05.08.2004 14:54
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pfeifenkrautler
Honk
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Ein in sich geschlossenes System
Ich kaufe ab und zu Kleinigkeiten im Extra-Markt und benutze dafür keinen Einkaufswagen, sondern einen Korb. Leider befinden sich die Körbe selten im Korbhalter am Eingang, wo sie sein sollten, sondern stapeln sich zu Füßen der krummrückigen Kassiererinnen, dort, wo die Kunden sie zurückgeben. Die Korbkette weist hier eine Lücke auf. Ich muss also, will ich einen Korb, die gestressten, missmutigen Kassierinnen ansprechen. Das ist kein Spaß.
Letztens beschloss ich, die Marktführung auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und wollte ein Beschwerdekärtchen ausfüllen und in den Kummerkasten am Eingang werfen. Tolle Sache sowas. Leider war der Stift dort vom Kettchen abgerissen und die einzige Möglichkeit an einen Stift zu kommen, wäre gewesen, eine Kassiererin zu fragen. Ich hab's dann gelassen.
Merke: willst du einen beschwerdefreien Marktbetrieb erreichen, stelle möglichst mürrisches Personal ein.
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30.08.2004 00:19
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Ludy
Chief Resident
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Weißt Du, was aus den beiden Schachspielern geworden ist?
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Manche leuchten, wenn man sie liest.
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02.09.2004 23:14
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Vikelb
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15 Minuten habe ich noch, dann faehrt mein Zug, aber zum Glueck bin ich puenktlich. Es ist ein schoener Feierabend und ich freue mich darauf Heim zu gehen.
Die Sonne scheint durch die zahlreichen Baeume als ich die Treppenstufen herrunter steige und durch die grosse Glastuer das Gebaeude verlasse. Die Lindenblaetter sind schon gelb und fallen langsam zur Erde, die Pappeln halten sich besser, sie sehen noch schoen kraeftig aus. Irgendwo zwitschert ein Vogel.
Ich laufe die Strasse entlang und bewundere nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal meine Umgebung. Wenn Fischer hier wirklich Haeuser besetzt hat, dann hat er daran gut getan. Obwohl ich zugeben muss, gerade durch die glitzernden Glasbauten im Hintergrund, die den blauen Spaetsommerhimmel reflektieren, wirken die alten, kleinen, mit Stuck verziehrten Villen so besonders.
Die Menschen hier scheinen sich schon ihrer Umwelt angepasst zu haben. Auf der anderen Strassenseite laeuft ein Paerchen, wahrscheinlich kommen sie auch von der Arbeit; Sie in einem schicken Damenanzug, der Rock kurz, sexy, jedoch immernoch lang genug um Kompetenz und Autoritaet auszustrahlen. Die Sachen muessen teuer gewesen sein. Er daneben geht laessig, die kurzen Haare leicht nach oben gegelt um den jugendlichen Touch zu erhalten. Dazu ein schwazer Nadelstreifenanzug und eine sportliche Sonnenbrille auf der Nase.
Alle Menschen die mir hier begegnen sehen so aus. Gerade jetzt kommt mir einer entgegen. Dunkler Anzug, hellrosa Hemd und dunkelrose Krawatte. Schreckliche Kombination, aber trotzdem sieht er gut aus. Fast schon richtig niedlich, wuerde er das Kinn nicht so hoch tragen und wie ein Hahn stolzieren. Aber irgendwie scheint auch das in dieses Viertel zu passen.
Wie immer wartet auf halber Strecke die grosse Hauptstrasse und ich muss an der Ampel die Autos vor mir vorbei rasen lassen bevor ich auf der anderen Seite weiter gehen kann.
Jedesmal frage ich mich an dieser Stelle, wer auf die Idee kam in die Mitte dieser naechsten Strassenkreuzung drei Kirschbaeume zu pflanzen. Ich kann es mir immer noch nicht erklaeren, ausgerechnet hier. Schaue ich nach vorne sehe ich am Ende der Strasse den Hauptbahnhof, mein Ziel. Wende ich den Kopf zur Seite und blicke an den Kirschbaeumen vorbei sehe ich das "Hotel Rosa", der Startpunkt fuer die wahrscheinlich haesslichste Strasse der Stadt, welche meinen Weg bildet.
Rechts neben Hotel Rosa steht eine Frau im Minirock - vielleicht ist es aber auch nur der untere Rand ihres Unterhemds, das kann ich nicht so genau sagen. Ihre Beine sind duenn. So duenn, dass ich mich frage wie sie den Rest tragen koennen. Um ihren Oberkoerper hat sie eine viel zu grosse, zerrissene und schmutzige Wolljacke geschlungen. Ich kann ihre Augen nicht sehen, die fettigen Haare haengen ins Gesicht, aber ihre Wangenknochen stehen hervor, die Haut nur noch schlaff darueber gelegt, die Frau wirkt zerfallen. Sie redet mit einem Mann den ich nur von hinten sehe, eben lief er noch auf der anderen Strassenseite.
Zwischen der kahlen Betonwand des Gebaeudes rechts und der Reihe parkender Autos links laufe nicht nur ich zusammen mit anderen Menschen auf dem Weg nach Hause, im Schutz der Wagen sitzen und liegen weitere Personen. Eine hat den Kopf im Schoss des Mannes verborgen, der gerade die Spritze zu seinem Arm fuehert. Alles liegt auf dem Boden rum: Ein kleines halb gefaltetes Blaettchen Papier, eine Flasche mit etwas Wasser, ein Loeffel, und das Stueckchen Kompresse mit Desinfektionsmittel. Desinfektionsmittel, fast muss ich lachen.
Ich biege um die Ecke, lasse die Strasse hinter mir und gehe in den unterirdischen Bereich des Bahnhofs. Nicht ohne ueber 3 gebrauchte Kanuelen hinweg zu steigen - irgendwo muss hier eine kostenlose Ausgabe sein - und den kleinen angetrockenten Bluttropfen auszuweichen, deren Muster am Steinboden ich schon kenne. Auf den letzten Treppenstufen sitzen zwei weitere Maenner rauchend, heute morgen war es hier noch leer, kein Wunder, es stank nach Erbrochenem.
Um nicht hinzusehen schaue ich mir die anderen Personen an, die sich sonst noch hier tummeln. Deutsche Durchschnittsbuerger, auch sie laufen an den beiden Maennern vorbei, keiner scheint sie zu bemerken.
Was wenn einer von ihnen mich auch gerade beobachtet.
Scheine ich dann auch nichts zu bemerken?
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07.09.2004 12:49
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pfeifenkrautler
Honk
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15 Sekunden
Heute war Prozessauftakt gegen den S-Bahn-Schubser von Hamburg. Ich find es gruslig, wie man innerhalb von Sekunden sein (und andere) Leben zerstören kann. Einmal einer Frustration nachgegeben und das war's.
Der Junge ist volljährig und vorbestraft, der hat sowas von verschissen. Versuchter Totschlag lautet die Anklage und ich seh' nicht, wie er da rauskommen könnte. Ich finde es ja richtig, ihn zu bestrafen, keine Frage, mich fasziniert dabei aber der schmale Grat: Er hätte auch nach Hause gehen können und seinen Rausch ausschlafen und sein blödes kleines Leben weiterführen. Er hätte nicht ein Mädchen vor eine S-Bahn schubsen müssen. Irgendeine Sicherung in seinem Kopf hat in dieser Sekunde versagt. Jetzt wird er erstmal einfahren, mind. 2 Jahre, eher mehr. Einmal diese dünne Linie übertreten, die die Zivilisation vom Dschungel trennt..
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07.09.2004 15:09
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Gimli,der Zwerg
Schantall
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Ich fand den Artikel im letzten Spiegel dazu sehr interessant. Scheinbar ist er mit seinen Kumpels die ganze Nacht durch die Gegend gezogen und hat gesoffen ohne Ende. Allerdings war er wohl noch einigermaßen fitt, was ihm den Respekt seiner Freunde eingebracht hat. Die fanden es dann auch ziemlich cool, wie er die junge Frau geschupst hat. Die Situation begann ja damit, dass er angerempelt wurde, dann die zwei jungen Frauen auf ihn zukamen, nicht auswichen und er dann sauer wurde. Wenige Augenblicke seines Lebens und jetzt ist er ziemlich am Arsch.
Wenn der Spiegel sich nicht irrt sehen seine Kumpel die Schuld irgendwie auch bei der jungen Frau. Schließlich sei sie ohne männlichen Begleiter unterwegs gewesen und das geht ja schonmal gar nicht ...
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Giv'em hell!
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07.09.2004 15:16
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GuyIncognito
Beobachter d. Welten
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Allerdings ist bei der Aktion nichts passiert.... er hat sie geschubst, sie ist hingefallen und die Freundin hat sie gerade noch am Ärmel gefasst und rumgezogen - es hätte böse Enden können - ist es aber nicht.
Zitat: Einmal diese dünne Linie übertreten, die die Zivilisation vom Dschungel trennt..
Diese dünne Linie ist nur unser Strafsystem.
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Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie dann ihren Standpunkt.
Albert Einstein
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07.09.2004 15:20
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pfeifenkrautler
Honk
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Und wo kommt das her? Aus einer Übereinkunft der Gesellschaft (grob gesagt) darüber, was zu respektieren sei. Z.B. die körperliche Unversehrtheit.
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07.09.2004 15:45
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GuyIncognito
Beobachter d. Welten
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Registriert: Feb 2004
Beiträge: 2528
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Ja, ihr ist aber nichts passiert... sie ist körperlich immer noch unversehrt - außer vielleicht ein blauer Fleck. dafür 2 Jahre.... naja...
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Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie dann ihren Standpunkt.
Albert Einstein
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07.09.2004 15:51
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Vikelb
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Das hoert sich aber nach einer schwachen Argumentation an. Wenn ich jemanden umbringen will und um Centimeter an seinem Kopf vorbei schiesse, kann ich ja auch nicht damit argumentieren, dass die Person immer noch unversehrt ist.
Frage: Wieviel Jahre stehen auf Totschlag, wenn er "erfolgreich" war?
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07.09.2004 15:58
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pfeifenkrautler
Honk
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Beiträge: 5344
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Ich hab mal gegoogelt, aber es scheint unmöglich zu sein, das zu sagen. Es gibt schweren und minder schweren Totschlag, die tatsächlichen Verletzungen spielen eine Rolle, die Absicht des Täters, Vorstrafen undundund. Für einen Neonazi, der einen Afrikaner krankenhausreif geschlagen hat, gab's 13 Monate ohne Bewährung. Also vielleicht lieg ich auch falsch mit meiner Schätzung.
EDIT: bei Erfolg sind 5 Jahre realistisch, sagt Wikipedia.
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