24.06.2004 17:24
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MorgothderGrosse
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So, zurück zu Otto und seinen italienischen Plänen. Sizilien und ein gutes Stück Süditaliens wurden zu dieser Zeit vom sarazenischen Emir Abulkassim beherrscht. Byzanz war durch einen Bürgerkrieg handlungsunfähig, und so beschloss Otto II., gegen Abulkassim ins Feld zu ziehen, die Araber aus Süditalien zu vertreiben, dabei auch die byzantinischen Restbesitzungen in Apulien zu erobern und ganz Italien ins Reich einfügen.
"Im Sommer 982 standen die Deutschen vor Rossano, heute eine malerisch auf einer Höhe gelegene, den Golf von Tarent überblickende Stadt, damals ein befestigter Platz mit sarazenischer Besatzung, die vor der Übermacht rasch kapitulierte und damit ein willkommenes Quartier freimachte für die Kaiserin, den Thronfolger und den Tross.
Wenige Tage später stieß Otto auf den Feind, der sich bei dem windumtosten Kap Colonne zwischen Küste und Vorgebirge zum Kampf stellte.
In beiden Lagern steigen die Gebete zum Himmel, hier zum Christengott, dort zu Allah. Die Sarazenen ersehnen den Tod in der Schlacht, der ihnen das Paradies mit allen irdischen Freuden garantiert, die deutschen Ritter treffen, praktischer gesonnen, letztwillige Verfügungen, die meist die Kirche begünstigen.
Die Schlacht selbst scheint rasch entschieden. Die Kaiserlichen, verstärkt durch die 2100 schwer gerüsteten Reiter, die Otto II. zur Verstärkung über die Alpen hatte kommen lassen, zerschmettern mit Brachialgewalt das Zentrum der Sarazenen, die, leichter bewaffnet und gewappnet, auf kleineren, schmalgliedrigen Pferden sitzend, dieser Panzerwand nichts entgegenzusetzen haben. Abulkassim fällt. Sein Leichnam ist überwölbt von einem Leichenhügel, gebildet aus den Kriegern, die ihn mit ihren Leibern schützen wollten. Der Schlachtplan des Emirs aber geht trotz seines Todes mit der Präzision eines Uhrwerks auf.
Damit rechnend, dass die Deutschen seine Linien durchstoßen , nach dem Durchbruch aber die zwischen Meer und Fels verlaufende Küstenstraße weitermarschieren würden, hat er eine starke Reserve in den Schluchten postiert, die urplötzlich über die durch ihren Triumph leichtsinnig gewordenen, ohne jede Sicherung dahinziehenden Ritter hereinbricht wie ein Sturzbach, in wenigen Stunden alles hinwegreißend, was sich in den Weg zu stellen sucht.
Tausende gerieten in Gefangenschaft und wurden als Sklaven nach Ägypten verschleppt, Tausende fielen, wobei die Verluste unter dem Hochadel am größten waren. "Vom Schwerte getroffen, sank dahin die purpurne Blüte des Vaterlandes, die Zier des blonden Germaniens, die dem Kaiser so teuer war", klagte der Chronist Brun von Querfurt. Es gab kaum ein Totenbuch in den heimatlichen Kirchen, das ohne eine Eintragung geblieben wäre."
Die folgende Schilderung, wie Kaiser Otto II. sich rettete, klingt abenteuerlich, ist aber wohlverbürgt:
"Otto II., als Krieger von beispielloser Tapferkeit, als Truppenführer ein Versager und auch darin nicht gut berateh, dass er den Gegner als eine Art Räuberbande verachtete, sucht sein Heil in der Flucht. Zu Fuß irrt er über das Schlachtfeld-ein Chaos von aufgedunsenen Pferdeleibern, jammervoll schreienden Schwerverwundeten und, in der mörderischen Julihitze, rasch verwesenden Leichen-, erreicht den Strand, sieht einen Mann dort stehen, der ein Pferd am Halfter führt, es ist ein Jude namens Kalonymus ben Maschullam aus der Stadt Lucca.
Ob Kalonymus den Kaiser erkannt hat in dem Flüchtling, steht dahin, vielleicht hat er es geahnt, doch wird er sich gesagt haben, dass es ein Risiko wert sei, einem hohen Herrn einen lebenswichtigen Dienst zu tun, und so tritt er auf ihn zu und ruft: "Nimm mein Pferd, Jüngling, und rette dich. Wenn ich den Tod finde, dann nähre meine Kinder." So schlimm kam es nicht, denn wir finden Kalonymus später als wohlhabenden Gelehrten in Mainz: ein lebender Beweis des Dankes vom Hause der Ottonen.
Otto schwingt sich in den Sattel, er treibt das Pferd ins Meer, auf eine vor Anker liegende Galeere zu, eines jener griechischen Schiffe, das er für den Feldzug gechartert hatte, und wieder hat er Glück, zur Besatzung gehört ein in seinen Diensten stehender Slawe, Heinrich Zoluntas mit Namen, der ihn zum Kapitätn führt, ihm erzählt, es handele sich bei dem Mann um des Kaisers Kämmerer, denn er weiß, dass den Griechen nicht mehr zu trauen ist nach der Niederlage der Kaiserlichen."
Der Kapitän merkt bald, dass es sich um Kaiser Otto persönlich handelt, und will den Kaiser, der auch byzantinisches Territorium verletzt hat, als Staatsgefangenen nach Konstantinopel bringen. Doch Otto II. zeigt sich gerissen:
"Otto gibt vor, ass er gern mitgehe nach Byzanz, aber nicht als armer Mann, was sich für ihn nicht gezieme, deshalb schlug er einen Zwischenaufenthalt in Rossano vor, wo er seinen gesamten Staatsschatz an Bord nehmen wolle. Womit er genau den schwachen Punkt des Kapitäns getroffen hate: die maßlose Geldgier. In Rossano kommen des Kaisers Leute an Bord, um ihren Herrn zu befreien, der aber will seine Rettung sich selbst verdanken und wirft sich mit mächtigem Sprung ins Wasser, wobei ein Grieche, der ihn daran hindern will, von dem Ritter Liubo erstochen wird.
Wieder in Sicherheit, willer mit großzügiger Geste seine Rette belohnen, doch die Griechen haben, zutiefst verschreckt, längst das Weite gesucht.
Der Empfang, der Otto von der Gemahlin bereitet wird, fällt anders aus, als er es erwartet hat. Theophano begreift nicht, dass eine bereits gewonnene Schlacht wieder verlorengehen kann, dass so viele ihrer Freunde gefallen sind, und sie zerreißt in leidenschaftlicher Erregung ihre Kleider, schreit dem Gescheiterten ihren maßlosen Zorn ins Gesicht, verhöhnt ihn. Ein Jahr lang finden wir von diesem Tag an ihren Namen nicht mehr in den Urkunden, ein Zeichen, wie tief die Entzweiung gegangen ist."
Ottos II. Scheitern in Süditalien wirkt sich auch auf die Ostgrenze des Reiches aus, und so kommen wir kurz auch zu seiner Ostpolitik:
"Die Kaiserlichen hatten keine bloße Schlacht verloren, ihrem Machtgelüst war ein Cannae bereitet worden. Und was noch schwerer wog: Der Ruf, wonach die Deutschen unbesiegbar seien, hatte schwer gelitten. In den Grenzgebieten des Reiches, im Norden wie im Osten, begann es zu gären. Die Unzufriedenen trafen sich mit Gleichgesinnten, die Unterdrückten schmiedeten Pläne, die Todfeinde griffen zu den Waffen. In den Marken jenseits der Elbe loderten die Flammen des Aufruhrs. Eine Rebellion, die mit der Niederlage am Kap Colonne zweifellos im Zusammenhang stand, wenn auch die Ursache des großen Slawensturms tiefer lag.
Slawen waren für die Deutschen seit jeher keine Menschen, sondern wirtschaftlich zu nutzende Sachwerte, so wie man Schafe und Rinder nutzte. Man machte sie zinspflichtig, belegte sie mit hohen Tributzahlingen, eignete sich ihre Höfe an, ihre Äcker, ihre Weiden. Schickten sie Abordnungen mit der Bitte, den Fron zu mildern, brachte man die Abgeordneten um: Mit Nicht-Menschen verhandelte ein Christenmensch nicht. Griffen sie in ihrer Not zu den Waffen, kam es zu Vergeltungsaktionen, bei denen ihre Dörfer verbrannt, die Männer gemordet, Frauen und Kinder verschleppt wurden. Öffentliche Hinrichtungen von zwei-bis dreihundert Gefangenen gehörten nach größeren Gefechten zu den Veranstaltungen, die der Abschreckung dienten und der Befriedigung sadistischer Rachegefühle.
Selbst aus einem Brief Ottos I., der so barmherzig sein konnte, weht Erbarmungslosigkeit, wenn er aus Italien schreibt: "Es ist unser Wille, dass ihr mit den Redariern [einem slawischen Stamm] keinen Frieden macht. Gehet also zu Rate und traget Sorge, dass dieses Volk ausgerottet werde und damit den Unruhen ein Ziel gesetzt."
So glich die vielzitierte, zum Teil auch vielgepriesene Oatpolitik der sächsischen Dynastie phasenweise mehr einer brutalen Unterdrückung als einer Segen bringenden Kolonisation."
Nach der Niederlage Ottos II. in Italien nun rebellierten die slawischen Stämme an der Ostgrenze:
"Die Ljutizen, Heveller, Redarier, die Abodriten jagten die Deutschen "wie Hirsche", verbrannten Hamburg, überfielen Havelberg, nahmen Brandenburg, einige Stämme überschritten die Elbe und verheerten altsächsischen Boden, ein Nonnenkloster bei Calbe an der Milde wurde eingeäschert, bald war auch Magdeburg bedroht, die stolze Stadt, von Otto I. zum Sitz eines Erzbischofs gemacht. Erst jetzt fanden sich die Angegriffenen, die bis dahin in panischer Flucht sich zu retten sich zu retten suchten, die kleinen Geistlichen ihrem schrecklichen Schicksal überlassend, zu gemeinsamem Widerstand zusammen und gewannen an der Tanger eine Schlacht. Die Elbgrenze war damit wieder gesichert, doch was östlich des Stromes lag, ging großenteils wieder verloren."
Für die Fürsten war Otto II. der Schuldige, sein Prestige sank. Otto II. befand sich noch in Italien, wo er versuchte, seine Schmach zu rächen:
"Otto II. befand sich zu diesem Zeitpunkt in Rom, wo es einen neuen Papst einzusetzen galt. Phantastische Pläne beschäftigten ihn. Um die Schmach von Kap Colonne zu tilgen, wollte er die Sarazenen von Sizilien vertreiben; auf einer Brücke aus Schiffen sollten seine Truppen dabei die Meerenge von Messina überschreiten, so wie Xerxes einst auf einer Schiffsbrücke über den Hellespont gegangen war."
Aber das Schicksal ereilte Otto, bevor etwas daraus wurde:
"Doch plötzlich wurde er krank, scheinbar harmlos erst, eine Stuhlverstopfungm, doch harmlos ist nichts für die Bewohner des Nordens in diesen Breiten, die durch Sumpffieber und Ruhr mehr Opfer gefordert haben als alle Schlachten zusammen.
Dem Patienten wurde Aloe verabreicht. Diese Pfalnze lieferte eine Arznei, mit der man die Verdauung zu regeln versuchte. Da das Mittel nicht gleich half, nahm der Kaiser immer größere Dosen. Die alte Unrast, die Ungeduld, brach wieder durch, mit Gewalt wollte er den Körper zur Gesundheit zwingen. Schließlich nahm er 4 Drachmen, etwa 15 Gramm, eine im wahren Sinn mörderische Menge. Bereits 1 Gramm wäre ein drastisches Abführmittel. Es kam zu unaufhörlichen Diarrhöen, schließlich zu starken Darmblutungen. Am 7.Dezember 983 starb er, 28 Jahre alt, nachdem er der Sitte der Zeit gemäß seine Barschaft verteilt hatte: Nutznießer waren seine Soldaten, die Armen, die Peterskirche und seine Mutter Adelheid."
In Rom wurde Otto II. bestattet, sein Grab liegt in den tiefen Grüften der Peterskirche. Hier ein Link zu einem Bild seines Sarkophages:
http://www.weltchronik.de/dch/dch_341.htm
Das Schicksal des Reiches liegt jetzt bei Ottos II. dreijährigem Sohn, nun König Otto III. Wie es weitergeht, heute abend oder morgen.
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24.06.2004 18:14
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MorgothderGrosse
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24.06.2004 18:14
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Kaylee
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Woow....*beeindrucktschau*
auch Otto's sind nur Menschen, offensichtlich! In Kriegsführung war man aber nicht allzu erfahren, oder?! Gab's echt noch keine Kriegstaktiken oder sowas, was man als Herrscher lernen musste...?!
Hab ich das jetzt richtig mitgekriegt, dass zwar seine Mutter, aber nicht seine Frau was geerbt hat?! War sie jetzt eigentlich als Vormund des Nachfolgers automatisch Regentin???
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24.06.2004 18:20
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MorgothderGrosse
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@Kaylee. Zumindest war die Taktik des Mittelalters ziemlich unterentwickelt. Die Haupttaktik der deutschen Truppen war einfach, mit ihren schweren Panzerreiterei, die in der Feldschlacht tatsächlich so gut wie unbesiegbar waren, alles niederzuwalzen. Sobald sie aber in eine Falle gelockt wurden oder eine starke Festung belagern musste, war man recht hilflos.
"War sie jetzt eigentlich als Vormund des Nachfolgers automatisch Regentin??? "
Tja, das haben sich Adelheid und Theophano auch überlegt, und um die Frage, wer von beiden die Regentschaft bis zur Volljährigkeit Ottos III. ausübt, kam es zum Konflikt bis fast zum offenen Krieg. Aber das das nächste mal.
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24.06.2004 18:47
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Kaylee
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Bei Theophano denk ich immer, das wär ein Junge, weils auf 'o' endet wahrscheinlich. Aber ihr Unverständnis ob der ritterlichen Blödheit find ich knuffig...
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25.06.2004 20:43
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MorgothderGrosse
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Und bevor wir zu den Ereignissen kommen, die auf den Tod Ottos II. folgen, beginnt Fischer-Fabian mit einer Beschreibung Ottos III.:
"Der dritte der Ottonen war schlank und hochgewachsen, nicht rotblond wie der Vater und Großvater, sondern mit dunklen Haaren und dunklen Augen, ein Erbteil seiner byzantinischen Mutter; von gewinnendem Äußerem, ja schön, eine strahlende Erscheinung, einer, der es leicht hatte mit den Menschen, weil sich niemand dem Zauber seiner Persönlichkeit entziehen konnte; er beherrschte drei Sprachen, Deutsch, Griechisch, Lateinisch, in der Philosophie war er so zu Hause wie in der Mathematik; er schrieb Gedichte, liebte die Musik, war den Gelehrten im Disput gewachsen und so umfassend gebildet, dass ihn noch seine Zeitgenossen als mirabilia mundi bezeichneten, als ein Weltwunder. Doch keineswegs nur ein Schöngeist, zeigte er sich-dafür sorgte eine erbarmungslose Erziehung-auch körperlichen Strapazen gewachsen. Als kleines Kind zwang man ihn in den Sattel zu den endlosen Ritten in die östlichen Weiten, durch Urwälder, Sümpfe, Sand und Steppe, wurde er vertraut mit dem Flammenschein brennender Dörfer, dem Geruch des Blutes und den rohen Sitten der Soldateska, die ihren König seines Heiles wegen brauchte, auch wenn er noch ein Kind war. Er war fromm, doch nie frömmelnd, trotzig, eigensinnig, überschwenglich, exaltiert bisweilen, beseelt von dem Gedanken, sein Jahrhundert in die Schranken zu fordern, aber kein sonderbarer Schwärmer, kein wirrer Phantast, allenfalls ein realistischer Träumer, denn die wirklich großen Dinge müssen geträumt worden sein, ehe sie geschaffen werden. Er war das Beste, was wir sein können: ein Mann und ein Kind zugleich."
Nach dieser Einführung kommen wir zu den turbulenten Ereignissen nach Ottos II. Tod:
"Er war noch nicht vier Jahre alt, als er das Opfer einmer Entführung wurde, ausgelöst durch den Streit um die Vormundschaft. Denn der Knabe war König, bereits gekrönt, und wer ihn in seiner Gewalt hatte, durfte in seinem Namen regieren bis zur Volljährigkeit, die nach dem vollendeten fünfzehnten Lebensjahr eintrat. Er konnte aber auch hoffen, dass dem kleinen König bis dahin etwas zustieß oder dass man ihn "überzeugen" konnte, auf den Thron überhaupt zu verzichten und ihn dem weisen Vormund zu überlassen. Es war die Stunde Herzog Heinrichs von Bayern, den wir als den "Zänker" kennengelernt haben bei seinem vergeblichen Versuch, den zweiten Otto zu stürzen. Er büßte dafür mit Haft in Utrecht, aus der er nun entlassen wurde beziehungsweise sich selbst entließ.
Zusammen mit dem einäugigen Grafen Ekbert und einer Schar Gewappneter erschien er nachts vor den Toren Kölns und forderte vom Erzbischof die Herausgabe des königlichen Kindes: denn er, so sein Argument, sei der nächste Verwandte aus der väterlichen Linie und deshalb von Rechts wegen der Vormund.
Mit seinem Mündel zog er durch die Lande, stellte es zur Schau als ein lebendes Beweisstück, dass ihm, Heinrich, Vormundschaft und Herrschaft zukommen, womit er besonders bei der hohen Geistlichkeit Erfolg hatte und auch bei einigen weltlichen Großen, die insgeheim nichts mehr fürchteten als ein Weiberregiment in der Gestalt der Großmutter und der Mutter Ottos III. Auch sie, Adelheid und Theophano, kamen als Vormünder in Frage.
Adelheid und Theophano, die der Schmerz über den Tod des Sohnes und des Ehemannes zusammengebracht hatte und die Sorge um die Bewahrung des Thrones zusammengeschmiedet, ihnen gelang das scheinbar Unmögliche: Sie setzten sich durch gegen eine Welt von Feinden, tatkräftig unterstützt von bewährten Helfern wie dem Erzbischof Willigis von Mainz.
Der mächtige Bayernherzog, der sich bereits zum König hatte wählen und von Slawenfürsten hatte huldigen lassen, merkte zu seiner maßlosen Bestürzung, wie wenig er den beiden Frauen gewachsen war: ihrer List, ihrer Diplomatie, ihren fein gesponnenen Intrigen und ihrer Courage. Auf einer großen Reichsversammlung unweit vom thüringischen Meiningen erschien er mit seiner kostbaren Geisel, dem Königskind, übergab es seiner Mutter und warf sich tränenüberströmt zu Boden. Eine in ihrer Dramatik bühnenreife Szene, und doch kein Schauspiel: Die Reue war echt, und im Volk sang man später mehr schlecht als recht: "König sein wollt´ Herzog Heinerich, doch Gott im Himmel wollt´ es nich´."
Auch soll an jenem Tag am hellen Sommerhimmel plötzlich ein weithin leuchtender Stern erschienen sein. Dass man ihn zu sehen glaubte, so wie man bei anderen außerordentlichen Ereignissen Kometen erblickte, einen brennenden Himmel oder die Muttergottes im Strahlenkreuz der Sonne, ist typisch für ein Zeitalter, das noch an Wunder glaubte."
Theophano schließlich bekommt den kleinen Otto zurück. Weiter:
"Kurz nachdem Otto III. seinen elften Geburtstag gefeiert hatte, stand er in der Kirche des heiligen Pantaleon zu Köln am Sarg seiner Mutter. Theophano war, kaum 35 Jahre alt, einer Krankheit zum Opfer, über die Medizin wenig weiß. In ihrem Falle nimmt man eine Art Schwindsucht an. Sie hat in den sieben Jahren ihrer Regentschaft, die eine Herrschaft war, nur einem einzigen Gedanken gelebt: in diesem Dschungel innerer und äußerer Feinde, in dem nur das Gesetz vom Fressen und Gefressenwerden galt, ihrem Sohn die Nachfolge so lange zu erhalten, bis er mündig geworden war. Um dieses Ziel zu verwirklichen, war sie bereit, jeden auszuschalten, der sie daran hindern wollte.
Erstes Opfer wurde Adelheid, mit der eben erst das Zweckbündnis gemeinsamer Vormundschaft geschlossen worden war, das aber in dem Augenblick gebrochen worden war, in dem es zu nichts mehr taugte. Scheint das vom Menschlischen her bedenklich, politisch war es klug und konsequent. Eine Partnerin, die das Reichsgut überwiegend der Kirche zuschanzte und dem Heil der eigenen Seele opferte, ohne an die Rechte des Thronfolgers zu denken, diente nicht dem Reich und war eine schlechte Partnerin.
Die Witwe Ottos des Großen resignierte und zog sich in das heimische Pavia zurück.
Sieben Jahre lang stand Adelheid nun an der Spitze des mächtigsten Reiches des Abendlandes, zügelte die Willkür der Herzöge, wies Frankreichs Einmischung ab, bekämpfte die Slawen und versuchte, das Gebiet wiederzugewinnen, das ihr Mann Otto II. verloren hatte. In imponierender Würde zeichnete sie die Urkunden mit "Theophano divina gratia imperatrix augusta"-Theophano, von Gottes Gnaden Kaiserin. Später sogar mit "Theophanius gratia divina imperator augustus", als sei sie nicht Kaiserin, sondern Kaiser."
Hier die Kirche St.Pantaleon in Köln, wo Theophano 990 begraben wurde und noch immer liegt:

Vier Jahre nach Theophanos Tod schließlich war Otto III. volljährig und rechtmäßiger deutscher König. Hier eine zeitgenössische Buchmalerei, die Otto III. zeigt:

Morgen geht es dann weiter mit Ottos Taten als König bzw. Kaiser.
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26.06.2004 12:26
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_TylerDurden_
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Zitat: MorgothderGrosse schrieb:
Da das Mittel nicht gleich half, nahm der Kaiser immer größere Dosen. Die alte Unrast, die Ungeduld, brach wieder durch, mit Gewalt wollte er den Körper zur Gesundheit zwingen....Am 7.Dezember 983 starb er, 28 Jahre alt
Das finde ich traurig, er war mir sympathisch mit seinem Hau-drauf-Leichtsinn. Er hätte in Deutschland bleiben und noch ein paar Städte oder Kirchen bauen sollen.
Otto der III. wird auf auf dem Bild übrigens nicht mit dunklen Haaren sondern auch rotbraun dargestellt. Und nach der Beschreibung "mirabilia mundi" erwarte ich mir großes von ihm! Wobei, etwas geht bei den Herrschern ja immer schief. Ahja, ich hab eben gespickt. Er stirbt leider noch jünger als sein Vater und ohne Kinder. Schande.
P.S.
Soweit ich weiss musste Richard Löwenherz dem deutschen Kaiser eine jährliche Steuer zahlen. Ob das aber ein englischer König nach ihm weiter befolgt hat, weiss ich nicht. Und die Adligen scheinen in ihren Ränkespielen nie allzu weit zu denken, wenn z.B. Lothars Geiselunternehmen geglückt und er wirklich Lothringen als Auslöße erhalten hätte, was hätte Otto davon abgehalten es sich mit Waffengewalt wiederzuholen?
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26.06.2004 14:38
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Kaylee
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Hey, Theophano find ich klasse!! Irgendwie ein anderer Stil als solche komischen kurzsichtigen Räuberaktionen wie die ja auch schon von Tyler bemerkte Lotharsche oder Heinrichsche Entführungsideen....
Nein, ich werde nicht das böse M-Wort sagen! *sehrtapfersei*
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26.06.2004 17:14
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_TylerDurden_
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M wie Ma...*hust* maskuline und tapfere Helden?
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27.06.2004 09:14
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MorgothderGrosse
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@Tyler. "Otto der III. wird auf auf dem Bild übrigens nicht mit dunklen Haaren sondern auch rotbraun dargestellt."
Es ist auch unwahrscheinlich, dass der Künstler, der für die Buchmalerei verantwortlich ist, den Kaiser jemals gesehen hat. Auch bei den Münzen findet man nur stilisierte Darstellungen, mit den ungemein detaillierten Münzportraits der römischen Kaiser gar nicht vergleichbar.
"Und die Adligen scheinen in ihren Ränkespielen nie allzu weit zu denken, wenn z.B. Lothars Geiselunternehmen geglückt und er wirklich Lothringen als Auslöße erhalten hätte, was hätte Otto davon abgehalten es sich mit Waffengewalt wiederzuholen?"
Im Grunde nichts, aber immerhin hatte er eine gewisse Chance, dass Otto sein Wort halten würde. Besser als nix .
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