19.06.2004 22:01
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
Berengar hatte sich ziemlich schamlos an päpstlichem Gebiet bedient, und da der Papst selbst nur ein paar Volksmilizen aufstellen konnte, brauchte er eben jemanden, der die Sache für ihn regelt-deswegen das Angebot an Otto.
Die Effektivität der Italienzüge war immer eine schwierige Sache. Formell war Nord-und Mittelitalien dem deutschen Kaiser unterstellt, doch i.d.R. brach das sofort zusammen, sobald der Kaiser wieder nach Deutschland zog. Noch 250 Jahre später mussten sich die deutschen Kaiser übel mit dem Italienproblem herumplagen und immer neue Feldzüge führen.
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
19.06.2004 22:12
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
Zitat: MorgothderGrosse schrieb:
... brauchte er eben jemanden, der die Sache für ihn regelt-deswegen das Angebot an Otto.
Ja, das wir mir aus deinem Beitrag natürlich klar geworden, aber mir fiel nur der sehr weitgefasste Begriff der 'Eile' auf, mit der die Boten im Winter über den Brenner mussten....
IP: Logged
|
|
19.06.2004 22:50
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
Weiter mit Otto und seinen italienischen Problemen:
"Von diesem Vertrag (In dem Otto dem Papst das Patrimonium Petri sicherte) wurde ein mit Purpurtinte geschriebenes Exemplar angefertigt, das heute zum Wertvollsten gehört, das die Vatikanischen Museen in Rom besitzen. Der Vertrag selbst erwies sich als weniger wertvoll. Schon bald kam es zu den ersten Vertößen gegen ihn. Doch nicht durch Otto. Der nämlich gedachte, seinen Teil gründlich zu erfüllen. Er machte sich daran, Berengars und seines ganzen Familienclans Schlupfwinkel auszuheben. Wie überhaupt alles darauf hindeutete, dass er nicht, wie erhofft, unter Hinterlassung eines Statthalters zurück in seine Heimat gehen würde, sondern in Italien und im Kirchenstaat die Dinge nach seinem Sinn ordnen wollte.
So aber hatte der Papst nicht gerechnet: den Beelzebub mit dem Teufel zu vertreiben, um dann den Teufel für immer im eigenen Haus zu haben.
Otto, der von den Bürgerkriegen daheim nicht verwöhnt war, was Ritterlichkeit, Treuepflicht und Humanität betraf, der im Umgang mit der Macht selbst wenig Skrupel kannte, musste feststellen, dass Italien alles übertraf, was er bisher erlebt hatte. Er sah sich einem Abgrund menschlischer Verworfenheit gegenüber, der ihn bisweilen zu verschlingen drohte. Der Papst handelte nach dem Motto, dess es den Eid gar nicht gäbe, den er nicht zu brechen imstande wäre. Er intrigierte, log, trog, täuschte, säte Hass, zettelte Verschwörungen an. Den gerade erst geschlossenen Vertrag wischte er vom Tisch und setzte sich mit denen wieder in Verbindung, gegen die er Otto gerufen hatte-mit Berengar und seinem Anhang. Er versuchte, eine zweite Front in Ungarn aufzurichten, indem er die Ungarn zu einem neuen Einfall ermunterte, wand sich sogar an Byzanz um Hilfe gegen den "teutonischen Barbaren".
Nachdem der Papst auch noch kaiserliche Gesandte verstümmelt hatte, musste Otto handeln:
"Otto sah sich bald gezwungen, nach Rom zurückzukehren, den Papst Johannes, der eilends das Weite gesucht hatte, abzusetzen und, in Ermangelung eines geeigneten Kandidaten, dessen Sekretär auf den Stuhl Petri zu erheben. Wobei er sich nicht scheute, ihm sämtliche Weihen in einem Blitzverfahren innerhalb eines Tages zu verabfolgen. Denn Leo, wie der Neue hieß, war Laie und musste erst zum Priester gemacht werden.
Als Otto, noch in Rom weilend, erfuhr, dass Berengar nach langer Belagerung endlich gefangen war, entließ er den größten Teil seiner kriesgmüden Soldaten in die Heimat. Zu früh, wie sich herausstellte. Der Aufstand, der daraufhin aufflammte und von Expapst Johannes mit dem Gold des Kirchenschatzes geschürt wurde, kostete den Kaiser um ein Haar das Leben.
Und wieder dreht sich das schaurige Karussell: Niederschlagung des Aufstandes, erneutes Treuegelöbnis, Abzug aus der Stadt, erneuter Abfall und Vertreibung Leos, erneuter Einmarsch der Kaiserlichen nach einer Belagerung, die eine Hungersnot zur Folge hatte, erneuter Schwur der Römer, endlich Rückkehr nach Deutschland."
Doch die neuen Treueschwüre nutzten wenig:
"Nach kaum zwei Jahren drangen beunruhigende Nachrichten aus Italien. Die Römer hatten wieder einen Papst von Ottos Gnaden, Johannes XIII., ergriffen, geprügelt und eingesperrt. Johannes XII. (Der von Otto abgesetzte Expapst) war stilgemäß und irgendwie konsequent vom Schlag getroffen worden, als er ein junges Mädchen verführen wollte.
Zum drittenmal zogen die Deutschen in Richtung Rom, und keiner der gepanzerten Reiter, die sich mit ihren schweren Pferden über die Bündner Pässe quälten, konnte ahnen, wie lange sie diesmal in der Fremde würden bleiben müssen. Der Klang der Hufe der sich nähernden Reiter genügte, die Kerkertüren des Papstes zu sürengen und die Römer zu tiefem Kniefall vor dem Mann zu veranlassen, den sie gerade misshandelt hatten. In der Hoffnung, damit auch den Deutschen milde zu stimmen, der mit solch sturer Beharrlichkeit seinen Willen stets aufs neue durchsetzen wollte.
Diesmal jedoch appellierten die Römer vergeblich an die oft bewiesene Clementia des Deutschen. Er hielt das Maß für voll und wollte ein Exempel statuieren. Die Führer der römischen Militärregionen, zwölf an der Zahl, wurden öffentlich gehenkt. Die Chefs der einflussreichsten Adelsfamilien wanderten über die Alpen "ins Elend", wie das Exil hieß. Den Stadtpräfekten bat sich der wiedereingesetzte Papst Johannes XIII. aus, weil er der Meinung war, dass nur ein Römer die Römer abschrecken könne. Der Präfekt wurde mit den Haaren an der Reiterstatue des Mark Aurel aufgehängt, nach einigen Stunden abgenommen, mit dem Kopf nach hinten auf einen Esel gebunden, durch die Straßen geführt und dem Pöbel preisgegeben. Da er anschließend immer noch lebte, warf man ihn in die Verliese des Lateran. Selbst die Toten waren ihnen nicht heilig: Die Gräber zweier bereits verstorbener Rädelsführer wurden aufgerissen und ihre Gebeine in alle Winde verstreut.
Die kaiserliche Autorität schien, zumindest auf absehbare Zeit, wiederhergestellt. Um der Autorität Dauer zu verleihen, setzte Otto die sogenannten Königsboten, Missi, die in seinem Namen Recht zu sprechen und seinem Willen Geltung zu verschaffen hatten. Das eigentlich Ziel des dritten Italienzuges wäre damit erreicht gewesen, und Otto hätte nach der Regelung einiger anderer Fragen heimkehren können. Vielleicht nach einem Jahr, vielleicht nach anderhalb Jahren-aber er blieb volle sechs Jahre! Und das lässt sich nicht allein damit erklären, dass ihn neue Querelen banden oder er, wie alle Eroberer, in den Teufelskreis immer neuer Eroberungen gezwungen wurde."
Otto bemühte sich hauptsächlich darum, vom byzantinischen Kaiser, dem einzig rechtmäßig legitimen Kaiser, in seiner Kaiserwürde anerkannt zu werden. In Süditalien kam es zu blutigen Gefechten zwischen Ottos Truppen und den Byzantinern, aber eine Entscheidung gab es nicht. Im Frühsommer 972 kehrt Otto endlich nach Deutschland zurück. Kommen wir zu Ottos Ende:
"Anfang Mai 973 zieht der Kaiser, der ewig Unbehauste, von Quedlinburg nach Merseburg, in die Stadt, die er kraft seines Gelübdes vor der Schlacht auf dem Lechfeld zur Bischofsstadt gemacht hatte, geweiht dem heiligen Laurentius. Von Merseburg geht es nach Memleben, damals Sitz einer Königspfalz, wo sein Vater, Heinrich I., gestorben war, und es ist, als ziehe es ihn mit Gewalt dorthin.
In der Dämmerung des folgenden Morgens hört er nach seiner Gewohnheit die Frühmette und verteilt Almosen an die Armen. Als die Vesperglocke läutet, ist er wieder in der Kapelle, er betet und sinkt während des Gebetes lautlos um. Der Arzt hält ihn für tot, da aber schlägt er die Augen auf und verlangt das Abendmahl, die heilige Wegzehrung."
Noch am selben Tag stirbt Otto der Große, der erste deutsche Kaiser.
Und bevor es morgen weitergeht mit seinem Sohn, Otto II., hier ein Bild des Grabes Ottos I. im Magdeburger Dom:

Und hier eine Karte mit der Ausdehnung des deutschen Reiches bei Ottos Tod:

[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 19.06.2004 um 22:50 editiert]
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
20.06.2004 13:51
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
|
Mann, mann, mann, italienische Verhältnisse gabs also schon damals. Ich hätte ja den Vatikan-staat abgeschafft und einen eigenständigen starken italienischen König eingesetzt.
IP: Logged
|
|
20.06.2004 17:34
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
So, und weiter geht´s. Bevor wir zu den Taten des neuen Königs Otto II. kommen, beginnen wir mit einem Überblick über seine Kindheit, Jugend und Erziehung. Man beachte dabei den Gegensatz zur Erziehung seines Vaters Otto I., der bis zum 38.Lebensjahr nicht lesen und schreiben konnte und seine Jugend hauptsächlich mit Ringkämpfen und Auerochsenjagd verbrachte:
"Otto, wie er nach seinem Vater genannt worden war, erging es wie allen Söhnen großer Väter, die es leichter und schwerer haben zugleich. Leichter, weil man ihnen aufgrund ihres Herkommens alle Wege ebnet; schwerer, weil sie im Schatten des Giganten stehen und nach dessen Maß gemessen werden. Die Diskrepanz zwischen dem, was sie nicht sind, aber sein sollen, hat manche Tragödie heraufbeschworen, und auch bei Otto II. hat diese Gefahr ständig bestanden.
Wenn er sich ständig gegen die Älteren auflehnte, ihre Ratschläge verachtete, jedem grauen Bart misstraute, nur mit jungen Menschen verkehrte, ist das nichts anderes als die Kompensation in der Jugend erlebter Minderwertigkeit.
Bezeichnend ist, was der Mönch Ekkehard aus St.Gallen von einem Besuch beider Majestäten im Kloster berichtet. Als Vater Otto lärmend seinen Stab fallen ließ, um die Andacht der im Gebet versunkenen Mönche zu prüfen, meinte Otto Sohn sarkastisch: "Dass ihm etwas aus den Händen gleitet, passt nicht zu ihm. Hält er doch sonst alles, was er eroberte, mit der Pranke des Löwen zusammen und hat selbst mir nicht ein Teilchen davon gegönnt."
In St.Gallen, dem berühmten Kulturzentrum der Zeit, war es auch, wo der Siebzehnjährige sich die Bibliothek aufschließen ließ, stundenlang in den ledergebundenen Pergamenthandschriften schmökerte und schließlich um die Erlaubnis bat, einige Bücher zu vorübergehendem häuslichem Studium mitnehmen zu dürfen.
Der Abt gab seufzend seine Einwilligung-was wäre ihm auch anderes übriggeblieben-, denn er wusste, was es hieß, wenn die Herren sich etwas ausliehen: Sie vergaßen nicht nur die Leihgebühr, sondern auch die Rückgabe. Ein Grund, weshalb die Klöster so hohen Besuch fürchteten. Er bedeutete zwar eine Ehre, aber auch eine Heimsuchung. Denn nicht nur die Bibliothek wies anschließend Lücken auf...
Noch etwas zeigt die kleine, übrigens wohlverbürgte Geschichte: den Wandel in der Erziehung der Prinzen. Während der erste Otto noch nicht einmal lesen und schreiben lernen durfte, denn solche Künste waren suspekt, wurde der zweite so erzogen, als solle er einmal kein Herrscher, sondern ein Wissenschaftler werden. Das, was man ihn lehrte-immer zusammen mit Schülern einfacher Herkunft, um keinen Hochmut bei ihm aufkommen zu lassen-, fiel auf fruchtbaren Boden. Er wurde später zum Mäzen, der sich mit Gelehrten und Künstlern umgab, und damit zum Förderer der sogenannten Ottonischen Renaissance.
Wenn er, wie es so schön heißt, in die Geschichte einging, so war es weniger wegen seiner politisch-militärischen Taten als seiner kulturellen Verdienste."
Unter Otto II. begann ein Wiedererwachen von Kunst, Literatur und Architektur in Deutschland. Hervorragende Buchmalereien, große Steinkirchen und bedeutsame literarische Werke entstanden in großer Zahl unter seiner Regentschaft. So entstand beispielsweise in seiner Zeit die Kirche St.Georg auf der Insel Reichenau im Bodensee. Hier ein Bild

Und hier eine der originalen Wandmalereien der Kirche aus Ottos II. Zeit:

Die Reichenau mit ihrem großen Kloster war damals Zentrum des deutschen Kunsthandwerks-auch die Reichskrone wurde hier bspw. angefertigt. Zurück zu Otto II.:
"Griechische Anmut und Zierlichkeit, sprich eine klassische Bildung, im rauhen Deutschland ein wenig heimisch zu machen, darum hatte sich Otto I. bemüht, als er daranging, seinen Sohn standesgemäß zu verheiraten-wenn ihn dabei auch rein machtpolitische Ziele geleitet hatten. Standesgemäß hieß diesmal, für den Kaisersohn die Kaisertochter zu finden. Das hatte seine Schwierigkeiten, denn es gab außer dem Imperator Augustus nur noch einen Kaiser im Abendland: den in Konstantinopel, der Metropole des byzantinischen Reiches, residierenden Basileus. Kaufleute und Diplomaten, die Konstantinopel besucht hatten, wussten in einer Mischung aus Staunen und Schauder Wundersames zu erzählen: eine Stadt von über 200 000 Einwohnern, und damit die größte in Orient und Okzident, schön wie das Paradies und verworfen wie die Hölle, bevölkert von Bischöfen und Bettlern, Millionären und Marodeuren, Priestern und Prostituierten, Generälen und Gangstern, Mätressen und Matronen. Die Reichen wohnten in Häusern, deren Fesnter Scheiben aus Glas trugen-unerhörter Luxus-, deren Decken aus Zedernholz bestanden, deren Wände mit Seide bespannt und deren Fußböden mit Mosaiken verziert waren, während aus den Marmorbrunnen im Innenhof parfümiertes Wasser rann.
Doch ihre Häuser waren bescheiden, verglichen mit der Residenz des Basileus, einem riesigen, von vergoldeten Bronzetoren verschlossenen Areal, auf dem sich Gärten breiteten, Terrassen, Reitställe, Schwimmbäder, Pavillons, Paläste, Kirchen, Sporthallen, Poloplätze und Wachstuben, Speicher, Küchen, Kerker, Folterkammern."
Nicht schlecht im Vergleich zu den mit Lehm beworfenen Flechthütten, die in Mitteleuropa üblich waren. Dementsprechend die Meinung des byzantinischen Kaisers:
"Für die Byzantiner war der aus den Sümpfen Germaniens stammende Sachse ein Parvenü, der sich den Kaisertitel frech angemaßt hatte, wo doch jeder wusste, dass es nur einen legitimen Nachfolger der Caesaren gab: den byzantinischen Kaiser."
Kaiser Nikephoros Phokas weigerte sich strikt, Otto eine seiner Töchter zu übergeben-so kam es zu Kämpfen in Süditalien zwischen deutschen und byzantinischen Truppen. Doch Nikephoros wurde bald ermordete, und Johannes Tzimiskes, der neue byzantinische Kaiser, war immerhin bereit, seine Nichte Theophano nach Deutschland zu schicken. Otto I. machte Theophano zur Frau seines Sohnes:
"Am Sonntag nach Ostern 972 wurde Theophano, die mit ihren vierzehn oder fünfzehn Jahren im richtigen Heiratsalter war, in der Peterskirche vom Papst gekrönt und getraut: vor einer Festgesellschaft, die den Strahlenglanz beider Kaiserreiche wie in einem Brennspiegel vereinigte. Auf die Hochzeitsnacht mussten die Eheleute zweiundsiebzig Stunden warten, denn man hatte um des Segens für die Ehe willen beschlossen, die ersten drei Nächte enthaltsam zu sein. Erst dann bestieg das jugendliche Paar unter den aufmerksamen Blicken offizieller Zeugen das festlich bereitete Ehebett, womit die Ehe vollzogen war. Symbolisch vollzogen: denn der beim Beilager übliche öffentliche Beischlaf war nicht mehr Voraussetzung für die Anerkennung der Verbindung."
Irgendwie schräge Sitten. Hier eine Elfenbeinschnitzerei, die Otto II. und seine Gemahlin Theophano zeigt, wie sie von Christus gekrönt werden (Der byzantinische Einfluss ist deutlich spürbar):

Nachdem Otto, der als Kind schon vom Papst zum Mitkaiser gekrönt worden war und damit seine Regierung gleich als Kaiser beginnt, verheiratet war, komme ich jetzt das nächste mal zu seinen Taten, die er als Herrscher nach dem Tod Ottos I. vollbrachte.
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
23.06.2004 11:25
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
Hört sich für mich auch ein wenig nach Homer an. Nach dem archaischen Kämpfer kommt jetzt der neue, künstlerisch begeisterte Denker.
Bin gespannt, ob das klappt....
IP: Logged
|
|
23.06.2004 14:14
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
So, zurück zum neuen Kaiser Otto II.:
"Otto II. blieb wenig Zeit, in seine neue Rolle als Kaiser und König hineinzuwachsen. Er wurde auf der Stelle gefordert und musste beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt war. Während an den Grenzen des Reiches Ruhe herrschte, probten die Feinde im Innern den Aufstand. Sie wollten herausfinden, wie weit man bei einem Mann gehen konnte, dessen einzige Berufung der Beruf des Sohnes zu sein schien.
Das Haupt der gegen ihn gerichteten Verschwörung war Herzog Heinrich von Bayern, sinnigerweise der Sohn jenes Mannes, der bereits Otto dem Großen das Leben schwer gemacht hatte und den wir als kniefälligen Büßer von der Frankfurter Weihnacht kennengelernt haben. Er ging wieder mit dem noch immer zugkräftigen Slogan hausieren, dass ihm von Rechts wegen der Thron gebühre, da sein Vater von königlichen Lenden gezeugt worden sei.
Es erübrigt sich, den Verlauf der Rebellion im einzelnen zu schildern, mit ihren diversen Gefechten, Bataillen, Belagerungen, Verurteilungen und Begnadigungen. Sie gehört zu jenen von Neid und Egoismus genährten Adelskriegen, die sich wei eine ewige Krankheit durch die deutsche Geschichte forterbten. Am Ende stand die Unterwerfung Heinrichs und seine Absetzung als Herzog. Das Nibelungenlied hat ihm ein unrühmliches Denkmal gesetzt in der Person des Markgrafen Gelpfrat, der seinem Namen nach nichts weiter konnte als zu "gelpfen", zu zanken.
Auch die Böhmen und die Polen, die mit dem "Zänker" gemeinsame Sache gemacht hatten, krochen nach kurzen Strafexpeditionen zu Kreuze. Gefährlicher war die Kampagne, die Otto im Norden zu bestehen hatte, traf er hier doch auf einen Gegner, dessen Name allein genügte, um Katastrophenstimmung auszulösen: die Wikinger. Harald Blauzahn, der Führer der dänischen Stämme, hatte zwar das Christentum angenommen, war es jetzt aber überdrüssig, sich von den Deutschen in seine jütländischen Angelegenheiten hineinreden zu lassen.
Mit dem Norweger Jarl Hakon und seinen Meerrappen, deren Reiter ihre Odinflammen trefflich zu führen wussten, brauste er heran und sättigte die Adler mit den Leichen der Sachsen und Franken. So poetisch jedenfalls besang ein zum Frondienst abkommandierter Skalde den Sieg, den die Wikinger errangen. Sie stützten sich dabei auf das Danewerk, ein Verteidigungssystem aus Wällen, Palisaden und Gräben, das sich in Schleswig zwischen der Schlei und der Treene erstreckte. 17 Kilometer lang und bis zu 13 Meter hoch, war diese Mauer ein schwer zu überwindendes Hindernis."
Hier ein erhaltenes Stückchen des Danewerks:

Und weiter:
"Getreu seinem Gelöbnis, das Reich des alten Kaisers mit allen Mitteln zu halten, kehrte Otto II. zwei Monate später mit besser ausgerüsteten Truppen zurück. Bei Haithabu, der alten Wikingersiedlung an der Schlei, durchbrach er den zyklopischen Wall, und diesmal nützten den Dänen auch Odins Flammenschwerter nichts. Sie wurden zu Paaren getrieben und wieder tributpflichtig gemacht. Eine Zwingburg in der Gegend von Schleswig blieb ihnen zu mahnendem Gedenken.
Otto musste das Reich, das er vom Vater ererbt, tatsächlich erst erwerben, um es endlich zu besitzen. Thronfolge war nicht gleichbedeutend mit Thronbesitz, und jeder Nachfolger musste die gleiche Härteprüfung durchstehen, auferlegt von jenen, die zu erreichen suchten, was ihnen vom Vorgänger versagt geblieben. Nach den Bayern, den Böhmen, den Polen und den Dänen meldeten die Franzosen ihre Ansprüche an. Lothar, einer der letzten des ruhmvollen Geschlechts der Karolinger, war ein kleiner König. Herr nur über die karolingischen Restgebiete um Laon. Klein und unbedeutend, doch doppelt ehrgeizig, und so war es sein Traum, Lothringen wieder heimzuholen, das seit Heinrich I. zum Reich der Deutschen gehörte.
Der Gedanken, einen ausgewachsenen Krieg zu führen, behagte ihm allerdings nicht, und so kam er auf eine Idee, so kühn wie ungewöhnlich: Otto II. sollte auf einem blitzartig durchgeführten Kommandounternehmen entführt werden. Wollten die Deutschen ihren Kaiser wiederhaben, mussten sie Lösegeld zahlen, dessen Höhe schon feststand: Das Herzogtum Lothringen. Als Lothar gemeldet wurde, dass Otto II. in Aachen eingetroffen sei, war das Stichwort gefallen. Die Truppen wurden alarmiert und in Eilmärschen auf den Weg in Richtung Grenze gebracht. Ohne allerdings ihr Ziel zu kennen: Nur wenige Vertraute aus der engsten Umgebung wussten aus Gründen der Geheimhaltung überhaupt von dem Plan."
Was aus Lothars Plänen wird, in ein paar Stunden.
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
23.06.2004 16:09
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
Zitat: MorgothderGrosse schrieb:
Otto II. sollte auf einem blitzartig durchgeführten Kommandounternehmen entführt werden. Wollten die Deutschen ihren Kaiser wiederhaben, mussten sie Lösegeld zahlen, dessen Höhe schon feststand: Das Herzogtum Lothringen.
Wooow! *staun* ....DAS nenn ich ja mal eine einfallsreiche Kriegslist!
*überleg* aber gab's da nicht genug Möchtegernnachfolger, die nichts lieber machen würden, als schnellstens die deutsche Herrschaft an sich zu reissen? Wer ist denn dann überhaupt noch verhandlungsberechtigt? Oder würde Otto selber in dem Fall dann den Befehl zur Abgabe Lothringens geben???? *inpolitischenWirrenverfang*
IP: Logged
|
|
23.06.2004 16:24
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
In der Tat, das wäre für Otto eine prekäre Situation gewesen, denn ob allzu viele Fürsten ihren Kaiser hätten weiederhaben wollen, ist sehr fraglich. Ähnlich erging es 200 Jahre später auch dem englischen König Richard Löwenherz, der vom deutschen Kaiser gefangen und auf der Trifels in der Pfalz eingekerkert wurde. Erst nach zwei Jahren hatten die englischen Adligen das nötige Lösegeld aufgebracht-und Richard Löwenherz musste den deutschen Kaiser formell als seinen Lehnsherren anerkennen. Schräg, aber wahr: Bis 1806 war England formal ein Lehen des Deutschen Reiches. So, und in ein paar Minuten weiter mit Otto.
[Dieser Beitrag wurde von MorgothderGrosse am 23.06.2004 um 16:24 editiert]
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
23.06.2004 17:06
|
|
MorgothderGrosse
Offline
Registriert: Nov 2003
Beiträge: 2352
|
|
Zurück zu Otto II. und den Plänen des listigen Lothars:
"Otto II. hatte sich zusammen mit Theophano, die schwanger war, nach Aachen begeben, um dort den Johannistag zu begehen, ein Fest, an dem die Geburt des Täufers gefeiert wurde und die Sonnenwende, Christliches also sich mit Heidnischem wunderlich vermischte. Außerdem galt es, den Regierungsgeschäften in der alten Kaiserpfalz turnusgemäß nachzugehen. Das Reich hatte keine Hauptstadt, ja nicht einmal eine feste Residenz, es gab nur etliche über das ganze Land verteilte kleine Regierungssitze, in denen der Kaiser sich in gewissen Abständen für kurze Zeit aufhielt.
In Aachen wurde gerade das Johannismahl vorbereitet, als zwei Reiter in jagender Hast die Tore passierten und die Meldung überbrachten, dass ein nach Tausenden zählendes französisches Heer über die Maas gesetzt sei und sich in Eilmärschen auf die Stadt zu bewege. Ihr Führer, soviel hätten die Kundschafter erfahren, sei König Lothar in eigener Person. Der Kaiser wollte nicht glauben, dass es sich wirklich um Lothar handelte: Der Franzose war ein Blutsverwandter, Sohn der Schwester seines Vaters. Er ließ sein Pferd satteln, um sich auf einem Erkundungsritt persönlich zu überzeugen. Er kam nicht weit. Von einem Hügel aus sah er die Reiter der feindlichen Vorhut und konnte sich ausrechnen, wie wenig Zeit ihm noch zu Gegenmaßnahmen blieb. Doch da er völlig unvorbereitet war und nur über seine Leibgarde verfügte, gab es nur eines: sofortige Flucht. Mit Tränen in den Augen über die Perfidie des Vetters gab er den Befehl dazu."
Mit knapper Not entkommt Otto den Truppen Lothars, die, wütend darüber, ihn verfehlt zu haben, in der Kaiserpfalz wüteten. Bevor es weitergeht, hier übrigens einmal ein Bild, wie ein gut ausgerüsteter Soldat dieser Zeit ungefähr aussah:

Und ein Link zu einer Rekonstruktion der Aachener Kaiserpfalz:
http://www.cad.architektur.tu-darmstadt.de/stgallen/bildgal/images/gr_aa_01.jpg
Diese Schmach kann Otto sich nicht gefallen lassen:
"Aus dem eigenen Haus Hals über Kopf fliehen zu müssen, noch dazu unter Zurücklassung der königlichen Insignien, das blieb eine Schmach, schlimmer noch, eine Blamage, die nach dem Ehrenkodex des Standes nur mit Blut zu tilgen war. Auch wenn, wie in diesem Fall, der Feind keinen nennenswerten Erfolg erzielen konnte, sich auch längst wieder zurückgezogen hatte. Die Großen der Deutschen, sonst eher in Zwietracht zähneknirschend verbunden, demonstrierten diesmal lautere Eintracht. Von ihrem Versammlungsort, der Pfalz in Dortmund, erklärten sie dem französischen König förmlich den Krieg, bestimmten sogar, da sie keine Hinterlist nötig hatten, das genaue Datum ihres Einmarsches: den 1.Oktober 978.
30 000 schwergepanzerte Reiter sollen es gewesen sein, die an diesem Tag nach Frankreich zogen und einen Feldzug begannen, wie er sinnloser nicht denkbar, für die Zeit aber charakteristisch war. Unfähig, die befestigten Städte zu nehmen, beschränkte man sich wie üblich darauf, die Dörfer anzuzünden, das Vieh auf den Weiden abzuschlachten und die Bauern zu quälen. Das Wort vom furor Teutonicus kam wieder auf, ein unzulänglicher Vergleich, denn die teutonische Wut reichte nicht einmal, die Mauern von Paris zu erstürmen. Die Belagerungstechnik, in der die Römer einst Meister gewesen, hatte man weitgehend verlernt.
So lagen die Deutschen vor Paris, froren erbärmlich, holten sich Rheuma, litten an Brechdurchfällen und mussten mitansehen, wie ihre Pferde immer klappriger wurden. Das Futter für die nach Zehntausenden zählende Herde reichte trotz rücksichtsloser Requirierung nicht. Otto gab Befehl zum Rückzug. Er verabschiedete sich von der Seine mit einer Veranstaltung, über deren tieferen Sinn schon die Zeitgenossen gerätselt haben.
Auf dem Montmartre, damals noch vor den Toren gelegen, ließ er alle seine Geistlichen antreten und ein brausendes Halleluja anstimmen, dessen Klänge der Wind in die Gassen von Paris trug, wo die Einwohner in Andacht und Misstrauen ihrer lauschten. Da er seine Macht nicht hatte zeigen können, der Kaiser, so dachten sie wohl, wollte er sie wenigstens hören lassen. Der Rückzug verlief so unselig wie die Belagerung: beim Übergang über die Aisne erbeuteten die nachrückenden Franzosen den gesamten Tross, während die Deutschen in ohnmächtiger Wut vom anderen Ufer zusehen mussten.
Otto II. bot daraufhin seinem Vetter Lothar eine offene Feldschlacht an, zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort, bekam aber von einem französischen Grafen die Antwort:
"Warum sollen so viele von uns hier verbluten? Lasst die Könige miteinander kämpfen. Wir wollen zuschauen und uns dem Sieger unterwerfen." Der Vorschlag aber wurde von den Deutschen mit der Begründung abgelehnt, dass es gegen ihre Ehre verstieße, ihren Kaiser kämpfen zu lassen, während sie selbst die Hände in den Schoß legten."
Zwar war der Frankreichfeldzug Ottos II. kein echter Erfolg, doch Lothar hatte genug und bereitete dem Reich keine Schwierigkeiten mehr. Otto II. kann sich nun einem Dauerthema der deutschen Kaiserpolitik zuwenden: Italien. Lassen wir Fischer-Fabian sprechen:
"Während sein Vater Otto I. immer der einfache sächsische Edelmann geblieben war, auch in der Politik lediglich das Machbare angestrebt hatte, griff der Sohn nach den Sternen: Ganz Italien, bis zur Stiefelspitze, sollte unter dem Banner des Reiches vereint werden. Dass er seinem Titel Imperator Augustus bald den Zusatz "Romanorum" voranstellte, "Kaiser der Römer", ist hierfür bezeichnend. Sein brennender Ehrgeiz ließ in die Schneeschmelze als die geeignete Reisezeit nicht abwarten; noch im November 980 brach er mit großem Gefolge, aber kleinem Heer auf. Er ging in das Land seiner Sehnsucht, und er ging in den Tod...
"Und sie zogen über die Alpen nach Italien" ist ein häufig gebrauchter Satz in den diese Zeit behandelnden Geschichtsbüchern. Das klingt, als handle es sich um Zugvögel, die schwerelos dahingleiten, und dennoch lässt sich nichts Erdenschwereres denken. Die Italienzüge bedeuteten für den Hof unendliche Mühsal, harte Plage, stete Gefahr für die Gesundheit, und so kann es kaum verwundern, dass alle Kaiser-selbst bei Berücksichtigung der allgemein geringeren Lebenserwartung der Zeit-auffallend früh verstorben sind."
Jedenfalls trifft Otto unbeschadet in Italien ein, und zunächst deutet nichts auf Gefahr hin:
"Otto traf sein Reich südlich der Alpen, das regnum Italiae, trotz der langen Abwesenheit in Frieden und Wohlstand an. Ein Zeichen dafür, dass sich die vom Vater eingeführten Grundsätze der Verwaltung bewährt hatten. Größere Aufstände hatte es lange nicht gegeben, die Übergriffe des Adels hielten sich in Grenzen. Nur in Rom, dem ewigen Unruheherd, gärte es. Wieder einmal hatte eine stadtrömische Clique einen ihnen nicht genehmen Papst vertrieben, und der Papst hatte sich mit dem schon traditionellen Hilferuf an den Kaiser gewandt, dem es diesmal wenig Mühe kostete, den Gegenpapst zu vertreiben und Benedikt VII. wiedereinzusetzen. Seine erste Tat auf italienischem Boden allerdings war die Versöhnung mit seiner Mutter Adelheid."
Die folgende Schilderung kann man rasch zusammenfassen: Adelheid hatte als Gemahlin Ottos I. die Kirche stets mehr begünstigt, als es finanziell und politisch ratsam war-außerdem mag sie erbittert darüber gewesen sein, dass ihr Lieblingssohn sich immer mehr von ihr entfremdete. Sie hatte den Hof Ottos II. zwei Jahre zuvor verlassen und war zu ihrem Bruder, dem Herzog von Burgund, gegangen. Doch auch handfeste politische Gründe für eine Versöhnung mit Adelheid gab es für Otto: Adelheid war schließlich die Gemahlin des Königs von Mittelitalien gewesen, bevor Otto I. sie geheiratet hatte, sie besaß also großen Einfluss auf den italienischen Adel. Otto jedenfalls versöhnte sich in Pavia öffentlich wieder mit seiner Mutter.
Wie sich in Italien Ottos trauriges und hochdramatisches Schicksal entfaltet, außerdem einiges über Ottos Ostpolitik, gibt es heute abend oder morgen.
__________________
Die Freunde der offenen Gesellschaft:
www.fdog-berlin.de
IP: Logged
|
|
|