Wayne interessiert's? - John Waynes Western


Boardy.de > Fun, Lifestyle & Freizeit > Tylers Kneipe > Bewegte Bilder


Neues Thema öffnen  Antwort erstellen       
Verfasser
Wayne interessiert's? - John Waynes Western    Dieses Thema ist 4 Seiten lang:    1   [2]   3   4   < Voriges Thema     Nächstes Thema >
Post 15.12.2004 13:38 Post
      Profil von Bobby ansehen    E-Mail an Bobby schicken   Suche andere Beiträge von Bobby Boardy Message an Bobby schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Bobby



Offline



Registriert: Dec 2003
Beiträge: 127
Ich weiß ja nicht ob Du diese Art von gesungener Western-Filmmusik magst. Sachen wie:
My Rifle My Pony And Me
The Man Who Shot Liberty Valance
The Hanging Tree
Rawhide
Gungfight At O.K. Corral
The Searchers
usw....
Wenn ja, dann solltest Du mal Nach dieser CD-Serie Ausschau halten:


Auf diesen CD`s findet man auch kleine Gesangsraritäten von Schauspielern, z.B. von James Stewart, Kirk Douglas, Robert Mitchum oder Henry Fonda !
__________________
-----------------------------------
Immer hält der Menschenfresser, wenn er seine Beute frisst, links die Gabel rechts das Messer,weil er gut erzogen ist !!

IP: Logged

Post 15.12.2004 13:39 Post
      Profil von pfeifenkrautler ansehen    E-Mail an pfeifenkrautler schicken   pfeifenkrautler's Homepage anschauen!   Suche andere Beiträge von pfeifenkrautler Boardy Message an pfeifenkrautler schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
pfeifenkrautler
Honk


Offline



Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
Spoiler ich eigentlich zuviel? So Nacherzählungen mach ich nicht bei aktuellen Filmen, aber hier ist es ja nicht so, dass jemand sich den Film morgen anschauen wollte, oder?
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

IP: Logged

Post 15.12.2004 13:48 Post
      Profil von Kaylee ansehen    Suche andere Beiträge von Kaylee Boardy Message an Kaylee schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Kaylee



Offline



Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
Nein, im Gegenteil, dadurch kann man sich das richtig bildhaft vorstellen. Bei Filmen, die ich schon gesehen hab, wie zB Rio Bravo, werden die Bilder dadurch nochmal lebendig …*verneiig*

IP: Logged

Post 15.12.2004 14:12 Post
  Mike Hat's ICQ Status     Profil von Mike Hat ansehen    E-Mail an Mike Hat schicken   Suche andere Beiträge von Mike Hat Boardy Message an Mike Hat schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Mike Hat
Moderator


Offline



Registriert: Jun 2001
Beiträge: 1852
Das sind ja geniale Filmkritiken.
Lasst uns bitte beim näxten Katentreffen einen "John Wayne interessiert's"-Abend veranstalten.

Soll ich was zu "The Shootist" schreiben? Oder besser nicht, nachdem pk derart vorgelegt hat?

IP: Logged

Post 15.12.2004 14:35 Post
      Profil von pfeifenkrautler ansehen    E-Mail an pfeifenkrautler schicken   pfeifenkrautler's Homepage anschauen!   Suche andere Beiträge von pfeifenkrautler Boardy Message an pfeifenkrautler schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
pfeifenkrautler
Honk


Offline



Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
Natürlich. Ich kenne "The shootist" nicht, also. Ich kenne überhaupt nur vier Wayne-Western (habe aber noch drei in der Schublade liegen), ich fake also hier nur kräftig den John-Wayne-Afficionado, lass dich davon nicht abschrecken.

Im Gegensatz zu Errol Flynn habe ich John Wayne erst als Erwachsener entdeckt, als Kind kannte ich seine Filme nur bruchstückhaft. Jetzt erst entdecke ich mit wachsender Begeisterung, wie viel Charisma der Mann hatte und wieviel Charme, Witz und Qualität in den Filmen steckt (allerdings habe ich mir bisher auch die Rosinen rausgepickt, die mit den höchsten imdb-Wertungen, bei der Masse an Wayne-Western wird nicht alles toll sein).

Ich glaub', sehr wichtig ist, sich ihn im Original anzuschauen, seine Art zu sprechen ist einmalig. Ich trainier schon den ganzen Tagen, aber keine Chance..
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

IP: Logged

Post 19.12.2004 22:14 Post
      Profil von pfeifenkrautler ansehen    E-Mail an pfeifenkrautler schicken   pfeifenkrautler's Homepage anschauen!   Suche andere Beiträge von pfeifenkrautler Boardy Message an pfeifenkrautler schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
pfeifenkrautler
Honk


Offline



Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
Part III



Achtung, jetzt wird's anspruchsvoll. Nichts gegen Howard Hawks und “Rio Bravo” war wirklich ein Augenschmaus, aber The man who shot Liberty Valance kickt in einer Liga mit „High noon“, das ist einfach eine andere Klasse.

Es ist auch der erste meiner Wayne-Filme, in denen das alte Raubein nicht die Hauptrolle spielt. Im Mittelpunkt steht ein Kindheitsidol, James Stewart, ebenso schlaksig wie großartig. Wenn es einer schaffen kann, sich neben John Wayne zu behaupten, dann er. Allein das Wechselspiel dieser beiden grundverschiedenen Männer ist jede Minute des Films wert. Wie Hund und Katze, wie Wasser und Öl kreisen sie umeinander, jede Szene, in der beide zusammen auftreten, ist voller Energie. Man sollte meinen, dass John Ford nach geschätzten 2000 Western irgendwann einfach nichts Neues mehr zu erzählen hat, aber von wegen: mit „The man who shot Liberty Valance“ lieferte er 1962 das Spätwerk ab, das wohl jeder große Regisseur irgendwann bringen muss, will er in den Kino-Olymp eingehen. Wie auch in „High noon“ bedient sich „The man who shot Liberty Valance“ des Westerngenres, um eine komplexe Geschichte über Zivilcourage zu erzählen, bei John Ford kommt noch die Macht der Medien und der Abschied vom Westen dazu, ein ziemlicher Brocken, der dem klassischen Westernpublikum damals recht viel zugemutet haben dürfte.

Der Film beginnt damit, dass ein Zug einläuft. “High noon” und “Once upon a time in the west” beginnen ebenso. Soweit, so typisch. Aber dann wird es verwirrend, sowohl Kostüme wie Technik deuten auf eine sehr viel moderne Epoche hin als es der Wilde Westen war. Es gibt Strom und Telefone, niemand trägt einen Revolver, die Stadt ist sauber und aufgeräumt, der Westen ist endgültig erschlossen. Rance Stoddard (James Stewart), Senator der Vereinigten Staaten und dreimaliger Gouverneur, kehrt als angegrauter Mann auf dem Gipfel seiner Karriere in das Städtchen Shinbone zurück, in dem alles anfing. Nur seine Frau begleitet ihn, er kommt nicht in offizieller Mission, er kommt, um einem Freund Lebewohl zu sagen, er kommt zur Beerdigung von Tom Doniphon. Der, wir ahnen es, kein anderer ist als John Wayne. Ein Western beginnt damit, dass John Wayne beerdigt wird, geht es noch symbolischer?

Rance Stoddards Ankunft sorgt für Aufregung und bald schon kommt er nicht umhin, dem aufdringlichen Herausgeber des "Shinbone Stars" Rede und Antwort zu stehen. Noch bewegt vom Wiedersehen erzählt Rance in einem staubigen Schuppen, vor der spinnwebenverhüllten Ruine einer Postkutsche, die Geschichte von ihm, Tom Doniphon und Liberty Valance. Es muss für einen so großen Westernregisseur wie John Ford schon merkwürdig gewesen sein, den Wilden Westen in Rückblenden als eine versunkene Epoche zu beschreiben, eine Epoche, die er zuvor jahrezehntelang in zahllosen Filmen zum Leben erweckt hatte. Wenn es einen "Abschied vom Western" gibt, dann ist es dieser Film.

Wir drehen also die Zeit zurück, 30 oder mehr Jahre, Stoddard, ein milchgesichtiger Jurist, frisch von der Akademie, folgt dem Ruf des Westens und kommt in das kleine, raue Städtchen Shinbone, am Rande der Wüste, irgendwo im Nirgendwo. Noch vor der Stadtgemarkung wird die Postkutsche überfallen und Rance macht seine erste, unerfreuliche Bekanntschaft mit Liberty Valance, dem berüchtigtsten Schurken der Umgebung. Ausgeraubt und zusammengeschlagen findet ihn Tom Doniphon und bringt das halbtote Greenhorn ins örtliche Lokal, dass eine schwedische Einwandererfamilie führt. Sie sind so was wie Doniphons Ersatzfamilie, ein kleiner, eingeschüchterter Vater (John Qualen, der fast dieselbe Rolle bereits in „The searchers“ spielte), seine resolute Frau und ihre nicht minder resolute, gutausehende Tochter Hallie. Ihr Lokal, eher ein Steakhaus als ein Saloon, ist das warme Herz der Stadt. Hier bekommt jeder sein gigantisches Steak mit Bohnen und Kartoffeln, die ständig dampfende, brutzelnde Küche ist die zentrale Bühne des Films, immer wieder treffen sich hier die Protagonisten, viele wichtige Szenen spielen sich zwischen Pfannen und Töpfen ab.

Schnell zeigt sich, dass Rance Stoddard, das Milchgesicht, aus härterem Holz geschnitzt ist, als man meinen möchte. Noch kaum ärztlich versorgt schmiedet er schon Pläne, wie er Liberty Valance vor Gericht bringen kann. Rance ist ebenso naiv wie eigensinnig, ein sturer Bock, der sich auch nicht einschüchtern lässt, als es ihm nach und nach klar wird, in welcher Diaspora er da eigentlich gelandet ist. Der Arzt ist ständig betrunken, der Marschall ein feiger, nichtsnutziger Fettsack und die halbe Stadt kann nicht lesen und schreiben. Seine Gesetzbücher, die ihm Liberty wie zum Spott ließ, scheinen von keinem großen Nutzen zu sein, hier draußen. Tom macht ihn das freundlich, aber unmissverständlich klar, besonders, als er von Stoddards Absicht erfährt, eine Kanzlei zu eröffnen.

"If you put your sign out in the street, you'll have to defend it with a gun, Pilgrim." Tom nennt Rance den ganzen Film hindurch liebevoll-spöttelnd Pilgrim, er kann diesen komischen, schlaksigen Kerl schlecht einschätzen. Kommt in den Westen, beladen mit Gesetzesbüchern, weigert sich, eine Waffe zu tragen, aber will Liberty Valance zur Strecke bringen! Bei Tom mischen sich Mitleid, Spott und Respekt. Tom Doniphon ist eine wundervolle Rolle für den sichtlich gealterten Wayne: ein Mann der alten Schule, Viehtreiber, Rumtreiber und Abenteurer, aber mit dem Drang, sich irgendwann zur Ruhe zu setzen, ein Mann, der sieht, dass die alte Westernherrlichkeit nicht ewig dauern wird, ein Mann, der tief drinnen weiß, dass die Zukunft schlaksigen Rechtsanwälten gehört. Falls sie nicht vorher von Kerlen wie Liberty Valance umgenietet werden.


Irgendjemand auf Ärger aus?

"Liberty is fast, Pilgrim. And he's the toughest guy south of the Picketwire. Next to me." Natürlich. Tom stellt sehr früh klar, wie die Hierarchien verteilt sind. Er ist sein eigener Boss, und ein verdammt harter Knochen, das sollte keiner vergessen. Aber ist ein "Guter", er will keinen Streit, nicht mal mit Schurken wie Valance. Er fürchtet Valance nicht, als vielleicht der einzige Mann der ganzen Gegend, aber er sieht auch keinen Grund, sich mit ihm und seinen Spießgesellen anzulegen. Es wird schnell deutlich, dass Tom und Liberty sowas wie die beiden Seite derselben Münze sind: beide sind sie Vertreter des rauen Westens, Männer, die nur ihrer Waffe vertrauen und die ihr unabhängiges, unstetes Leben lieben. Wobei Tom noch was vor hat, er hat schon lange die hübsche Hallie ins Auge gefasst, er kann sich einen geruhsamen Lebensabend im Familienkreis vorstellen. Liberty und Tom sind zwei Männer, die aus derselben Richtung kommen, aber verschiedene Wege einschlugen. Tom weiß, dass die ständig wachsende Bauernbevölkerung südlich des Flusses irgendwann die freie, wilde Ära der großen Ranchen beenden wird, er muss das nicht gut finden, aber er stellt sich drauf ein. Liberty weiß es vielleicht auch, stemmt sich aber mit Gewalt gegen jede Änderung. Und mittendrin steht nun dieser merkwürdige Rechtsanwalt, der anscheinend keine Angst kennt und wie ein Katalysator die Dinge ins Rollen bringt. Vorher aber will ich eine Schlüsselszene beschreiben, die Szene, in der alle drei Protagonisten erstmalig zusammentreffen:

Es ist Samstagabend, das Lokal ist brechend voll, in der Küche herrscht Hochbetrieb. Rance spült Geschirr, er will sich nützlich machen und ist sich für keine Arbeit zu schade. Die Frauen schmeißen den Laden und Tom hat sich in Schale geworfen, er wandelt, noch etwas unbeholfen, auf Freiersfüßen. Alle sind sie da, der Marshall stopft sich mit Steaks voll und Mr. Peabody, Gründer und Herausgeber des winzigkleinen "Shinbone Stars", versucht mal wieder vergeblich, der dickköpfigen Hallie etwas Zivilisation beizubringen, "I told you a hundred times, the fork on the left side, the knife on the right!“ – „Why, are you superstitious?“ .

Da geht die Tür auf und Liberty Valance und seine beiden Handlanger, die ihm nie von der Seite weichen, kommen rein. Schlagartig wird es totenstill. Liberty genießt die Wirkung, die er hervorruft, sie schmeichelt seinem Ego (einer seiner Handlanger ist übrigens Lee van Cleef, der später als Bösewicht in „The good, the bad and the ugly“ selber Schurkengeschichte schrieb). Sporenklirrend schreitet er durch den Raum, schmeißt drei kleine Cowboys kurzerhand raus und er und seine Männer machen sich über deren Teller her. Lee Marvin liefert hier einen prachtvollen Schurken ab, roh, ungezügelt, verkommen, aber mit einem gewissen Stil. Schwarze Klamotten, protzig mit Silbernieten und Stickereien verziert, eine Reitpeitsche mit Silberknauf, sein Markenzeichen, ja, er liebt den großen Auftritt. Leider kommt ihm sein jähzorniges Wesen immer wieder selber in die Quere, er kann letztendlich nicht aus seiner Haut, er ist und bleibt ein Rabauke. Das ärgert ihn vielleicht am meisten und niemand ist vor seiner Wut sicher. Raubtierhaft, lauernd und gefährlich sitzt Liberty zwischen den biederen Siedlern und breit grinst er, als Rance mit einem Tablett beladen in die Wirtsstube stolpert. "Look, the new waitress!" höhnt Liberty und lässt Rance, der ihn zu ignorieren versucht, samt Tablett über sein Bein stolpern. Die Schurken amüsieren sich köstlich, da steht Tom Doniphon auf. Er steht nur auf, sonst nichts, aber schlagartig kippt die Stimmung: Liberty und seine Handlanger springen auf, die Hand am Colt, alle Augen sind auf Tom gerichtet, niemand mehr beachtet den Rechtsanwalt am Boden. Tom steht einfach nur da, mitten im Raum, die Daumen lässig unter den Gürtel geschoben, er fixiert Liberty. "That was my steak, Valance." Liberty blinzelt nervös, Mist, dumm gelaufen. Tom Doniphon ist der einzige, vor dem Liberty Respekt, wenn nicht sogar etwas Angst hat. Liberty tut etwas, was er sichtlich ungern tut, er lenkt ein und wendet sich an Rance, der immer noch am Boden liegt. "Okay, you heard it, dude, so pick it up!" Doch so einfach lässt ihn Tom nicht gehen, Liberty hat sich in letzter Zeit bereits zuviel herausgenommen und nun ist Schluss. "No, Valance. YOU pick it up." Es riecht nach Ärger.


Wir entschuldigen uns für die Bildstörungen.

"One against three, Doniphon..." Liberty steht angespannt wie eine Katze vor dem Kampf im Raum, er weiß nicht, wie weit Tom gehen wird. Tom schüttelt den Kopf und zeigt in einer unbeschreiblich lässigen Geste zur Küchentür. "My boy Pompey in the kitchen door." Nur nicht zuviel Worte machen, wir sind im Westen. Alle Blicke gehen zur Durchreiche, dort steht Pompey, ein baumlanger, wortkarger Schwarzer, Toms rechte Hand und ihm in einem altmodischen Herr-Diener-Verhältnis treu ergeben (Woody Strode, der in der ersten Szene von „Once upon a time in the west“ erschossen wird. All die Querverweise wären noch mal eine eigene Untersuchung wert..). Pompey lässt den Hahn der Winchester knacken, die er auf Liberty gerichtet hat und keinen Zweifel daran, was passieren wird, wenn dieser auf dumme Gedanken kommt. Das ist eine wichtige Stelle, sie zeigt, Doniphon ist kein Draufgänger, er sichert sich immer den Rücken. Er will keinen Streit um des Streites Willen, aber er wird ihm auch nicht aus dem Weg gehen, wenn es denn sein muss. Die Ruhe selbst wiederholt er: "I said, you pick it up!" Liberty und Tom stehen sich nun auf Armeslänge gegenüber, keiner lässt den anderen aus den Augen, ein Kampf scheint unausweichlich. Da durchbricht plötzlich Rance, bohnenbekleckst wie er ist, die angespannte Stille, wütend blafft er die beiden Streithähne an: "I pick it up! You see?! I pick it up, here is your steak!! For christ’s sake, is everybody kill-crazy in this country?"

Sein Wutausbruch lässt die Duellanten leicht lächerlich aussehen, wie sie da immer noch Nase an Nase stehen, die Stimmung schwenkt nun wieder um, es wird keinen Kampf geben. Rance ist vielleicht kein Westernheld, aber er hat Mumm in den Knochen. Liberty tritt den Rückzug an, kochend vor Wut. In dieser grandiosen Szene ist John Waynes Ausstrahlung fast körperlich zu spüren. Unglaublich seine Leinwandpräsenz, der Raum ist bis in jeden Winkel angefüllt nur mit ihm. Er macht praktisch nichts, er benutzt extrem reduzierte Mimik und Gestik und seine Sprechzeilen des ganzen Films könnte man auf eine Serviette kritzeln, aber was für eine Ausstrahlung! So eine körperliche Wucht kenne ich sonst nur noch bei Marlon Brando.

Nach diesem Zusammenstoß ist Rance in den Familienkreis aufgenommen und während Tom für eine Weile nach Norden geht, Pferde treiben, beginnt Rance sein Zivilisierungsprojekt: er steigt beim "Shinbone Star" ein und zeigt dem ebenso idealistischen wie versoffenen Mr. Peabody, was professionelle Medienarbeit ist und er unterrichtet Kinder und Erwachsene im Hinterzimmer der Redaktion in Lesen, Schreiben und Verfassungskunde. Er lässt Pompey die Unabhängigkeitserklärung aufsagen, "We held these truth for be self-evident, that all men are created equal..", das aus dem Mund eines Schwarzen muss 1962, zu Zeiten strikter Rassentrennung, eine recht klare Aussage gewesen sein. Pompey bekommt es nicht mehr richtig zusammen, "Sorry, I plumb forgot the words..", Rance winkt ab, "A lot of people forget these lines." Und da soll noch einer sagen, Western wären unpolitisch... Und Hallie, die süße Hallie, hat sich mittlerweilen hoffnungslos in den langen Lulatsch verguckt. Armer Tom.

Dann kehrt Tom aus dem Norden zurück und mit ihm kommen Probleme - die Viehbarone haben den Siedlern südlich des Flusses den Krieg erklärt. Jetzt wird's erst richtig kompliziert: die Siedler streben an, dass das territory zum Bundesstaat erklärt wird, das würde ihnen Bundesrechte bringen, Gesetz und Fortschritt würden einziehen, Rance unterstützt diese Forderungen mit all seiner neuen Autorität. Die Viehzüchter wollen den Status der open range erhalten, der uralte Kampf zwischen Bauern und Nomaden. Sie haben Liberty und seine Männer angeheuert, um die anstehende Wahl zu stören. Liberty sieht diesen Job als Gelegenheit, auch gleich seine privaten Dinge zu regeln. Tom und Rance stehen dabei ganz oben auf seiner Liste. Es kommt zu einer tumultartigen Abstimmung, Liberty kämpft gegen die Fortschrittsbegeisterung der Siedler wie gegen Windmühlen, schließlich besinnt er sich auf das, was er kann und fordert Rance unmissverständlich heraus: "You'll leave the town today or you'll meet me in the street tonight!"


So sieht übrigens ein Schurke aus.

Der Abend bricht herein und Rance muss sich entscheiden: gehen oder bleiben? Sich einem killwütigen Revolverhelden stellen oder alles aufgeben, was er erreicht hat? Tom bietet ihm eine Fluchtmöglichkeit an, weiter gehen seine Hilfsangebote nicht. Er hat Rance immer gewarnt, da muss das starrköpfige Greenhorn nun selber durch. Es wird dunkel, in den Kneipen geht das Licht an und die ganze Stadt wartet auf das, was kommen wird..

Nun, der Titel des Filmes verrät es bereits, Liberty Valance wird erschossen, von wem auch immer, und mit ihm stirbt der alte Westen und der Fortschritt kann einziehen im staubigen Grenzland. Die Eisenbahn wird kommen, neues Ackerland wird erschlossen werden, Schulen und Kirchen werden aus dem Boden schießen, Einwanderer werden sie füllen und für Leute wie Liberty und Tom wird kein Platz mehr sein.

Der Film geht nach dem Duell noch eine ganze Weile weiter, der politische Aufstieg von Rance scheint unaufhaltsam und noch einmal taucht Tom auf, unrasiert, staubig, alt, wie ein Schatten aus der Vergangenheit, und die beiden ungleichen Männer sprechen sich aus, in einer bewegenden und großartigen Szene. John Wayne gibt alles, er spielt vielleicht immer ähnliche Typen, aber die immer mit Haut und Haar. Hier, in der letzten gemeinsamen Szene der beiden, lässt sich zwischen den Zeilen das ganze Ausmaß der Geschehnisse herauslesen, eine großartige und todtraurige Geschichte über Freundschaft und Verzicht, über Liebe und Loyalität. Und dann verschwindet Tom wie ein Gespenst und die Zukunft kann kommen. Der Film endet, wie er begann, mit einer Zugfahrt. Und mit dem berühmten Resümee des Zeitungsmannes (dem ja die ganze Geschichte erzählt wurde): "This ist the west. If the legend becomes fact, print the legend."
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

IP: Logged

Post 19.12.2004 23:08 Post
      Profil von Kaylee ansehen    Suche andere Beiträge von Kaylee Boardy Message an Kaylee schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Kaylee



Offline



Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029


*verneiig*


total genial!



Eine Sache ist mir noch aufgefallen: Bei den ganzen Anspielungen wird doch der Name 'Liberty' nicht zufällig so gewählt worden sein, oder?

Der junge Jurist bringt das Gesetz nicht mit dem Revolver sondern mit der geschriebenen Schrift (erinnert ja auch ein bisschen an Moses mit seinen Gesetzestafeln (das war doch Moses?!)) in die Wildnis, wo bisher nur 'Liberty' herrschte…

Kann so jemand wie Liberty nur mit seinen eigenen Waffen und Werten geschlagen werden? Ist dann die Grundlage der modernen Werte doch nur auf dem Willen der Gewaltanwendung (eben der alten Werte) möglich?

IP: Logged

Post 19.12.2004 23:24 Post
      Profil von pfeifenkrautler ansehen    E-Mail an pfeifenkrautler schicken   pfeifenkrautler's Homepage anschauen!   Suche andere Beiträge von pfeifenkrautler Boardy Message an pfeifenkrautler schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
pfeifenkrautler
Honk


Offline



Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
Ich stell gerade fest, dass sich meine Beitragslänge von 1200 über 1600 auf nun 2400 Wörter glatt verdoppelt hat. Ich verspreche, bei der nächsten Besprechung unter 1000 Wörtern zu bleiben.

@Kaylee: Tja...Tom glaubt ja auch wie Liberty an das Gesetz der Waffen und macht sich über Rance lustig. Aber Liberty beißt ins Gras, Rance wird Senator und Tom stirbt einsam und verarmt. Wer hatte also recht?

Da ich nicht alles verraten wollte, fehlt ja auch noch ne Menge in meiner Besprechung, die Rolle der Medien, die unglückliche Liebe, das Opfer, das gebracht wird.... da steckt soviel drin. Ich glaub', ich habe einen neuen Lieblingsregisseur.
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

IP: Logged

Post 19.12.2004 23:37 Post
      Profil von Kaylee ansehen    Suche andere Beiträge von Kaylee Boardy Message an Kaylee schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Kaylee



Offline



Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
Zitat:
der pk schrieb:
Tja...Tom glaubt ja auch wie Liberty an das Gesetz der Waffen und macht sich über Rance lustig. Aber Liberty beißt ins Gras, Rance wird Senator und Tom stirbt einsam und verarmt. Wer hatte also recht?


Nein, ich meine nicht, wer Recht hat, sondern worauf sich dieses Recht aufbaut. Schliesslich heisst es nicht 'der, der Liberty verhaftete' oder 'seiner gerechten Strafe zuführte'. Wer an Liberty vorbei will, kann ihn eben nicht mit Worten, sondern nur mit der von ihm gewählten Waffe schlagen. Ist das nicht gleichzeitig auch, wenn nicht eine Bankrotterklärung, so doch eine sehr starke Einlenkung der Kraft der 'neuen Werte'?

IP: Logged

Post 20.12.2004 02:42 Post
      Profil von Alex. ansehen    Suche andere Beiträge von Alex. Boardy Message an Alex. schicken         Editieren oder Löschen    Zitieren    Post verschieben
Alex.



Offline



Registriert: Aug 2002
Beiträge: 538
**donnernder Applaus**

Respekt, Pfeifenkrautler! Gut geschrieben, informativ, analytisch und amüsant, es ist ein Genuß, diese Filmrezensionen zu lesen!

Ich hoffe, du verlierst nicht die Lust daran. Wenn ich Zeit hätte, würde ich selber gern etwas in diesem Stil schreiben, aber die hab ich nicht. Und ich könnte es auch nicht so gut, glaub ich.

Allerdings bin ich bei einigen Details bezüglich der Ford-Filme unterschiedlicher Meinung. Aber das müßte man persönlich diskutieren.

John Ford hat eine große Rolle für die Schauspielerkarriere von Marion Michael Morrison alias John Wayne gespielt. Im Jahr 1939, nach "Stagecoach", der damals ebenso ein Meilenstein war wie später "The Searchers", und als Wayne immerhin schon seit 13 Jahren im Filmgeschäft war und 80 Filme gedreht hatte, bekam er von John Ford eine Geburtstagstorte mit einer einzigen Kerze und der Aufschrift:
You're an actor now.

Wenn du dir noch ein paar *gute* Western anschauen willst, würde ich die "Kavallerie-Trilogie" von John Ford empfehlen:
"Fort Apache" (1948), ein Film, der bereits das Thema der Legendenbildung des amerikanischen Westens behandelt (hier in lockerem Bezug auf Custer's Last Stand), das später in "Liberty Valance" zur vollen Entfaltung gelangte, mit einem hervorragenden leicht geisteskranken Henry Fonda und mit John Wayne.
"She Wore a Yellow Ribbon" (1949) und
"Rio Grande" (1950), beide mit John Wayne. In Rio Grande gibt es eine interessante Ehekonstellation zwischen Wayne und Maureen O'Hara: Sie hat ihm nie vergeben, daß er als Bürgerkriegsoffizier ihre Besitzung niederbrennen mußte (auf Befehl hin) und im Verlauf des Films finden sie wieder zusammen, vor allem durch die gemeinsame Sorge um ihren Sohn, der als Kavallerierekrut unter seinem Vater dient.

Im Grunde ist es lohnender, sich John-Ford-Filme anzusehen als John-Wayne-Filme. Seine besten Darstellungen hat Wayne meiner Ansicht nach in Ford-Filmen gegeben – und in solchen von Howard Hawks. "Red River" (1948), ein Viehtreck-Western mit Stiefvater-Pflegesohn-Konflikt (der meiner Meinung nach besser ist als Rio Bravo und El Dorado zusammengenommen). Mit John Wayne, Walter Brennan, Montgomery Clift und einer wunderbaren Darstellung von Joanne Dru.

Zu Fords Ehrenrettung bezüglich seines Indianerbildes muß auf "Cheyenne Autumn" (1964) verwiesen werden, ein Alterswerk, das als Film vielleicht nicht die Qualität seiner Meisterwerke erreicht, aber bei dem die Sympathien des Zuschauers (und des Regisseurs) ganz auf Seiten der Indianer liegen. (Die für den Film engagierten "Cheyenne" waren übrigens Navajos, und in den Szenen mit Indianersprache erzählen sie sich dreckige Witze auf Navajo).

IP: Logged

  Dieses Thema ist 4 Seiten lang:    1   [2]   3   4   < Voriges Thema     Nächstes Thema >

Boardy.de > Fun, Lifestyle & Freizeit > Tylers Kneipe > Bewegte Bilder

Moderator-Operationen:

Thema öffnen/schliessen
Thema löschen
Thema editieren
Thema verschieben
Thema archivieren
Thema sticken

Wer kann im Forum lesen? Mitglieder oder Gäste. - Wer kann neue Themen erstellen? Mitglieder. - Wer kann Antworten erstellen? Mitglieder. - Änderungen: Beiträge können von ihren Verfassern editiert und gelöscht werden. - Beiträge: HTML ist ausgeschaltet. Smilies sind eingeschaltet. vB code ist eingeschaltet. [IMG] code ist eingeschaltet.

Diese Seite als E-Mail verschicken
Druckbare Version anzeigen

    Neues Thema eröffnen  Antwort erstellen

www.underground.de.be | Kontakt

Board gehostet von Boardy - Das Kommunikationsportal - Kostenloses Forenhosting