbslawen, der Dauerfeind im Osten. Hier griff Otto zum erstenmal selbst ein. Er setzte sich an die Spitze seiner Soldaten, war aber klug genug, sie nicht zu führen. Das überließ er erfahrenen Berufssoldaten, die im jahrzehntelangen Grenzkrieg ergraut waren, den Gegner und sein Land kannten. Die schwere Kunst, sich selbst zu bescheiden und Aufgaben an den besseren Mann zu delegieren; eine Kunst, die nicht allen, die sich "groß" nannten, geläufig war, zeigte Otto in Vollendung. Für den fähigen Mann hatte er einen untrüglichen Instinkt, und wenn er sich für ihn entschieden hatte, setzte er ihn durch, auch wenn die Entscheidung unpopulär war.
So unpopulär wie die Ernennung des Sachsen Hermann Billung zum Markgrafen für das Gebiet der Niederelbe und zum Führer des Vergeltungszuges. Die sächsischen Großen, die der Meinung waren, dass es ältere, verdienstvollere Anwärter gegeben hätte, reagierten beleidigt. Einer von ihnen verließ während des Feldzuges das Heer, ein andere versuchte durch eine spektakuläre Tat zu beweisen, dass er mutiger sei als der Heerführer: Mit einer Handvoll Freiwilliger, siebzehn an der Zahl, durchwatete er nachts ein Moor und griff im Morgengrauen die feindliche Festung an. Ein Unternehmen, von dem niemand zurückkehrte.
Hermann Billung strafte seine Neider Lügen, schlug die Wenden entscheidend und stellte den Status quo ante wieder her. Wenige Monate später drohte neue Gefahr: Die Ungarn wollten "Die Tapferkeit des neuen Königs erproben". Dieses verwegene Reitervolk galt als der Schrecken des christlichen Abendlandes. Und doch sollte es gerade dieses Volk sein, dem König Otto wenige Jahre später seine Rettung verdankte...
Die Wenden waren geschlagen, die Böhmen begnügten sich mit zähem Partisanenkrieg, die Magyaren kehrten nach erfolglosen Unternehmungen zurück in die Steppe, da brachen die Unruhen im Inneren aus. Sächsische Grafen, die dem fränkischen Herzog Eberhard dienstpflichtig waren, verweigerten diesen Dienst. Als Angehörige eines Stammes, der den König stellte, so argumentierten sie, sähen sie sich dazu nicht mehr imstande. Eberhard berannte daraufhin die Burg eines der Ihren, steckte sie in Brand und ließ die Besatzung töten.
Damit war der Tatbestand des Landfriedensbruchs gegeben. Zwar war Eberhard im Recht, doch hätte er, um es zu bekommen, vor Gericht gehen müssen, vor das Gericht des Königs. Eberhard wurde zu einer Buße von 100 Pfund Silber verurteilt, zahlbar in bar oder in Pferden der besten Rasse. Seine Unterführer mussten von einem bestimmten Platz in Magdeburg aus Hunde zur königlichen Pfalz tragen, eine Tätigkeit, die nach altem Volksbrauch als eine Schande galt, denn man war damit buchstäblich "auf den Hund gekommen".
Die Strafen verfehlten ihre Wirkung, ja, sie erzeugten das Gegenteil: neue Empörung, die zum Kleinkrieg zwischen den Franken und Sachsen ausuferte. Nach dem Motto "Brennst du meinen Bauern, würge ich deinen Bauern" verwüstetem sie gegenseitig ihre Dörfer. So waren es, wie so oft, die kleinen Leute, die mit ihrem Gut und Blut für etwas bezahlen mussten, was sie im Grunde wenig anging.
Bald schon griffen die Flammen des Aufruhrs auf das Herzogtum Bayern über. Die Bayern hatten schon in Aachen nur zähneknirschend der Krönung beigewohnt. Sie wollten keinen König, es sei denn einen eigenen, und kein Reich, außer ihrem eigenen, und begründeten so eine Tradition, die sich bis in die heutige Zeit hinüberrettete.
Und ein weiterer Gegner erschien auf dem Plan, einer, mit dem Otto nicht gerechnet hatte, und der doch der gefährlichste war: Thankmar, sein Stiefbruder."

Hier ein Bild einer Rekonstruktion, wie man sich einen durchschnittlichen Bauernhof im zehnten Jahrhunder vorzustellen hat, praktisch unverändert seit den Germanen:
http://www.architekturphoto.de/HTML/deutsch/fotografen/albert/previews/AN5-4_prev.htm
[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 07.06.2004 um 14:48 editiert]

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Post 07.06.2004 14:44 Post
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Die Bilder gehen irgendwie nicht, also nochmal:
Hier der Thron im Aachener Dom:


Und die Innenansicht des Domes:



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Post 07.06.2004 14:54 Post
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Zitat:
Bald schon griffen die Flammen des Aufruhrs auf das Herzogtum Bayern über. Die Bayern hatten schon in Aachen nur zähneknirschend der Krönung beigewohnt. Sie wollten keinen König, es sei denn einen eigenen, und kein Reich, außer ihrem eigenen, und begründeten so eine Tradition, die sich bis in die heutige Zeit hinüberrettete.
Ach wie knuddelig! Die Bayern waren schon damals solche schlimmen Eigenbrötler!

@ Morgi: Lies ruhig weiter, ist interessant. Gibt nichts besseres, um seine Geschichtskenntnisse aufzufrischen, als dir zuzuhören.

MfGimli

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Post 07.06.2004 16:07 Post
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So, weiter geht es mit dem buchstäblichen Bruderkrieg, und sehen wir, welch unrühmliches Ende er nimmt:

"Thankmar [Ottos Stiefbruder] fühlte sich um die Krone betrogen, denn er war der älteste der drei Brüder und doch nicht ebenbürtig, weil er nur Stiefbruder war, Spross aus der ersten Ehe des Vaters, die für nichtig erklärt worden war. Thankmars erste Tat, mit der er sich das holen wollte, was er für sein Recht hielt, war eine Geiselnahme. In einer mondlosen Nacht überfiel er den befestigen Ort Belecke in Westfalen und nahm Heinrich, den jüngsten Bruder, als Geisel. Er ließ ihn auf ein Pferd binden und schickte ihn nach Franken, zu seinem Mitverschwörer, dem Herzog Eberhard von Franken. Sein Hauptquartier nahm er auf der Eresburg (die an der Stelle der heutigen Stadt Obermarsberg in Nordrhein-Westfalen lag) und verheerte von dort aus das Land.
Otto hatte sich nur schwer entschließen können, ernergisch einzugreifen, denn seinem Stiefbruder gegenüber hatte er ein schlechtes Gewissen. Aber Milde wäre hier mit Schwäche verwechselt worden, und zu demonstrieren war, dass die eigene Verwandtschaft so wenig Gnade erwarten durfte wie jeder andere, der sich gegen den rechtmäßigen Herrscher erhob. Er zog mit einem Reiterheer gegen die Eresburg und nahm sie ohne Schwertstreich, denn die Besatzung öffnete ihm freiwillig die Tore.
Thankmar, von allen verlassen, schlägt sich mit dem Schwert durch in die Kirche, wo er seine Waffen und seine goldene Halskette auf dem Altar ablegt, die Zeichen des Kriegers und des Thronfolgers. Eine symbolische Handlung, mit der er seine Kapitulation erklärt. Das Allerheiligste gilt von alters her als Freistatt, als Asyl, das dem bedrohten Menschen den Frieden Gottes gewährt. Die Verfolger brechen den Frieden, dringen auf den Wehrlosen ein, verwunden ihn, Thankmar reißt das Schwert vom Altar und tötet einen von ihnen, auf den Stufen kämpft er, aus vielen Wunden blutend, weiter, da trifft ihn eine durch ein Fenster geschleuderte Lanze in den Rücken, er sinkt zu Boden. Ein Krieger, der sich Maicia nennt, gibt ihm den Fangstoß und plündert den Toten aus.
Als man Otto das gewaltsame Ende Thankmars meldet, würgt es ihn vor Ekel und Scham: Das, was da geschehen ist, hat er weder befohlen noch gewollt. Es ist das alte Lied vom Verrat, der gefällt, und vom Verräter, der nicht gefällt."

Thankmar ist zwar tot, doch Ottos Widersacher sind noch nicht geschlagen:

"Vier der vornehmsten Anhänger Thankmars übergibt Otto am selben Abend dem Henker, der sie, nachdem sie ihr letztes Gebet gesprochen, an den Galgen hängt.
Dasselbe Schicksal drohte jetzt Herzog Eberhard von Franken, der sich nach dem Tod des mächtigen Komplizen allein gelassen fühlte. Er wollte Frieden mit dem König, aber das "Pfand", das ihm Thankmar als Beweise der Komplizenschaft geschickt hatte und das er noch in den Händen hielt, brannte jetzt wie Feuer: Heinrich, der Jüngste aus dem Hause der Ottonen, lag in Ketten im Turmverlies. Der Plan, den der Franke nun ausheckte, schien aberwitzig, aber er hatte Methode. Er warf sich dem Prinzen zu Füßen, erflehte seine Verzeihung und bat ihn, sich bei seinem großen Bruder Otto für ihn zu verwenden. Wenn er Vergebung erlangt habe, würde er später dafür sorgen, dass Heinrich auf den Thron käme. Denn er wusste sehr gut, dass der "Purpurgeborene" sich nach wie vor für den rechtmäßigen Thronfolger hielt.
Heinrich, damals 17 oder 18 Jahre alt, ein Jüngling noch, ging auf den Teufelspakt ein. Er kehrte nach Quedlinburg zurück, wo ihn Otto empfing wie einen verlorenen Sohn, "Und ward von diesem mit mehr aufrichtiger Liebe und Treue aufgenommen, als er selbst mitbrachte". Durch seine Fürsprache durfte Eberhard vor dem König erscheinen, wurde aus Gründen der Staatsraison für ein paar Monate ins Exil geschickt und anschließend wieder, nachdem er erneut Treue geschworen hatte, in seinen alten Ämtern und Ehren bestätigt.
Ein Unruheherd war beseitigt, den zweiten, immer noch schwärenden in Bayern erstickte Otto durch einen kurzen Feldzug, und auch die wieder in Sachsen eingedrungenen Ungarn konnten mit blutigen Köpfen zurückgeschickt werden. Ruhe schien eingekehrt zu sein-es war die Ruhe vor dem Sturm..."

Ein Wort noch zu den Sachsen: Es handelt sich dabei nicht um die heutigen Ossi-Sachsen, sondern vielmehr um die Vorgänger der heutigen Niedersachsen. Nachdem die Sachsen von Karl dem Großen in unglaublich blutigen und langwierigen Kriegen unterworfen worden waren, wurde Sachsen Teil dea Fränkischen Reiches und fiel 843 an das ostfränkische Reich. In dieser Zeit einte Herzog Liudolf die drei Sachsenstämme der Westfalen, Ostfalen und Engern. Liudolfs Enkel war Herzog Heinrich der Vogler, der 919 zum König des ostfränkischen Reiches gewählt wurde, das man zu diesem Zeitpunkt bereits als das deutsche Königreich zu bezeichnen pflegte. Heinrich I. nun war, wie bereits erwähnt, Ottos Vater. Dadurch, dass sie mit etwa 2 Millionen Stammesmitgliedern der größte der deutschen Stämme waren, genoss Sachsen im Reich eine privilegierte Sonderstellung, besonders natürlich unter den sächsischstämmigen Königen.

Hier ein Bild der etwa 60 Jahre später, um das Jahr 1000 erbauten Kaiserpfalz in Goslar, um sich einmal ein Bild von diesen Wohnanlagen der umherziehenden Kaiser (bzw. zum jetzigen Zeitpunkt der Geschichte erst Könige) zu machen:



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Post 07.06.2004 18:09 PostRe: Morgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser
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Hübsche Pfalz. Damals gabs aber noch kein durchsichtiges Glas, die Fenster oben muss man sich also wegdenken.

Zitat:
MorgothderGrosse schrieb:
Das klingt absurd, für das Mittelalter aber war der "Porphyrogennetos" eine Realität."

Das ist ein lustiges Wort. Ich habs mal nachgeschlagen und "porphyrogen" ist einfach nur das griechische Wort für "purpurnen, purpurfarben".

Zitat:
"Heinrich hatte seinen Sohn Otto gelehrt, dass die höchste Tugend des Mannes die Einfalt ist. Und Einfalt heißt in diesem Fall "einig mit sich selbst". Bildung dagegen verweichlichte, Gelehrsamkeit nährte den Zweifel des Einerseits und Andererseits, Bücherwissen zerfaserte die Entschlusskraft.

Na, das ist ja mal ein ausgefallenes Ideal!

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Post 07.06.2004 20:56 Post
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@Tyler. Dieses Ideal ist unter Fürsten auch heute noch nicht aus der Mode gekommen:

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Post 08.06.2004 17:52 Post
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Nachdem Otto seinen Stiefbruder Tankmar und den aufständischen Herzog Eberhard von Franken besiegt hat, hört der Verrat nicht auf. Ausgerechnet von seinem jüngsten Bruder Heinrich droht neue Gefahr:

"Heinrich war es, der den Sturm entfachte und damit den auf schwankendem Grund errichteten Bau des Reiches gefährlich bedrohte. Der junge Mann hatte nichts von der altfränkischen oder besser altsächsischen Biederkeit seines älteren Bruders: Er war listig, verschlagen, heimtückisch, arbeitete mit Bestechungsgeldern, ließ dem König einmal durch einen Boten "eine lange und gesegnete Regierungszeit" wünschen, während dem Boten Truppen folgten, die diese Zeit beenden sollten; er bewog den Herzog von Lothringen zum Abfall, drängte den noch zögernden Eberhard von Franken, endlich seinen Pakt zu erfüllen, scheute sich auch nicht, mit den bewährten Intimfeinden von der anderen Seite des Rheins, den Franzosen, gemeinsame Sache zu machen. Heinrich, so raunte man sich im Volke zu, sei in der Nacht zum Karfreitag wider das göttliche Gebot von seinem Vater gezeugt worden und deshalb vom Teufel verflucht, stets Zwietracht zu säen.
Gehetzt von den eigenen Landsleuten, bedroht vom Landesfeind, verlassen von den Männern, die er für seine Freunde gehalten hatte, sah sich König Otto bald in verzweifelter Lage. Seine Berater legten ihm nahe, abzudanken, das Feld zu räumen, denn was sollte ein König, der nur Unglück hatte. Und Unglück war für die damalige Zeit dasselbe wie Schuld."

Fassen wir Ottos Lage nochmal zusammen: Kaum hat er seinen Bruder Thankmar und Herzog Eberhard von Franken besiegt, revoltiert sein zweiter Bruder Heinrich gegen ihn, unterstützt wieder von Herzog Eberhard von Bayern und zusätzlich von Herzog Giselbert von Lothringen. Düstere Aussichten, aber Otto dachte nicht an die Abdankung. Sehen wir, was geschieht:

"Die tiefe Religiosität dieses Kaisers hat etwas Kindliches und Erschütterndes zugleich. Die himmlischen Heerscharen, die schutzgewährenden Heiligen waren für ihn Mächte, die wirklich existierten, die geradezu verpflichtet waren, ihm zu helfen. In der Nähe von Xanten wurden seine Truppen während des Übergangs über den reißenden Rhein von überlegenen feindlichen Kräften angegriffen. Der Brückenkopf auf dem linken Ufer konnte mangels einer geeigneten Transportflotte nicht nicht verstärkt werden. Eine Katastrophe drohte. Da stieg Otto vom Pferd und ließ sich die Heilige Lanze reichen.
Diese Lanze war ein Zeichen der Herrschaft und gehörte zu den Reichskleinodien. Was ihr jedoch eine Ausnahmestellung sicherte, war ein goldverzierter Nagel, den sie in einer Aussparung in der Mitte des Lanzenblattes trug. Es war einer der Nägel, mit denen man Jesus Christus ans Kreuz geschlagen hatte. Jedenfalls glaubte man das.
König Otto stieß also die Heilige Lanze in die Erde, riss sich den Helm vom Kopf und reckte die Arme zum Himmel. Er betete. Er faltete dabei nicht seine Hände, denn er fühlte sich nicht als Gefesselter des Herrn (was die gefalteten Hände ursprünglich bedeuteten), er fiel auch nicht auf die Knie, sein Gebet war keine Bitte, sondern eine Forderung: Er forderte seinen Gott in die Schranken. Die Worte, die uns überliefert sind, haben etwas vom heidnisch-germanischen Zorn auf die Überirdischen, die einen in eine solche Situation gebracht haben:
"Herr, der Du alles geschaffen hast und alles lenkst", schrie er, "siehe herab auf dieses Volk, an dessen Spitze dein Wille mich gestellt. Rette es jetzt vor seinen Feinden, damit alle Welt erfahre, dass es eitel ist, sich gegen das aufzulehnen, was Du gewollt!"
Und ihm wurde geholfen! Dem kleinen Haufen Gewappneter auf dem linken Ufer (man spricht von kaum hundert an der Zahl) gelang es durch Kriegslist, die Übermacht zu zersprengen, wobei Bruder Heinrich einen Hieb kassierte, an dessen Folgen er sein ganzes Leben lang zu leiden hatte.
Noch einmal ereignete sich am Rhein, diesmal gegenüber von Andernach, etwas, was das Volk als eine Fügung Gottes ansah, der wieder nicht dem stärkeren Bataillon half, sondern der gerechten Sache. Der Held dieses Treffens war ein Mann mit dem Namen Konrad Kurzbold, der noch Jahrhunderte später in der Sage weiterlebte. Von zwergenhaftem Wuchs, aber ungeheurer Kraft, fürchtete er niemanden-nur vor Frauen ergriff er die Flucht-und ließ sich für seinen König zerreißen. Kurzbold erwischte die beiden feindlichen Herzöge beim Brettspiel am Rhein, während ihre Truppen dabei waren, soeben gemachte Beute über den Fluss zu schaffen. In dem erbitterten Handgemenge wurde Eberhard mit seinen Leuten niedergehauen. Giselbert sprang flüchtend mit seinem Pferd in den Strom, wurde abgetrieben und von seinem schweren Panzerhemd in die Tiefe gezogen."

Nun, da Heinrichs Bundesgenossen tot und besiegt waren, zeigte Otto sich seinem Bruder gegenüber milde, ja geradezu gönnerhaft:
"Heinrich streckte nun die Waffen, unterwarf sich dem Bruder und wurde nicht nur in Gnaden aufgenommen, sondern erhielt sogar das durch Giselberts Tod verwaiste Herzogtum Lothringen."

Doch Heinrich scheint ein äußerst übler Charakter gewesen zu sein:

"Der "Dank" für die Gnade ließ nicht lange auf sich warten: Er empörte sich aufs neue. Diesmal setzte er sich an die Spitze einer Gruppe sächsischer Stammesbrüder, die den bitterharten Dienst in den trostlosen Sumpfgebieten jenseits der Elbe versahen und den Lohn dafür vermissten. König Otto war, so befremdlich es klingt, nicht bestechlich genug, und das sollte ihn beinahe das Leben kosten. Heinrich, der ihn in offener Feldschlacht nicht hatte besiegen können, bereitete den perfekten Königsmord vor.
Der König pflegte die großen kirchlischen Feste in einer seiner Lieblingsresidenzen zu verbringen. Ostern 941 war Quedlinburg an der Reihe. Die Verschwörer durften damit rechnen, dass Otto in der Osterwoche die gewohnte Wachsamkeit außer acht lassen würde, und so verabredeten sie, dass einer von ihnen auf dem Weg zur Kirche mit einem Gruß auf ihn zutreten solle, um ihn dann mit dem Schwert zu durchbohren. Anschließend würden sie Heinrich unverzüglich auf den Thron erheben. Doch nichts ist so fein gesponnen..., jemand aus dem Kreis der Verschwörer fiel im letzten Moment um und verriet das Komplott.
Otto wurde jetzt gedrängt, die Feierlichkeiten abzusagen. Das aber hätte er als Kapitulation angesehen, als Eingeständnis der Furcht, und Feigheit schien ihm unvereinbar mit Würde. Er beharrte starr auf Einhaltung von Protokoll und Programm, ließ lediglich die Zahl seiner Leibwächter verdoppeln. Es genügte, um die Täter zu warnen: Der Mord fand nicht statt, dafür ein blutiges Strafgericht, das in Magdeburg zum öffentlichen Schauspiel wurde.
Der Bruder, der den Bruder töten wollte, kam in Untersuchungshaft nach Ingelheim, bis ein Ehrengericht der Herzöge über ihn zu Gericht saß.
Bevor es dazu kam, gelang Heinrich mit Hilfe eines bestechlichen Priesters die Flucht. Heinrich flüchtete nicht, um sich dem Gericht zu entziehen, sondern um Gnade zu erlangen. Ganz im Stil der Zeit, die den "Bösen" genauso bewunderte wie den "Guten", wenn er nur das nötige Format besaß und sich dramatisch zu präsentieren wusste, ritt er Weihnachten 941 nach Frankfurt, wo er vor der Bartholomäuskirche auf den königlichen Bruder wartete."

Er unterwarf sich Otto, und tatsächlich wurde ihm verziehen. Heinrich wurde zum Herzog von Bayern gemacht, doch wie wir sehen werden, wird das Unheil, das er stiftete, damit noch nicht endgültig zu Ende sein.

Und hier ein Bild von der Heiligen Lanze, die Otto so verehrte:

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