Morgoth liest die Geschichte der deutschen Kaiser


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Post 07.08.2004 00:38 Post
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_TylerDurden_



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Tja, die goldene Regel beim Posting: erst Notepad, dann Beitragsfenster.

Wie groß war Köln zu Barbarossas Zeiten?

> sodass hoffentlich heute morgen noch ein Posting zustande kommt.

Was ist? Mach mal hinne! *peitsch*

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Post 07.08.2004 14:12 Post
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MorgothderGrosse



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Köln hat damals etwa knapp 30 000 Einwohner gehabt. Als weitere große Städte kamen Prag, Nürnberg und Aachen mit über 10 000 und dann noch Speyer, Worms, Mainz, Straßburg, Frankfurt, Hamburg und Frankfurt mit über 5000 Einwohnern. Der Rest war kleiner.
Mit Barbarossa geht´s erst gegen 16 Uhr weiter, gestern früh bin ich leider eingeschlafen, als ich mich nach dem ersten Posting auf die Couch gelegt habe .
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Post 07.08.2004 14:14 Post
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Kaylee



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Zitat:
MorgothderGrosse schrieb:
...gestern früh bin ich leider eingeschlafen, als ich mich nach dem ersten Posting auf die Couch gelegt habe .


*gluuucks* .....es sei dir gegönnt!! *nureinwenigneidischschau*

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Post 07.08.2004 17:01 Post
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MorgothderGrosse



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So, weiter geht´s mit Barbarossa:

"Friedrich I. handelte stets nach den Buchstaben des Wormser Konkordats, aber selten in seinem Geist. Selbstverständlich durften die Geistlichen ihre Bischöfe und Äbte selbst wählen-aber nur solche Kandidaten, die des Königs Gunst besaßen. Als im wichtigen Erzbistum Magdeburg zwei Bewerber sich stritten, setzte er einen dritten durch, seinen Mann, und ließ den Kardinal, der die Angelegenheit im päpstlichen Sinne entscheiden wollte, mit großer Höflichkeit vor die Tür setzen. Ohne dass es jemand recht gewahr wurde, waren die Bischöfe wieder das, was sie vor Worms gewesen waren: die höchsten Beamten des Reiches, die Stützen des Thrones.
Und sie waren es keineswegs ungern. Der Wind blies den Päpstlichen in ganz Deutschland wieder kräftig ins Gesicht. Sie hatten die Vermehrung ihrer Macht, die Erhöhung ihres Ansehens schlecht genutzt. Die Engel des Friedens, die man den Mühseligen und Beladenen prophezeit hatte, waren nicht gekommen, dafür um so mehr Legaten aus Rom, deren erste Wort "Geld" hieß, und das zweite und dritte auch. Mit großem Gefolge reisten sie nach Deutschland, hielten monatelang auf fremde Kosten hof, mischten sich in die Angelegenheiten der Kirche und des Staates, griffen in die Rechte der Äbte ein, maßregelten Ritter und Grafen, und die Eingriffe und Maßregelungen waren nicht diktiert von einer gottgewollten Gerechtigkeit, sondern von höchst irdischen Interessen.
Auch die Fürsten begannen einzusehen, dass von Papst und König letzterer das kleinere Übel war."

Barbarossa hat das große Problem, dass der staufische Hausbesitz recht schwach ist und er sich im Ernstfall gegen den Welfen Heinrich, Herzog von Bayern, nicht durchsetzen könnte. Also muss er seine Machtbasis stärken und die Macht des Königs wieder sichern. Und so begibt sich Barbarossa ins reiche Norditalien, das zwar immer noch zum Reich gehörte, aber lange vernachlässigt worden war:

"So war es ganz natürlich, dass sein Blick nach Italien fiel, auf das alte lombardische Königreich, dessen Krone den deutschen Kaisern bei ihrem ersten Romzug immer wie selbstverständlich zugefallen war, das sich ihrer Herrschaft aber längst entzogen hatte. Und damit auch der Pflicht, Abgaben zu leisten. Wer eine Grenze passierte oder eine Brücke, die Straßen und die Häfen benutzte, wer Salz gewann und Münzen prägte, Fischerei-, Jagd-und Forstwirtschaft betrieb, der musste dafür zahlen. Diese Hoheitsrechte, Regalien genannt, waren nach dem Wormser Konkordat von den Bischöfen in Anspruch genommen worden und schließlich auf die Städte übergegangen.
Friedrich I. war bei allem ritterlichen Hochsinn Schwabe genug, um zu erkennen, dass sich in der Lombardei eine Geldquelle auftat von märchenhafter Ergiebigkeit.
In Mailand, Verona, Piacenza, Pavia, Padua, Parma, Bologna blühte die Industrie, gedieh das Handwerk, florierte der Handel, der durch die ersten Kreuzzüge neue Märkte gewonnen hatte. Die primitive Naturalwirtschaft des Tausches von Ware gegen Ware, in Deutschland noch vorherrschend, hatten die Lombarden längst abgelöst durch den Geldverkehr.
Wenn Friedrich Barbarossa seine Hoheitsrechte wieder geltend machen konnte-und dass sie ihm zustanden, ließ er sich von den berühmten Bologneser Rechtsgelehrten schriftlich geben-, wäre er mit einem Schlag Europas reichster Monarch und der der mächtigste dazu, denn Reichtum bedeutete Macht.
30 bis 35 Talente, und jetzt waren seine Finanzexperten an der Reihe, würden Jahr für Jahr in seine Kassen fließen. Das waren nach heutigem Geldwert etwa 25 Millionen Euro und damit das Viereinhalbfache dessen, was ihm die deutschen Städte an Abgaben einbrachten.
Friedrich I. musste nicht lange auf eine Gelegenheit warten, um den ersten Schritt zu tun in Richtung auf die Millionen. Da in Lombardien, wie unter Geschäftsleuten üblich, der eine des anderen Teufel war, herrschte ein erbitterter Konkurrenzkampf, und die Kleinen suchten ständig Hilfe bei den Größeren. Eines Tages erschienen die Vertreter der Städte Como und Lodi vor ihm und beklagten die Tyrannei der Bewohner Mailands, die sie von Haus und Hof vertrieben hätten. Mit 1800 Rittern zog Barbarossa daraufhin vor die Stadt, die Macht des Reiches zu demonstrieren, eine leere Drohung wie sich erwies: Die Mailänder standen auf den Zinnen ihrer gewaltigen Mauern und amüsierten sich über das armselige Häufchen Gewappneter, ließen ihre Tore verschlossen und beantworteten ihre Aufforderung, sich zu unterwerfen, mit Hohn un Spott.
Barbarossa hatte zum erstenmal erfahren, dass die Beherrscher der italienischen Stadtstaaten ihren Reichtum nicht zuletzt in gut ausgebaute Befestigungen und perfekt geschulte Soldaten investiert hatten. Um die Moral der Truppe zu heben und die eigene dazu, hielt er sich an dem mit Mailand verbündeten Städtchen Tortona schadlos, das erstürmt und zerstört wurde. In Eilmärschen zog er nun nach Rom, um sich die Kaiserkrone zu holen."

Hier ein weiteres zeitgenössisches Bild Barbarossas:


Und hier der Dreikönigsschrein mit den Gebeinen der heiligen drei Könige, den Friedrich Barbarossa der Stadt Köln schenkte und der sich heute im Kölner Dom befindet:


Weiter mit Barbarossas Italienzug:

"Vor den Mauern Roms erwartete ihn eine Delegation von Senatoren, die ihm nahelegte, sich die "Herrschaft des Erdkreises" nicht von einer korrupten Priesterclique verleihen zu lassen, sondern von den Bürgern selbst, den rechtmäßigen Nachfolgern der alten Römer. Gegen eine Zahlung von 5000 Pfund in Silber, versteht sich. Seine Antwort war durchdrungen vom Stolz auf das Volk, dem er angehörte. Er sagte: "Wollt ihr wissen, wo der alte Ruhm eures Rom geblieben ist, der würdevolle Ernst des Senats, die tapfere Zucht der Ritterschaft und der unbezwingliche Schlachtenmut? Bei uns Deutschen sind sie geblieben. Auf uns gingen jene Tugenden über mit der Krone der Caesaren: Hier sind eure Konsuln, hier euer Senat, hier eure Legionen! Unserer Weisheit und unserem Schwert seit ihr euer Dasein schuldig!"
Friedrich I. schickte die Senatoren wieder nach Hause. Er wusste, dass er als Kaiser nur Anerkennung finden würde, wenn er die Krone aus der Hand des Papstes empfing. Auf dem Stuhl Petri saß Hadrian IV., der einzige Engländer in der langen Reihe der Stellvertreter Christi, ein schroffer Mensch, mit dem es auch sofort einen Zusammenstoß gab. Als er auf das Feldlager der Deutschen zuritt, erwartete er, dass Friedrich I. ihm Zügel und Steigbügel hielt. Der König weigerte sich mit der Begründung, er sei jederzeit bereit, ein Knecht Gottes zu sein, aber niemals ein Knecht des Papstes. Die Kardinäle waren über die Weigerung entsetzt, fürchteten Böses und stoben in wilder Flucht davon, den verdutzten Papst allein auf weiter Flur zurücklassen.
Daraufhin setzten sich ein Dutzend würdiger Herren beider Seiten zusammen und beratschlagten einen Tag und eine Nacht lang darüber, ob der König oder ob er nicht, ob er früher oder ob er früher nicht, womit Europas Schicksal für 24 Stunden an einem Steigbügel hing. Schließlich erklärte sich Friedrich I. zähneknirschend bereit, den Stallmeisterdienst zu leisten, aber erst, nachdem man ihm versichert hatte, dass es sich lediglich um einen alten Brauch handele. Er zog dabei aber so kräftig an dem Bügel, dass das Oberhaupt der Christen um ein Haar aus dem Sattel gestürzt wäre.
Eine Szene, über die man lachen kann. Damals lachte man nicht, ging es doch, wieder einmal, um die leidige Frage der Vorherrschaft. Friedrich I. verstand in diesem Punkt keinen Spaß. Er wusste von dem riesigen Wandgemälde im Lateranpalast, das einen deutschen König zeigte, wie er in demütiger Haltung, die Hände gefaltet, vor dem Papst kniete, umrahmt von einem Spruchband mit dem Wortlaut: "Der König darf erst durch das Tor, nachdem aufs Recht der Stadt er schwor. Wird dann des Papstes Lehnsvasall, der ihm die Krone reicht des All."
Das Wort "beneficium" hat einen Doppelsinn. Es heißt "Wohltat" oder "Lehen". Gegen eine Wohltat wäre nichts einzuwenden gewesen, um so mehr aber gegen ein Lehen, und als wolle er jeden Zweifel ausräumen, was gemeint sei, ließ einer der Kardinäle sich zu der Bemerkung hinreißen: "Ja, von wem hat denn der Kaiser sein Reich, wenn nicht vom Heiligen Vater?" Dieser Satz wäre sein Tod gewesen, wenn nicht Friedrich I. den hünenhaften Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach daran gehindert hätte, mit dem Schwert auf den Kardinal loszugehen.
Die Antwort Barbarossas war von einer noch nicht dagewesenen Schärfe und trug gleichzeitig den Stempel eines staufischen Programms:

"Wer behauptet, dass wir die Krone als ein Lehen des Papstes empfangen haben, lästert Gott und verfälscht die Wahrheit, hat doch der heilige Petrus der Welt verkündet, den Herrn im Himmel zu fürchten und den Herrn auf Erden, den König zu ehren. Wir haben unser hohes Amt allein von Gott empfangen. Die Kirche aber will dieses Amt vernichten, und das kann nicht Gottes Wille sein. Mit einem Bild hat es angefangen, aus dem Bilde wurde eine Inschrift, jetzt soll die Inschrift zur Vorschrift werden. Das ertragen wir nicht, das dulden wir nicht! Eher wollen wir den Tod erleiden, als dass wir unsere Ehre in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist, soll ausgelöscht, was geschrieben, getilgt werden, auf dass nicht zwischen Reich und Kirche Denkmale der Feindschaft bestehen."

Am Krönungstag, dem 18.Juni 1155, waren sich Kaiser und Papst noch einig, denn sie brauchten einander: Der eine wollte den Titel, der anderen Schutz gegen das sich ihm versagende Rom. Die Kaiserkrönung konnte nur unter starkem militärischem Schutz vorgenommen werden. Noch am selben Tag musste der frisch Gekrönte sich die wegen der Ablehnung ihres Angebots empörten Römer mit dem Schwert vom Leibe halten."

Hier der Innenraum der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom, die fast jeder Kaiser besuchte:


Hier eine Porträitbüste Barbarossa, die der Kaiser dem dem Adligen Hugo von Cappenberg schenkte:


Und ein von Friedrich Barbarossa unterzeichneter Schutzbrief:


Weiter mit Barbarossas Italienzug:

"Auf dem Heimweg nach Deutschland waren es Leute aus Verona, die ihn an einem Engpass, der berüchtigten Veroneser Klause, einschlossen wie in einer Mausefalle. Nur durch die Auslieferung der Pferde und der Panzerhemden, so ließ ihr Anführer wissen, könnten sich die Ritter ihr Leben erkaufen. Damit hätten sie nicht nur ihre Ehre verloren, sondern auch ihr Vermögen-so teuer waren Ross und Rüstung. Beides waren sie nicht bereit herzugeben. Die zweihundert Freiwilligen, die man zu einem Himmelfahrtskommando brauchte, waren deshalb rasch zusammen.
In der Morgendämmerung krochen sie auf einem geheimen Pfad, von Einheimischen geführt, den Berg empor und fielen den überraschten Veronesern in den Rücken. Wer dem Schwert entging, wurde den Fels hinabgestürzt. Die in Gefangenschaft geratenen Anführer verurteilte man zum Tode durch den Strang. Bis auf einen-der musste ihr Henker sein. Die Leichen der anderen, man spricht von fünfhundert, ließ Friedrich I. am Wegrand zu einem Hügel auftürmen, als ein scharuriges Menetekel für alle, die einem Kaiser nach dem Leben trachteten."

Ende 1155 kam Barbarossa schließlich nach Deutschland zurück. Auf diesem Bild des Aachener Doms sieht man den bronzenen Radleuchter, den Barbarossa der Kirche gestiftet hatte:


So, und nachher geht es weiter mit Barbarossas Kampf um Italien.
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Post 07.08.2004 23:07 Post
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MorgothderGrosse



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Zurück ins Jahr 1155, weiter geht´s mit Friedrich Barbarossa:

"Ein Jahr nach seiner Rückkehr aus Italien, im Jahre 1156, heiratete der Kaiser zum zweitenmal. Sieben Jahre war er mit Adela von Vohburg verheiratet gewesen, deren Mitgift ihm willkommen gewesen, die aber jetzt, nachdem er Kaiser gewordenm, nicht mehr so recht zu ihm passen wollte. Sie sei ihm untreu geworden (was niemand glaubte), sei außerdem unfruchtbar, da sie ihm keine Kinder gebären konnte (dafür aber dem Mann, der nach Friedrich kam), sei außerdem mit ihm verwandt (Ihre Ururgroßmutter war die Schwester von Friedrichs Urgroßvater)-drei Gründe, die den Weg frei machten zu einer neuen Verbindung. Zur Debatte stand eine Purpurgeborene aus byzantinischem Kaiserhaus, womit die Herrscherhäuser des Orients und Okzidents wie zu Zeiten Ottos II. verwandtschaftlich verbinden gewesen wären.
Er begnügte sich schließlich mit Beatrix von Burgund, einer Frau, die Venus an Schönheit, Minerva an Tugend und Juno an Macht übetraf-jubelten die Hofpoeten. Noch wichtiger aber, dass sie reicher war als alle anderen Bewerberinnen. Bei der Hochzeit in Würzburg gab sie davon eine Probe, als sie mit 5000 prächtig gerüsteten Rittern erschien, die sie ihrem Bräutigam nach der Trauung kurzerhand schenkte. Kein Wunder, dass ihr Onkel sie so lange in einem Turm verborgen gehalten hatte, um an ihr Erbe zu kommen.
Friedrich I. war reicher geworden, aber nicht mächtiger. Der Romzug hatte ihm die Kaiserkrone eingebracht und die des Königs von Italien dazu. Das schien viel, und doch war es wenig. Es waren Titel geblieben. Das Gros der italienischen Städte hatte sich ihm verschlossen. An der Spitze das stolze Mailand, das weiterhin seiner spottete und durch seine Überlegenheit in der ganzen Lombardei für dauernde Unruhe sorgte. Diese Stadt musste fallen, wollte er seine hochfliegenden Pläne verwirklichen. Auf dieses Ziel waren nun alle seine Unternehmungen ausgerichtet. Mit den Böhmen schloss er einen Vertrag, ernannten ihren Herzog zum König und ließ sich dafür mit einem Truppenkontingent für den italienischen Feldzug bezahlen. Die Ungarn verpflichtete er zu gleichen Leistungen. Dem Polenherzog Boleslaw zwang er das Versprechen ab, einige tausend Ritter zu stellen-was dieser später nicht hielt.
Das Heer, das Barbarossa im Sommer 1158 über die Alpen führte, "das ruchlose Volk der Mailänder zu züchtigen", bestand aus Deutschen, Italienern, Ungarn und aus Böhmen, mit den Knappen, Knechten und dem Tross an die 50 000 Mann. Die Mailänder verteidigten sich einige Wochen lang zäh, kamen aber dann zu der Ansicht, dass gegen eine solche Übermacht auf die Dauer nichts auszurichten war, und beschlossen, nach der Art verständiger Kaufleute, lieber mit barer Münze als mit Blut zu zahlen. Sie unterwarfen sich, lieferten 9000 Pfund besten Silbers, und ihre Konsuln empfingen vom Kaiser den Friedenskuss. Damit war auch der Widerstand der anderen Städte gebrochen."

Hier eine zeitgenössische Porträitbüste Friedrich Barbarossas:


Übrigens für das Mittelalter eine Arbeit von außergewöhnlicher Qualität.
Ruinen der von Barbarossa erbauten Kaiserpfalz Gelnhausen:


Und noch ein Bild:


Nachdem Barbarossa Mailand unterworfen hatte, wollte er Norditalien neu organisieren und wieder fester ans Reich binden:

"Die Ratsherren der Städte wurden nach Roncaglia zitiert, wo Friedrichs Rechtsgelehrte in Permanenz tagten, um ein für allemal festzulegen, was in Italien des Kaisers war und was nicht. Sie entstammten der berühmten juristischen Akademie Bolognas, die sich die Wiederbelebung des römischen Rechts zur Aufgabe gemacht hatte. Da nun die deutschen Herrscher, so konstatierten sie, die Erben der römischen Caesaren seien, so ständen ihnen auch die alten imperialen Rechte zu, wobei es keine Rolle spielte, dass diese Rechte vorübergehend "durch freche Anmaßung oder königliche Nachlässigkeit" in andere Hände übergegangen waren. Denn: Unrecht wird weder durch die Ausübung noch durch die Zeit jemals zu Recht.
Die Abgesandten der Städte schworen feierlich, auf die Regalien in Zukunft zu verzichten, räumten dem Kaiser ferner das Recht ein, Pfalzen zu bauen, Grafschaften zu vergeben, die oberste Gerichtsbarkeit auszuüben, seinen Anteil an Strafgeldern und konfiszierten Gütern zu kassieren, Kopfsteuer und Kriegssteuern zu erheben. Zur Verwirklichung dieser Beschlüsse wurden der Krone ergebene Beamte eingesetzt, sogenannte Podestas, eine Bezeichnung, die vom lateinischen Wort "potestas-Gewalt" herkommt, und die nackte Gewalt haben diese Beamten vielerorts verkörpert.
Friedrich I. hatte trotz allem ehrlichen Herzens geglaubt, dem Land durch den Reichstag auf den Ronkalischen Feldern eine dauerhafte Ordnung gegeben zu haben. Um so enttäuschter war er über die vielerorts aufbrechenden Widerstände. Er sah nicht, dass seine Gesetze das Ende bedeuteten für die in langen, schweren Kämpfen errungene Selbstverwaltung der Städte, bei der Adlige, Bürger und Plebejer zusammenarbeiteten. Dem Begriff "städtische Freiheit" begegnete er mit Verständislosigkeit.
"Seit wann gibt das Volk dem Fürsten Gesetze und nicht der Fürst dem Volk?", hatte er kopfschüttelnd gefragt, als die Lombarden ihm eine Verfassung unterbreiteten.
Die Mailänder hatten, wie alle anderen auch, einen Eid geschworen, die auf den Feldern von Roncaglia erlassenen Gesetze zu beachten. Als aber Friedrichs Bevollmächtigte kamen, die kaiserliche Verwaltung einzurichten, schienen sie erst zu merken, dass sie ihrer Unabhängigkeit eigenhändig das Grab geschaufelt hatten. Auch wollte man ihnen plötzlich nicht mehr die Wahl der eigenen Konsuln zugestehen. Sie widersetzten sich, vertrieben die Gesandten und hetzten andere Kommunen zur Rebellion auf. Zur Rede gestellt, warum sie nicht zu ihrem feierlich abgegebenen Wort stünden, antworteten sie: "Wir haben geschworen, aber wir haben nicht geschworen, den Schwur zu halten." Zweifellos eine italienische Lösung des Problems.

Friedrich I. zog vor Mailand, brach aber die Belagerung nach kurzer Zeit wieder ab, veranlasst durch seine früheren Erfahrungen, die ihn gelehrt hatten, dass derartig stakr befestigte Städte nicht zu nehmen waren ohne ein sehr starkes Heer. Er musste sich damit begnügen, die Reichsacht zu verhängen und die Umgebung zu verwüsten. Das unweit gelegene, mit Mailand verbündete Städtchen Cremona schien ihm ein geeignetes Objekt, ein Exempel zu statuieren. Er richtete sich auf einige Wochen Belagerung ein-und brauchte sieben Monate. Die Cremasken verteidigten sich mit dem Mut, den die Verzweiflung eingibt, und der Gewissheit, dass Kapitulation Tod und Vertreibung bedeutete.
Die Eskalation gegenseitiger Grausamkeiten erreichte ihren Höhepunkt, als die Deutschen einen 33 Meter hohen Belagerungsturm mit der Muskelkraft von 500 Knechten auf die Mauern zurollten. Von seiner oberen Plattform sollte eine Zugbrücke auf den Mauerkranz heruntergeklappt werden, über die die Angreifer in die Stadt eindringen könnten. Das misslang immer wieder, da die Verteidiger den Turm mit schweren Steinen und brennenden Pechfässern bombardierten. Friedrich ließ nun zwanzig seiner vornehmsten Geiseln in große Körbe setzen und ander dem Feind zugewandten Turmfront aufhängen, in der Annahme, dass die Cremasken auf ihre eigenen Leute nicht schießen würden.
"Diese jedoch", berichtet der Chronist, "setzten ihre Beschießung auf das heftigste fort, ohne Erbarmen für die in ihren Körben hängenden Mitbürger, von denen viele verbrannten oder zerfetzt wurden. Da sah man auch Kinder an den Seilen hängen, die mit kläglichen Rufen und Winken ihre auf den Mauern stehenden Väter und Mütter um Rettung anflehten. Vergeblich, denn sie hatten weder Mitleid mit der Jugend der Opfer noch mit ihrem eigenen Blut."
Gefangene als lebende Schutzschilde vor die Front zu schicken, war nicht neu, aber es kam selten vor. Sie an Belagerungstürme zu hängen, war eine infernalische Idee, die von Barbarossas Zeitgenossen Dschingis Chan stammen könnte. Sie scheint nicht zu Friedrich zu passen, und man hat sie zu begründen versucht, indem man seinen maßlosen Zorn auf eine kleine Stadt anführt, die große Pläne durchkreuzte und deren Tapferkeit zum Symbol des Widerstands in ganz Italien wurde. Daran mag einiges wahr sein, einer der Gründe liegt jedoch auch in Friedrichs verletztem Rechtsgefühl. Er, der Gerechtigkeitsfanatiker, konnte es nicht verwinden, dass man Gesetze brach, die gerade eidlich bekräftigt worden waren."

Barbarossa eroberte schließlich Cremona. Die Stadt wurde bis auf die Grundmauern vernichtet, die Bevölkerung vertrieben.

Hier die Krayenburg, die zu Barbarossas Zeiten erbaut wurde und die der Kaiser dem Kloster Hersfeld schenkte:


Und heute nacht oder morgen geht es weiter mit Barbarossa und seinem italienischen Krieg.
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Post 10.08.2004 10:12 Post
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MorgothderGrosse



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So, weiter mit Barbarossa und seinem Kampf um Italien:

"Crema wurde bis auf die Grundmauern zerstört, doch schreckte dieses Beispiel die anderen Städte nicht, sondern trieb sie in maßlosem Zorn zu neuem Widerstand. Die Zahl der Aufständischen mehrte sich auch, weil sie inzwischen einen tatkräftigen Verbündeten gefunden hatten: den Papst. Papst Hadrian fühlte sich betrogen, weil der Deutsche trotz seiner Versprechen weder gegen die den Kirchenstaat ständig bedrohenden Normannen gezogen war noch die Römer zur Raison gebracht hatte. Und er war beunruhigt über die kaiserlichen Steuereinnehmer, die plötzlich auch im Kirchenstaat auftauchten und in ganz Italien nach Gutdünken über das Gut der Kurie zu verfügen begannen. Dieser Deutsche schien das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen, zurück zu den Zeiten, da seine Vorgänger mit den Päpsten umsprangen, als seien sie Reichsbischöfe. Er wurde bestärkt in seinem Misstrauen, als er auf seine Beschwerde die Antwort bekam: "Nach dem Willen Gottes nennt man mich 'Römischer Kaiser', und da ich es auch sein möchte und keine inhaltlosen Titel mein eigen nennen, darf ich mir die Hoheit über die Stadt Rom nicht entwinden lassen."
Von einem solchen Mann hatte ein Papst nichts zu erwarten. Er suchte Hilfe und fand sie beim König von Sizilien, der gerade noch sein Feind gewesen, und bei den Mailändern, und er war bereit, auch das alte bewährte Mittel des Bannstrahls anzuwenden.
Ein sich über achtzehn Jahre erstreckendes Schisma nahm nach Hadrians Tod seinen Anfang, denn man konnte sich wieder einmal nicht auf einen Papst einigen, sondern wählte deren zwei: einen "päpstlichen" namens Alexander und einen "kaiserlichen" namens Victor. Sie waren sich so feind, dass es bei der Wahl zu einer Szene kam, die man in solch heiligen Hallen nicht vermutet hätte: Als Alexander der purpurne Mantel umgelegt werden sollte, stürzte sich Victor auf ihn, und beide zerrten an dem kostbaren Gewande, bis es in Fetzen lag. Schließlich behauptete Victor das Feld, wurde aber so hastig mit dem neuen Mantel umhüllt, dass er sich, das Kopfende an den Füßen, in den Falten verfing und zu Boden stürzte.
An zwei Päpsten konnte niemandem gelegen sein, dem Kaiser schon gar nicht, deshalb lud er nach Pavia ein, wo ein unparteiisches Konzil darüber befinden sollte, wer der rechtmäßige Papst sei. Alexander zweifelte nicht ohne Grund an der Unpartelichkeit: Victor war nicht nur des Kaisers Favorit, sondern zum Überfluss auch noch verwandt mit den Staufern. Also blieb Alexander fern.
Victor dagegen beugte sich gern dem Spruch, wurde gewählt, bestieg sein Ross, ließ sich dabei von Barbarossa, der diesmal nichts dagegen hatte, den Steigbügel halten, und verfluchte seinen Gegenspieler Alexander. Das abschließende Protokoll des Konzils trug die Unterschrift von 153 Erzbischöfen und Bischöfen aus ganz Europa, eine stattliche Zahl, die etwas von ihrem Wert verliert, wenn man weiß, dass nur 44 Bischöfe anwesend waren,. Den Rest der Unterschriften hatten die Veranstalter hinzugefügt, in der kühnen Annahme, die Herren hätten bestimmt nichts dagegen. Ähnlich verfuhr man mit den Abgesandten der Könige von England, Frankreich, Dänemark, Ungarn und Böhmen, die von den "Beobachtern", die sie sein wollten, zu "Bevollmächtigten" befördert wurden, was sie nicht waren. Eilkuriere sorgten für die Verbreitung des Dokuments im gesamten Abendland, damit die weltliche und geistliche Führungsschicht erfahre, dass Victor IV. der Papst sei, der andere dagegen ein Ketzer."

Eine zeitgenössische Darstellung, die Papst Hadrian II. zeigt:


Blick von der schwäbischen Burg Hohenstaufen, dem Stammsitz der Staufer:


Heute stehen von der Burg jedoch nur noch ein paar kümmerliche Reste:


Weiter mit Barbarossa:

"Der momentane Eindruck war groß, die nachhaltige Wirkung dagegen blieb aus: besonders in Frankreich und England, zwei Ländern, in denen man kein Interesse daran haben konnte, die Deutschen durch einen eigenen Papst noch mächtiger zu machen, als sie es ohnehin schon waren. Sie bekannten sich gemeinsam mit Sizilien, Venedig, Ungarn, Spanien, Norwegen, Irland und den Herrschern des Orients zu Alexander III. Johannes von Salisbury.

Dass die Dichter der Deutschen den Kaiser als "Herrn der Welt" besangen, wie der Archipoeta, pder zum "Beherrscher des Erdkreises" erhoben, dem sich die Fürsten aller anderen Länder zu unterwerfen hätten, wie im Tegernseer Spiel vom Antichrist, könnte man poetischem Überschwang zuschreiben, und verständlich ist auch der Stolz darauf, einen Kaiser zu haben, während die anderen nur Könige besaßen.
Problematischer wurde es jedoch, wenn diese Herrscher öffentlich als "Kleinkönige" und "Provinzgrößen" bezeichnet wurden, die sich in die Angelegenheiten Kaiser-Papst nicht einzumischen hätten. Sprüche dieser Art wurden begierig ausgebeutet von der Propaganda gegen das Reich, und es interessierte keinen, dass sie die Wirklichkeit nicht widerspiegelten, dass Barbarossa bei aller Überzeugung von seiner kaiserlichen Mission eine Weltherrschaft nicht anstrebte. Die staufische Außenpolitik, das hat die neuere Forschung ergeben, zielte auf durch gegenseitige Achtung begründete Bündnissysteme mit den europäischen Staaten. Friedrich I. stand zu sehr auf dem Boden der Wirklichkeit, als dass er zum Größenwahn hätte neigen können.
Nicht ganz unschuldig am-falschen-Feindbild war jener Mann, der über ein Jahrzehnt lang dem Kaiser als Kanzler diente, Rainald von Dassel. Eine Figur wie aus dem Bilderbuch der Zeit: Sohn eines niedersächsischen Edelmanns, mit der Schreibfeder so perfekt wie mit dem Schwert, von durchdringendem Verstand, Geistlicher, Weltmann, Mäzen, der Kirche ergeben, aber nicht der Kurie, und seinem Herrn so treu, dass er Kardinäle und Fürsten fraß, wie sie kamen.
Er diente ihm mit solcher Leidenschaft, dass er nicht selten die Grenzen des Möglichen überschritt und sich in ausweglos scheinende Situationen brachte. Während Friedrich I. zur Mäßigung und zum Ausgleich neigte, war Rainald hart, kompromisslos, mehr für das Brechen denn für das Biegen. Die Verfälschung der Protokolle von Pavia geht auf sein Konto, die unnötigen Brüskierungen der ausländischen Herrscher, die Propagierung der Weltherrschaftsidee und ihre Anwendung in der Diplomatie ebenfalls. Auch die Heiligsprechung Karls des Großen, eine politische Demonstration, mit der man Frankreich vor den Kopf stieß, liegt auf dieser Linie.
Als der kaiserliche Victor starb und man auch in Deutschland nach dem Ausgleich suchte mit dem gregorianischen Alexander, um endlich die Kirchenspaltung zu beenden, da ließ er so geschwind einen neuen Gegenpapst wählen, dass dem überrumpelten Kaiser nichts anderes übrigblieb, als seinen Kanzler zu decken. Auf dem Reichstag in Würzburg 1165 gelang Rainald ein weiterer Streich. Am Hofe Heinrichs II. von England hatte er als Sonderbotschafter zwei spektakuläre Ehebündnisse gestiftet-Königstochter Mathilde mit Heinrich dem Löwen [Herzog von Bayern], Königstochter Eleonore mit Barbarossas ainjährigem Sohn-, was gleichbedeutend schien mit einem politischen Bündnis. Durch diesen Erfolg bestärkt, konnte er nun die geistlichen und weltlichen Herren schwören lassen, niemals den bösen ALexander anzuerkennen, wollten sie nicht Amt, Würden und Eigentum verlieren."

Ein zeitgenössisches Portrait Rainald von Dassels:


Und nach diesem Exkurs geht es wieder zurück zu Barbarossas Krieg in der Lombardei:

"Wenn dennoch ein dunkler Schatten auf Rainald von Dassel fällt, dann war es sein bedingungsloses Eintreten für den totalen Krieg in der Lombardei.
Ihm genügte es nicht, wie allgemein üblich, die Jahresernte des Feindes zu verbrennen oder niederzutreten, erließ Oliven-, Kastanien-, Mandel-und Obstbäume fällen, die Weinstöcke herausreißen, den Ackerboden mit Salz unfruchtbar machen. Maßnahmen, von denen man schon in der Antike annahm, dass sie den Zorn der Götter herausfbeschworen, denn sie lieferten die Betroffenen für Jahrzehnte dem Hunger und der Not aus.
Durch diese Verwüstungen zog sich der Kampf gegen Mailand über Jahre hin, denn sie trafen nicht nur den Gegner, sondern entzogen auch den eigenen Truppen die Ernährungsbasis. Doch diese Stadt in die Knie zu zwingen, war neben der politischen Notwendigkeit-wie anders sollte die Lombardei beherrscht werden-immer mehr zu einer Prestigeangelegenheit Barbarossas geworden. Er legte ein Gelübde ab, die Kaiserkrone nicht eher zu tragen, ehe Mailand vom Erdboden verschwunden sei.
Im Sommer 1161 bot die Umgebung der Stadt ein Bild, das an die Visionen der Hölle erinnerte: mit den in langen Reihen aufgerichteten Galgen, an denen Tag für Tag die vornehmsten Gefangenen gehängt wurden, den verwesenden Leichen und Pferdekadavern, dem Rauch, der aus dem Schutt der im Vorfeld liegenden Siedlungen stieg, mit den qualvollen Schreien der zu Tode Gefolterten. Auch auf den Mauern wuchsen die Galgen, schrien die Geschundenen, denn die Belagerten zählten Auge um Auge, Zahn um Zahn, ließen Gefangenen Hände abhacken und zum Vergnügen des Pöbels durch die Gassen kriechen wie Käfer.
Sie waren zu allem entschlossen, die Mailänder. Guintelmus, der große Festungsbaumeister, hatte ihre Stadt mit einem raffinierten Netz von Gräben, Verhauen und Wällen umgeben, die Mauern mit hundert Türmen bestückt, er hatte ihnen Wurfmaschinen gebaut und sichelbewehrte Streitwagen, die bei Ausfällen die Rolle unserer heutigen Panzer übernahmen. Sie fühlten sich jedem Sturm gewachsen und ließen Friedrich I. ausrichten, er möge ihnen seine Krone schenke, weil er sie doch nie wieder tragen werde.
Das deutsche Ritterheer war bei aller Schlagkraft gegenüber befestigten Städten hilflos. So schien der Hunger der beste Verbündete. Man umschloss Mailand wie mit einem ehernen Ring, und bald gesellten sich zum Hunger die Angst, die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit. Vor den Toren erschienen ehrbare Bürgerfrauen, um sich für ein Stück Brot hinzugeben. Man steckte sie in Hurenhäuser und flocht die Soldaten, die sich mit ihnen eingelassen hatten, auf das Rad. Wer Lebensmittel schmuggelte, verlor die rechte Hand. Gefangene, die man bei Ausfällen machte, wurden verstümmelt vor die Tore gestellt. Der Terror kannte kein Maß. Einmal ließ Friedrich I. fünf Edlen die Augen ausstechen und sie von einem sechsten, dem "nur" Nase und Ohren abgeschnitten waren, in die Stadt zurückgeleiten, damit sie Entsetzen verbreiteten.
Trotz aller Schrecken hielten die Belagerten stand, den Herbst und den langen Winter, dann waren ihre Kräfte gebrochen, um Frühjahr öffneten sich die Toren und in langer Reihe zogen sie hinaus, barfuß, das Haupt mit Asche bestreut, Stricke um den Hals, das Kreuz in der erhobenen Hand. Sie fielen vor dem Kaiser auf die Knie und flehten schluchzend um Gnade, ein Anblick, der ringsum Erschütterung auslöste. Friedrichs Gesicht aber blieb, wie die Kölner Königschronik berichtet, "hart wie Stein, wie es sonst auch immer unverändert war, weder vom Schmerz verdüstert noch vom Zorn verzerrt, noch in Freude gelöst."
Was mit diesen Menschen geschehen sollte, überließ er den Leuten aus Cremona, Padua, Novara, Como und Lodi, den Todfeinden der Mailänder. Wenn der Mensch des Menschen Wolf ist, dann gilt das um so mehr von den eigenen Landsleuten. Italiener würden Italienern ein schrecklicheres Strafgericht bereiten, als es Deutsche je vermöchten-dachte Friedrich, und er irrte sich nicht. "Den Becher der Leiden, den die Mailänder anderen kredenzt haben", meinten die Lombarden lakonisch, "mögen sie nun selbst leeren". Was sie darunter verstanden, war so erbarmungslos, dass sie glaubten, den Kaiser mit hohen Geldsummen von der Berechtigung ihrer Vergeltungsmaßnahmen überzeugen zu müssen.
Die Bevölkerung wurde ausgetrieben und in vier zwei Meilen entfernt voneinander liegenden Bezirken angesiedelt. In die leere Stadt zogen Spezialeinheiten und begannen ihr systematisches Vernichtungswerk. Haus für Haus wurde mit Pechfackeln angezündet, die Türme niedergerissen, die Gräben zugeschüttet, die Wälle eingeebnet; in die Mauern der Kirchen bohrten sie die schweren Rammböcke, zum Schluss fiel tosend der Glockenturm des Domes, im Sturz das Mittelschiff zertrümmernd, nur die Stadtmauer mit ihren aus der Römerzeit stammenden Fundamenten widerstand lange Zeit dem Vernichtungswerk. Am Palmsonntag kam der Kaiser und feierte in den rauchgeschwärzten Ruinen das hohe Fest, den Ölzweig, das Symbol des Friedens auf Erden, huldvoll entgegennehmend. Sein Kanzler diktierte von nun an alle seine Urkunden mit der Formel "Gegeben nach der Zerstörung Mailands."

Hier eine zeitgenössische Buchmalerei, die einen Kampf um eine italienische Stadt zeigt-aber irgendwie drollig wirkt:


Und hier die sogenannte Eiserne Krone von Italien, die die deutschen Kaiser bei ihrem ersten Italienzug als Zeichen ihrer Herrschaft über Italien erhielten (Heute liegt sie im Domschatz von Monza):

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Post 17.09.2004 11:46 Post
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Ja und? Wann ertrinkt Barbarossa beim Baden im Fluss?

Irgendwie stelle ich mir vor, dass die Deutschen zu der Zeit nicht sehr beliebt sind in Italien. :-/

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Post 17.09.2004 15:52 Post
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MorgothderGrosse



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"Ja und? Wann ertrinkt Barbarossa beim Baden im Fluss?"

Wollte ja mit der Lesung schon ein paar mal weitermachen, aber internettechnisch habe ich momentan ziemlich Probleme. Wenn die Telekom mal einen Techniker schickt, der von der Sache auch was versteht, geht´s weiter mit Barbarossa.
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Post 06.11.2004 16:26 Post
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MorgothderGrosse



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So, nach sehr langer Pause mache ich mal wieder weiter mit der Kaiserlesung. Wir sind im Jahr 1162, gerade ist es Kaiser Barbarossa gelungen, in seinem Kampf um Oberitalien Mailand zu unterwerfen und zu zerstören. Weiter geht es.

Von den Reliquien, die er in Mailand fand, nahm Barbarossa die Gebeine der Heiligen drei Könige mit über die Alpen und schenkte sie dem Bistum Köln, wo sie noch heute eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Domes sind. Aber weiter mit Barbarossas Kampf um Italien:

"Mailand war vom Erdboden verschwunden, und an der Stätte, wo es gestanden hatte, wuchsen "Nesseln und Disteln", wie es in der Bibel heißt. Was hier geschehen war, galt selbst in einer Zeit des Grauens und der Gräuel als ein Akt der Barbarei. Er schreckte zwar anfangs andere ab, sich gegen des Kaisers Gebote zu vergehen, aber bald gewannen der Hass und die Erbitterung überhand. Sie waren stärker als selsbt die Feindschaft der Städte untereinander und führten allerorten zu gefährlichen Schutz- und Trutzbündnissen. Die kaiserlichen Beamten trugen das ihre dazu bei, den Hass zu schüren und die Erbitterung zu vermehren. Wie es die Vertreter von Besatzungsmächten immer getan haben, missbrauchten sie ihre Macht und begnügten sich nicht mit den vertraglich festgelegten Abgaben. Sie erpressten das Vielfache dessen und füllten mit dem Mehrerlös die eigenen Taschen, von ihrem Souverän nicht daran gehindert, der gemäß der alten Weisheit handelte, wonach man dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden solle.
Als Barbarossa im Spätherbst 1166 wieder mit einem Heer über die Alpen kam, glaubte er, die Feindseligkeit der Lombarden förmlich mit Händen greifen zu können. Auch wurden ihm überall Petitionen gereicht, traten ihm Bittsteller in den Weg, die, das Kreuz in der Hand, Gerechtigkeit forderten, und immer neue Delegationen trafen ein, sich über den Übermut der kaiserlichen Beamten zu beschweren.
Ihre Bitten und Forderungen stie0en auf taube Ohren. Friedrich war nicht bereit, die ihnen auferlegten Lasten zu erleichtern; er hatte andere, höhere Ziele, und das eine davon hieß: Rom. Papst Alexander hatte aus seinem französischen Exil wieder an den Tiber zurückkehren können, nachdem ihm byzantinisches Gold und sizilianisches Silber die Herzen der Römer gewonnen hatten. Eine große Koalition begann sich abzuzeichnen zwischen Rom, Byzanz, Sizilien, Frankreich und dem reichen Venedig. Der in Konstantinopel residierende Kaiser Manuel I. Komnenos hatte der Kurie das Angebot gemacht, die Kirche des Morgenlandes und des Abendlandes wieder zu vereinigen: mit dem Papst als Oberhaupt und ihm, Manuel, als Kaiser beider Hemisphären.
All diesen Plänen, so phantastisch sie auch klange, galt es zuvorzukommen. Rom musste fallen, der zähe Alexander endgültig ausgeschaltet und durch einen eigenen Papst ersetzt werden. Das Königreich Sizilien wäre dann das nächste Angriffsziel.
In zwei Heeresgruppen stießen die Deutschen nach Süden vor. Die eine zog unter Führung Barbarossas vor das an der adriatischen Küste gelegene Ancona, einen Brückenkopf der Byzantiner, und erzwang die Übergabe. Die andere, mit Rainald von Dassel und Christian von Mainz an der Spitze, marschierte durch die Toscana direkt auf Rom zu. Beide Führer waren Bischöfe, und die Römer spotteten, sie sollten ruhig kommen, man werde ihnen schon die Messe lesen. Am Pfingstmontag kam es bei Tuculum zum Zusammenstoß mit einem zahlenmäßig vielfach überlegenen päpstlichen Heer. Die Römer, obwohl nur gewöhnt, hinter Mauern zu kämpfen, schienen zu siegen, als Rainald, aus Tusculumherausbrechend, ihnen mit dem Schlachtruf "Sankt Peter, hilf!" in den Rücken fiel, wobei seine Ritter mit dem Choral "Christ, der du bist erstanden" an die Blutarbeit gingen. Petrus, obwohl eigentlich der Stadt Rom verpflichtet, half tatsächlich. Nur ein kläglicher Rest blieb von dem nach Zehntausenden zählenden Heer."

Bevor es weitergeht mit Barbarossa, ein paar Bilder von Bauwerken seiner Zeit.
In der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts wurde in Frankfurt die Saalhofkapelle erbaut, Hauskapelle der Frankfurter Kaiserpfalz:


Hier die Basilika San Abbondio in Como, erbaut zur Zeit Barbarossas:


Zum Teil aus Barbarossas Zeit stammt auch die Kaiserburg in Nürnberg, Keimzelle der Stadt (Im Bild hinten links):


Und weiter mit Barbarossas Italienkrieg:

"Auf die Siegesnachricht hin ließ Friedrich von allen weiteren Unternehmungen gegen das sizilische Königreich ab und lenkte seine Truppen in Richtung des Tiber, darunter die erstmals eingesetzten Brabanzonen, Söldnerbanden aus Brabant, die wegen ihrer Mordlust und Mitleidlosigkeit noch gefürchteter waren als die Böhmen. Die Römer, entnervt durch die Niederlage von Tusculum, leisteten nur geringen Widerstand, und sie kapitulierten vollends, als die überall aufflammenden Brände auf den Petersdom übergriffen.
Am 1.August 1167 bewegte sich eine Prozession auf St.Peter zu, deren Pracht in deprimierendem Gegensatz stand zu den noch rauchende Ruinen ringsum. Paschalis, zum rechtmäßigen Papst erhoben, krönte Barbarossas Frau Beatrix zur Kaiserin. Rom war eine kaiserliche Stadt, Alexander hatte auf einem Boot über den Tiber fliehen müssen - Friedrich erlebte seine Sternstunde.
An anderen Morgen verfinsterte sich der Himmel, sintflutartige Regenfälle von nie erlebtem Ausmaß stürzten auf Rom nieder, überschwemmten das Lager der kaiserlichen Truppen, rissen die Zelte weg, und als der Regen aufgehört hatte, sie Sonne wieder glühte, standen überall große sumpfartige Lachen, aus denen feine Nebelschwaden aufzusteigen schienen. Zwei Tage später stürzte ein Ritter aus Friedrichs Umgebung urplötzlich vom Pferd, ein Mönch wand sich mit verzerrtem Gesicht, aus den Zelten taumelten Soldaten, am Abend lagen Hunderte von Toten in den Lagergassen und auf den Straßen Roms, bald waren es Tausende. Der Leichengeruch machte das Atmen zur Qual, und von den Kranken ging ein pestilenzartiger Geruch aus. "Die Pest", sagten die Ärzte und befahlen, die Kleider zu verbrennen, die Köpfe kahlzuscheren, sie öffneten den Kranken die Adern, gaben ihnen Heiltränke.
Aber es war nicht die Pest, es war die Malaria.
Als Friedrich raschen Abmarsch befahl, um der Fieberhölle zu entkommen, war es zu spät. Sein Weg war von den Männern gezeichnet, die an den Straßenrändern zurückblieben, stöhnend, schreiend, um die Sterbesakramente flehend. Allein zweitausend Ritter sterben, und es sterben der Herzog Friedrich von Rothenburg, die Bischöfe von Lüttich, Prag, Verden, Regensburg, Speyer, der Bruder des Böhmenkönigs und der junge Welf VII., Grafen, Fürsten, Prälaten, die Stützen des Reiches.
Auch Rainald von Dassel geht dahin, seit nunmehr zehn Jahren Kanzler und Erzkanzler des Reiches, oft unbequem, doch unersetzlich. Sein Leichnam wird nach Köln überführt, wo er im Dom seine Ruhestätte findet.
Den einzig passierbaren Übergang über den Appenin findet Barbarossa auf seinem Rückmarsch von aufständischen Lombarden gesperrt, die nach Partisanenart den Zug immer wieder attackieren. Friedrich muss sich mit der blanken Waffe verteidigen, und auch Beatrix greift zu Schild und Lanze. Später planen in Susa, am Fuß des Mont Cenis, die Bürger ein Attentat auf ihn. Dem Ritter Hartmann von Siebeneichen gelingt es, angetan mit den Kleidern seines Herrn, sie so lange zu täuschen, bis Barbarossa die Vorbereitungen zu Flucht getroffen hat. In der Tracht eines Dieners stiehlt sich Europas mächtigster Mann bei Nacht und Nebel durch das Stadttor (Diese Demütigung hat er der Stadt nicht verziehen. Als er sieben Jahre später wieder nach Italien kommt, ist seine erste Tat Rache: Er lässt Susa in Brand stecken)."


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Post 06.11.2004 16:32 Post
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MorgothderGrosse



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Hier noch einmal eine Übersichtskarte mit der Ausdehnung des Reiches zu Barbarossas Zeiten (Die dunkelblaue Linie ist die Grenze des Reiches, die roten Flächen geben den ursprünglichen staufischen Hausbesitz an. Das "Königreich Italien" war trotz der Bezeichnung kein eigenes Reich, sondern Besitz des jeweiligen Kaisers und eine Provinz des Reiches):

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