13.09.2004 19:50
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Es gibt auch die Haikukette als Spiel, man greift in der ersten Zeile das Thema der letzten Zeile des vorigen Haikus auf. Oder jemand gibt die erste Zeile vor, die jeder übernehmen muss. Oder man reicht Zweizeiler weiter und jeder vollendet das Haiku des andern.
IP: Logged
|
|
13.09.2004 19:55
|
|
Mike Hat
Moderator
Offline
Registriert: Jun 2001
Beiträge: 1852
|
|
Haikuketten gleich,
zieht ein Vogelschwarm dahin,
gen Süden, zur Sonne.
IP: Logged
|
|
13.09.2004 20:12
|
|
Mike Hat
Moderator
Offline
Registriert: Jun 2001
Beiträge: 1852
|
|
Ende des Sommers,
Ratequiz mit Günther Jauch.
Wer wird Millionär?
IP: Logged
|
|
13.09.2004 21:11
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Mit dem Buch auf dem
Sofa sitzen, dazwischen
bloß ein Arbeitstag.
IP: Logged
|
|
13.09.2004 21:29
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
Fünfmal Bier in der ersten Zeile zu bringen, das ist formstreng und spielerisch zugleich. *lach* Und mir gefällt das Ampel Haiku:
Mitternacht -
pflichteifrige Ampeln regeln
keinen Verkehr.
Das gefällt mir deswegen, weil ich etwas begriffstutzig bin und sich der Widerspruch zu einem Bild formen musste, bevor ich ihn verstand. Plötzlich erinnerte ich mich an die Kreuzung der Sanderstraße, wie sie oft im Schein der nächtlichen Straßenbeleuchtung vor mir lag. Ein einziger betrunkener Student radelt vorbei, und sonst nur ich mit Freunden, im Auto auf grün wartend.
Mein Herbst Haiku:
Im Supermarkt
zwischen Wurst und Käse:
"Mama! Es gibt Lebkuchen!"
IP: Logged
|
|
13.09.2004 22:10
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Danke Tyler. Aber den Ampelhaiku möchte ich umschreiben. (das darf man, an Haiku feilen ist üblich, denn wie so oft ist das, was federleicht aussehen soll, am schwersten zu erreichen). Das "pflichteifrig" stört mich, Metaphern taugen nicht gut für Haiku, denn sie sind Kopfprodukte. Man muss sie erst mit dem Verstand übersetzen, die Ampeln waren ja nicht wirklich pflichteifrig. Besser so:
Mitternacht -
klackende Ampeln regeln
keinen Verkehr.
Denn geklackt haben sie, das wirkte auf mich so pflichtbewusst. Wie sie da ihren Dient taten, obwohl niemand da war, nur ich auf dem Fahrrad, der sie, natürlich, komplett ignorierte 
Und wenn ich schon mal dabei bin:
Wieder mit dem Buch
auf dem Sofa. Dazwischen
bloß ein Arbeitstag.
Sonst kommt ja der Bogenschluss nicht raus. Ich lese gerne morgens noch etwas, bevor ich ins feindliche Leben raus muss, und abends les' ich dann an gleicher Stelle weiter. Dazwischen bloß sowas Lächerliches wie 8 Stunden Broterwerb...
Der Haiku ist nicht so toll, aber gewagt: er beschreibt nicht einen Moment, sondern umfasst einen ganzen Tag. Auf Haikuseiten wird erbittert diskutiert, ob sowas überhaupt erlaubt sei. Ich bin ein Rebell!
Aber eigentlich wollte ich eine ellenlange Kritik zu den bisherigen Höhepunkten dieses Threads posten, bevor der Herbst-Haiku-Wettbewerb in die Vollen geht. Kommt dann gleich.
IP: Logged
|
|
13.09.2004 22:24
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
Oh, gut dass du das mit dem rumfeilen sagst, pk.
Darf man das auch bei anderen??? *zaghaftanfrag*
Mir gefällt das von Mike ganz gut, wegen des Witzes mit dem Wind.…
Zitat: Mike Hat schrieb:
Herbst-Dikussionen
mit thanil in der Arche.
Er windet sich noch.
…aber vielleicht könnte man ein paar Bindeworte streichen:
Herbst-Diskussionen -
Thanil in der Arche
windet sich noch.
…???
Das mit dem Arbeitstag hab ich tatsächlich erst jetzt mit dem zweiten Anlauf verstanden, wobei ich das mit den Ampeln vorher schöner fand…bin halt doch etwas zu verkopft. *smileeeeee*
IP: Logged
|
|
13.09.2004 22:23
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
gelöscht wegen zitierens statt editierens…*flush*
IP: Logged
|
|
13.09.2004 22:31
|
|
Mike Hat
Moderator
Offline
Registriert: Jun 2001
Beiträge: 1852
|
|
Zitat: Kaylee schrieb:
Mir gefällt das von Mike ganz gut, wegen des Witzes mit dem Wind.…
Es ist Dir aufgefallen! 
Zitat: Kaylee schrieb:
…aber vielleicht könnte man ein paar Bindeworte streichen:
Herbst-Diskussionen -
Thanil in der Arche
windet sich noch.
Elegant, aber die Silbenanzahl stimmt dann nicht mehr. Für mich muss die Silbenanzahl passen. Diese selbst auferlegten Restriktionen machen die Sache für mich nämlich erst richtig interessant. *dem pk widersprech*
IP: Logged
|
|
13.09.2004 22:31
|
Darf der pk Haiku kritisieren?
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Achtung, jetzt kommt Manöverkritik, wir wollen ja auch was lernen, nicht wahr? (die Herbsthaiku lass ich mal außen vor, die laufen noch)
Nach nochmaligem Durchlesen ist mein Lieblingshaiku in diesem Thread eins von Ramujan:
Kandierte Äpfel,
die am Kettenkarussell
zu Boden fallen.
Das ist so gut, das sollte man direkt irgendwo einschicken. *Ramujan anstupps*. Ein klassisches Jahreszeitenhaiku, eine Kirmes, also Spätsommer in der Regel, Erntezeit. Die Szenerie wird mit wenigen Worten so trefflich heraufbeschworen, dass man, wie Kaylee schrieb, "förmlich die gebrannten Mandeln riechen kann". Das ist der Trick, man muss den Geruch gebrannter Mandeln gar nicht erwähnen, damit er da ist. Ebensowenig wie die bunten Papierschnipsel vor den Losbuden, das Gewummer der Boxen, die Menschen, die sich durch die Gänge schieben, Zuckerwatte klebt an Fingern, Kinder auf den Schultern ihrer Väter, mit Lebkuchenherzen behängt, irgendwo kotzt einer ins Gebüsch...das ist ja alles bereits im Kopf des Lesers vorhanden. Alles was Ramujan tat, war diese Bilder abzurufen, indem er ein neues, gut beobachtetes Detail hinzufügte: kandierte Äpfel, die zermatscht am Fuß des Kettenkarussells liegen, den herumwirbelnden Kindern aus den Händen gerutscht. Ein schönes Detail, sehr fokussiert, ein winziger Ausschnitt, der aber den ganzen großen Rest mit beinhaltet.
Auch die Form stimmt: Sachen wie Versmaß, Wortmelodie, Rythmus und Klangfarben kommen beim Haiku eher an zweiter Stelle, zumndest verglichen mit der klassischen europäischen Dichtung, sind aber natürlich wichtig für die Wirkung. Die Hauptwörter "kandierte Äpfel" und "Kettenkarussell" haben ihren Anfangslaut und ihre Mehrsilbigkeit gemein, das schafft eine Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Zeile und hält das Haiku zuammen. "Kandiert" klingt nach Luxus, Festlichkeit und "sich mal was gönnen" und Kettenkarussel ist sowieso ein sehr schönes, lautmalerisches Wort, man muss es nur mal ein paarmal hintereinander laut aussprechen und es kann einem schwindlig werden.
Der Satzbau ist absolut haiku-like: Ein Haiku sollte mit der dritten Zeile nicht zu Ende sein, sondern erst "beginnen". Es sollte dem Leser die Möglichkeit geben, die Szenerie im Kopf selber weiterzuspinnen, eine "Moral von der Geschicht", ein sauberer abendländischer Folgeschluss ist eher abträglich. Ramujans Satzbau ist offen, durch die Nebensatzkonstruktion ist man geradezu versucht zu fragen, ja, was ist denn nun mit den kandierten Äpfeln, die zu Boden fallen...? Was passiert mit ihnen? Und schon kann man das weiterspinnen...wie sie langsam zermatschen, irgendeiner tritt rein, dann regnet es, die Glasur zerläuft, Ameisen machen sich drüber her, am nächsten Morgen kehrt ein missmutiger alter Mann die Reste zusammen, bevor die Kirmes wieder ihre Tore öffnert. Wenn man die Wörter nur ein wenig umstellt, klingt das gleich ganz anders:
Kandierte Äpfel,
fallen am Kettenkarussell
zu Boden.
Klappe zu, Affe tot. Die Dinger fallen zu Boden, das war's. Ein banaler physikalischer Akt. Aus den Augen aus dem Sinn, kein Raum für eigene Gedanken. Aber so nicht hier. Ergo: beide Daumen hoch für Ramujan!
*antike Teeschale überreich*
IP: Logged
|
|
|