04.05.2004 19:18
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Der legendäre Philosophiethread
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Kaylee
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Auf das es noch ein wenig komplizierter wird, rauszufinden, wo denn jetzt der geeignete Ort zum rumphilosohieren ist, hier ein Neustart, des im grünen Garten etwas eingeschlafenen Philosophie-threads, mit der Frage:
Gibt es einen freien Willen?
Bisher gab es folgende Wortbeiträge zu dem Thema
Zaratussi
[...]Als nächstes wirfst du wohl noch eine polemisch-banale Phrase wie "freier Wille" ein. Echt ey...einige Leute haben Fanta-sien..*augenroll*
pfeifenkrautler
Hast du schon mal daran gedacht, dass DAF-User über einen freien Willen verfügen könnten?
Zaratussi
Ja. Ich habe die Frage aber schnell wieder ad acta gelegt, da ich mir zu einer Beantwortung der selben darüber im klaren sein sollte, welches der >freie Wille< ist und welches der >Mensch< ist. Meine Vorstellung von Freiheit hat übrigens nichts mit Losgelöstheit von der umgebenden Welt zu tun (Freiheit orientiert sich also an Naturgesetzen, Umwelteinflüssen und sozialen Übereinkünften[Moral;Gesetze]). Der freie Wille, den ich als etwas "inwärtiges" begreife kann diese Grenzen insofern überschreiten, als man das Handeln, das auf dem Willem beruht, von einer Bewertung vorerst ausschließt. Ich kann denken, was ich will. Ich kann aber nicht tun, was ich will.
Dennoch stellt sich die Frage: ist mein Geist (als Werkzeug meines Willens) wirklich in der Lage sich von allem weltlichen zu trennen? Ich mag mir vorstellen können, daß ich über die Alpen fliege - dies wiederspricht eindeutig meinen Fähigkeiten , andererseits habe ich schon Vögel fliegen sehen- ist meine Vorstellung also nicht frei von Eindrücken? Es ist aber unmöglich eine Aussage darüber zu treffen, ob ich mir etwas vorstellen kann, worüber ich vorher keine Informationen hatte. Wissen a priori?
Freiheit von Sinneseindrücken ist meiner Ansicht nach nicht möglich.
Aber das hast du ja nicht gemeint, und ich habe oben auch nicht auf diesen Aspekt angespielt.
Umgangssprachlich wird der >freie Wille< oft mit sozialer Autonomie gleichgesetzt: ich bin wer ich bin, image ist nichts (durst ist alles), ich lasse mich nicht verbiegen. Autonomie ist (imho) eine sehr bewußte Entscheidung, wir achten auf unsere Umwelt und versuchen uns ihren Einflüssen so gut es geht zu entziehen. Bewußt. Das trifft auf viele zu, und wenn man also nur diesen Aspekt in Betracht zieht, dann kann man sagen, daß ein erstaunlich großer Teil der Menschheit über einen freien Willen verfügt. Es gibt aber nicht nur bewußte, offensichtliche Entscheidungen. Kommunikation läuft auf vielen Ebenen ab, Informationen, die unser Unterbewußtsein ansprechen (wie Angst, Wut, Empathie) werden auch unterbewußt weitergegeben. Können wir uns dem entziehen? Wenn eine (um den ach so liebgewonnenen Metaphern treu zu bleiben) eine Schafherde Donner hört und nervös wird, stehen die Chancen nicht schlecht, daß auch das alte taube Schaf nicht ruhig bleibt. Man kann das auch prima mit einem Rudel Wölfe veranschaulichen..
edit: ich habs gepostet, tyler braucht einfach zu lange.
pfeifenkrautler
Zwischenfrage: Ist das sowas wie Schopenhauer und sein "Ich kann zwar machen, was ich will, aber nicht wollen, was ich will"?
Ansonsten warst du bei den Wölfen stehengeblieben...
*total fasziniert zuhör*
Zaratussi
Schopenhauer ist ein prima Phrasenschatz, mich wundert ja, daß DAS zitat noch nicht gefallen ist:
Glauben und Wissen vertragen sich nicht wohl im selben Kopfe: sie sind darin wie Wolf und Schaf in einem Käfig; und zwar ist das Wissen der Wolf, der den Nachbar aufzufressen droht.
Egal...wo war ich? Ach ja, ich war ja fertig. Wie du sehr wohl ahnst, du faszinierter Leser.
Edit: Das Zitat ist natürlich vollkommener Quatsch, man könnte es aber im Hinblick auf die neurotische woodyalleneske Generation hin auswerten und fragen: haben wir Einfluß auf unsere Begierden?
[Dieser Beitrag wurde von Zaratussi am 04.05.2004 um 15:21 editiert]
pfeifenkrautler
Welches Zitat ist Quatsch?
*ganz leicht verwirrt sei*
Zaratussi
Ach, verwirr ich dich?*blinzel*
Unerhörterweise meinte ich übrigens dein Zitat. Meins find ich ganz...knuffig.
also....feel free!! Wenn das überhaupt im Rahmen des Möglichen ist....*unsicherschau*
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04.05.2004 20:31
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Kaylee
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Beziehen wir uns nur auf den Aspekt des >freien Willens< wie er, laut Zara umgangssprachlich gebraucht wird, also der sozialen Autonomie, müsste man widerum ergänzen, worauf sich diese Autonomie bezieht. Denn bezieht sich der Willensakt ausdrücklich nicht auf das daraus folgende Handeln, muss man festlegen, wie sich dann diese Willensbildung äussert oder feststellen lässt, wenn nicht im von aussen beobachtbaren Verhalten.
Der Wille könnte sich zum Beispiel in der Meinungsbildung äussern. Die Frage wäre dann, gibt es eine Meinungsbildung frei von allen sozialen Einflüssen?! Wenn die Freiheit des Willens in der Hinsicht aber nie absolut sein kann, ab welcher Relation kann man von einem 'freien Willen' sprechen?!
Muss man dann weiter die Unterscheidung machen, ob sich jemand bewusst, also freiwillig (?) den Einflüssen einer bestimmten Umwelt ergibt, oder ob er zwar meint, sich ihnen zu entziehen, aber objektiv (?) betrachtet, dabei jedoch einer Illusion aufsitzt.?!
Freier Wille?! Eine Illusion! Wie sonst wären die wievieltausend BILD-Leser jeden Morgen zu erklären...?!
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04.05.2004 20:44
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_TylerDurden_
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Aber steht dem nicht die eigene sinnliche Erfahrung entgegen, sich frei entscheiden zu können? Mal pragmatisch gefragt: Welchen Stellenwert oder gar Nutzen kann eine Philosophie haben, die so offensichtlich von der selbst erlebten Wirklichkeit abweicht?
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04.05.2004 20:46
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Kaylee
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Du meinst, weil du GLAUBST dich frei entschieden zu haben, muss die Entscheidung ja frei gewesen sein? *sehrskeptischschau*
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04.05.2004 21:00
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_TylerDurden_
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Subjektiv gesehen ja.
Objektiv gesehen ist es egal, weil selbst wenn ich mir eine mögliche Illusion ständig bewusst mache, trotzdem nicht den GLAUBEN verliere.
Du glaubst dein freier Wille ist nur eine vorgekaulte Illusion deines Verstandes. Trotzdem wirst du (jetzt kommt ein bizarres Beispiel in dem du schwanger bist und Durst hast) bei der Wahl zwischen einem Tee und dem leckeren Gurkeneinmachwasser das Gefühl der freien Entscheidung empfinden. Selbst wenn du zum Teebeutel greifst und Wasser aufsetzt, wirst immer noch subjektiv empfinden, du könntest dein Tun jederzeit unterlassen und doch das leckere Gurkenglas aufschrauben.
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04.05.2004 22:41
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Kaylee
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Wenn ich dich richtig verstehe, willst mir jetzt unterjubeln, Frauen gaukeln sich ständig was vor?! *nochskeptischerschau* Lass das mal nicht Kris hören, dann sagt sie wieder dieses böse M-Wort.
Andererseits argumentierst du nach dem Motto, wieso sollten wir was anderes denken, wenn uns der Glaube allein glücklich macht. Gleichzeitig können aber andere Individuen, ich möchte jetzt nicht sagen 'Männer', es durchaus als positiv empfinden, wenn sie wissen, dass ihr Tun determiniert ist und sie selber gar nicht wirklich was dazu können. Ausserdem entfernen wir uns gerade der von Zara*** auferlegten Definition der Willens- und Handlungstrennung.
Das hiesse aber insgesamt sowieso, nach dem Sinn oder Zweck eines freien Willens zu suchen, statt nach seiner 'wahren' Existenz.
Ein wirklich freier Wille existiert wahrscheinlich erst, (Achtung, jetzt kommt ein bizarres Beispiel in dem du aussiehst wie Bill Murray und Murmeltiere beobachtest) wenn es eigentlich völlig egal ist was du machst, da du sowieso am Ende des Tages wieder von vorne anfängst. Du kannst den ganzen Tag im Bett bleiben, oder du kannst machen was du willst....im wahrsten Sinne des Wortes. Alles bis auf das, was du glaubst am meisten zu wollen. Wenn du aufhörst, dich darauf auszurichten und dich selbst frei davon machst, durchbrichst du den Gordischen Knoten und bist wirklich frei, auch von den äusseren Umständen.
Das ZEN des freien Willens, quasi....*smileeeee*
[Dieser Beitrag wurde von Kaylee am 05.05.2004 um 00:02 editiert]
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04.05.2004 23:28
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KrisNeniel
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M!!!
(Wie steht es denn um die Freiheit der armen triebgeleiteten Männer, deren Augen von jeder auch nur halbwegs gut aussehenden frau angezogen werden?)
Aber zurück zur Diskussion. Freier Wille - hängt der nicht auch von der Definition von Freiheit ab?
Wobei sich hier der Dings auch schnell in den Schwanz beißen kann. Sprich: Ich bin frei, wenn ich nach meinem eigenen Willen handel. Oder vielleicht doch eher umgekehrt?
Was ist das Gegenteil vom freien Willen? Trieb? Instinkt? Unterbewußtsein? Zwang?
Der Alkoholiker, der mir in der letzten Woche im Beratungsgespräch erzählt hat, er trinke jetzt nur noch kontrolliert - handelt er nach seinem freien Willen oder wird er in bestimmten Situationen sehr schnell an seine Grenzen stoßen und zur Flasche greifen? Was sagt das dann über seinen freien Willen? Gab es ihn vorher überhaupt - oder war er gar nicht gefordert, seinen freien Willen durchzusetzen bzw. zu beweisen?
Wobei ein weiterer Aspekt angesprochen wird. Wenn ich meinen Willen nicht durchsetzen kann, was ist dann mit ihm? In welchen Situationen erweist sich, ob er frei ist? Vielleicht doch nur in den sogenannten Grenzsituationen des menschlichen Lebens, da, wo ich mich wirklich entscheiden oder akzeptieren muß, wo es keine Fluchtmöglichkeit mehr gibt?
Oder - wenn ich mich den durch die Umwelt und Gegebenheiten gezogenen Grenzen unterwerfe bzw. sie akzeptierer, wie Kaylee schon angesprochen hat, bin ich dann weniger frei? Oder macht das erst meine Freiheit aus, zu ERKENNEN, wo ich wirklich frei handeln kann oder wo die Notwendikeit ("die Not wenden") liegt?
Und - von einem moralischen Standpunkt aus gesehen - inwieweit gehören freier Wille und Auf-sich-nehmen der Folgen von Entscheidungen zusammen? Kann ich vom freien Willen sprechen, wenn ich nicht alles so weit wie möglich durchdacht habe?
Als nächstes - was würden Anhänger des Determinismus zur Sache mit dem freien Willen sagen? Oder die, die unsere Gene entschlüsseln und z.B. Veranlagungen zum Alkoholismus finden? Angeboren oder anerzogen? Wie definiere ich den Menschen?
Ich denke, hier gibt es fast so viele Meinungen zu, wie es Diskutierende gibt. Wahrscheinlich stützt sich deshalb z.B. unser Rechtssystem auf genau festgelegte Akte der Willenserklärung - wie dem Kaufvertrag oder dem Testament. Wobei es dem Rechtssystem wahrscheinlich eher auf die Folgen der Willensäußerung ankommt.
Womit wir wieder zur Erkenntnis kommen. Über freien Willen läßt sich trefflich streiten, darüber, verantwortliches Handeln zu fordern und Folgen zu bedenken herrscht dahingegen wohl eher Einigkeit.
Und ist es nicht das, worauf es in unserem Alltag eher ankommt? Oder das, was uns dann vom Tier unterscheidet, dass ohne Folgen abzuschätzen rein seinen Instinkten folgt?
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05.05.2004 00:29
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_TylerDurden_
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Nein, da hast du mich missverstanden Kaylee. Ich meine nur, völlig wertneutral, dass man diese sinnliche Erfahrung jede Sekunde Wahlfreiheit zu haben niemals verliert, selbst dann, wenn man diese Freiheit als Illusion rationalisiert.
Aber ich sehe schon, du willst weg von einer atomisierten Betrachtung der Willensentscheidung (z.B. wenn man vor der Frage steht, ob man zu einem Apfel oder zu einer Banane greift, oder ob man am Sonntagnachmittag Selbstmord begeht) hin zum generelleren Verhalten. Aber sehe ich das richtig, dass Kris (und du) glaubt, der Instinkt, Gefühle, das Unterbewusste ES in einem Menschen würde ein freies Verhalten unterminieren? (determinieren?)
[Dieser Beitrag wurde von _TylerDurden_ am 05.05.2004 um 00:34 editiert]
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05.05.2004 15:03
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KrisNeniel
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Zitat: Aber sehe ich das richtig, dass Kris (und du) glaubt, der Instinkt, Gefühle, das Unterbewusste ES in einem Menschen würde ein freies Verhalten unterminieren? (determinieren?)
Von mir bekommst du ein eindeutiges Jein. Ich möchte den freien Willen an eine BEWUßTE Willensäußerung/-entscheidung knüpfen und damit mit Erkenntnis und Wissen verbinden. Wenn ich z.B. meine Instinkte etc. bejahe und auch die dann aus meinen Handlungen entstehenden Konsequenzen in Kauf nehme - ist das nicht auch "freier Wille"?
Mh, Moment, ich denke, darüber muß ich nochmal nachdenken...
*geradeleichtverwirrtist*
Wie auch immer, ich weiger mich, mich als fremdbestimmtes und absolut determiniertes Etwas definieren zu lassen! Ich denke selber! Sonst wäre ich ja z.B. in der Kirche!
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05.05.2004 15:44
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_TylerDurden_
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Kris, der Seitenhieb war jetzt unnötig.
1.Seh ich nicht wie das zusammenhängt
2.Möchte ich gerne beim Thema Philosophie bleiben
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