Filme, die mein Leben veränderten


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Filme, die mein Leben veränderten    Dieses Thema ist 6 Seiten lang:    1   [2]   3   4   5   6   < Voriges Thema     Nächstes Thema >
Post 27.12.2004 16:34 Post
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Kaylee



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Post 27.12.2004 17:31 Post
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pfeifenkrautler
Honk


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"Filme, die mein Leben veränderten" war natürlich auch ein bewusst überspitzter Threadtitel, sonst liest das ja keine Sau. Korrekter wäre "Filme, die mich in einer prägenden Lebensphase äh..geprägt haben" oder so. Wir hatten es in einem anderen Thread darüber, so kam ich drauf.

Würde ich hier chronologisch fortfahren, käme jetzt wohl "Stand by me", dann "Back to the future I" und dann "Dead poet's society", alles Filme, die ich im Alter ihrer Protagonisten erstmalig sah und die mich nachhaltig beeindruckt haben. Aber ich glaube, ich habe bereits woanders über alle drei mich ausgelassen, das könnte zu wiederholend werden.
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Post 03.01.2005 23:53 Post
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Gimli,der Zwerg
Schantall


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Zitat:
pfeifenkrautler schrieb:
Zitat:
Und wo wir gerade dabei sind: Hat mal ein Philosoph eine knappe Antwort auf die Frage gegeben "Warum bin ich hier?"?
Weil du uns vermisst hast. Willkommen zurück, Zwerg
Also so wollte ich das eigentlich nicht verstanden wissen.

Und Filme haben Lebensphasen von dir geprägt? Wie funktioniert denn sowas? Vorallem bei Filmen wie "Zurück in die Zukunft"?! Ich liebe die Trilogie zwar auch, aber wie kann einen sowas beeinflussen? Hast du auf die Moral der Geschicht gehört und dem Gruppendruck widerstanden, du feige Sau?

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Post 04.01.2005 09:59 Post
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pfeifenkrautler
Honk


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Gimli, du verstehst das nicht.
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Post 04.01.2005 10:53 Post
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GuyIncognito
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@Gimli
Er hat sich nen Flux-Kompensator gebaut, damit Millionen gemacht und uns das allen verheimlicht - Er ist jetzt reich wie Rockefeller
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Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie dann ihren Standpunkt.
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Post 04.01.2005 14:20 Post
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Honk


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Finally, a comedy that will change the way you think, the way you feel, and most importantly... the way you dress.


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Post 04.01.2005 14:49 Post
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Honk


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Zitat:
Gimli schrieb: Und was noch viel schlimmer ist: Selbst jetzt, nachdem ich der Meinung bin, dass ich durch das ganze Drumherum negativ beeinflusst wurde und ich alles ziemlich doof finde, beeinflusst es mich immer noch!

Zitat:
Gimli fragte sich kurz darauf: Ich liebe die Trilogie zwar auch, aber wie kann einen sowas beeinflussen?



Alles, was ich aufnehme, beeinflusst mich. Und wenn ich in so prägungssensiblen Phasen wire Kindheit und Pubertät so etwas emotionales und manipulierendes wie Filme aufnehme, ganz besonders. Nur aus Trotz werde ich hier bald mit einer "Stand by me"-Kritik fortfahren, die sich gewaschen haben wird.
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Post 04.01.2005 21:02 Post
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Gimli,der Zwerg
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Ich bekomme jeden Tag mehr das Gefühl, dass alle Menschen sich manipulieren lassen und zwar rund um die Uhr, während ich daneben stehe, mich nicht verändere und so bin wie ich war und sein werde. Ich weiß schon warum ich am liebsten unsterblich wäre und all die Veränderungen beobachten würde. Kann man Veränderungsbeobachter studieren?

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Post 04.01.2005 23:57 Post
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Ich hab soeben "Stand by me" nochmal gesehen. Hach...
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Post 05.01.2005 19:34 Post
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Filme, die mein Leben veränderten, Folge II



Stand by me – das Geheimnis eines Sommers

Ich hatte nie wieder solche Freunde wie damals, als ich zwölf war. Aber mein Gott, wer hat die schon?

1986 war ich nicht zwölf, sondern fünfzehn und mittendrin im pubertären Durcheinander. Und ich sehe es bis heute als schicksalshafte Fügung an, dass ich „Stand by me“, einen Film über das Ende der Kindheit, am gleichen Tag sah, an dem ich zum ersten mal betrunken war. Kann man Pubertät besser symbolisieren? Wir waren auf Klassenfahrt in Trier, und nachdem uns unser Lateinlehrer den ganzen Tag lang durch staubige Ruinen geschleift hatte, stand eine Weinprobe auf dem Programm und wir schlugen alle gehörig über die Strenge. Komische Idee für eine Klassenfahrt, so im Nachhinein gesehen, am hellichten Nachmittag taumelten 30 deutlich angetrunkene Halbwüchsige durch die Trierer Altstadt. Der Abend war frei und ich zog, wieder halbwegs nüchtern, mit Freunden durch die Stadt, um die kurze Zeit bis zum jugendherberglichen Zapfenstreich zu nutzen. In die Kneipen kamen wir nicht rein, die Mädchen hatten wir irgendwie verloren, da lief uns ein Kino über den Weg. Ein Film nach einer Stephen-King-Novelle, vier Jungs, die eine Leiche suchen, das klang vielversprechend. Mit brummenden Köpfe machten wir es uns im winzigen Plüschkino bequem und obgleich die Erwartung eines Gruselschockers nicht erfüllt wurde, war ich nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil.



Ich war zwölf, als ich zum ersten mal einen toten Menschen sah. Das war 1959, das ist lange her. Aber nur, wenn man die Zeit in Jahren misst.

Es ist der Sommer 1959 in Castle Rock, dem Archetypus der amerikanischen Kleinstadt, Heimatort für zahlreiche King’sche Schreckensszenarien, von „Cujo“ bis „Es“. Hier nun aber friedlich unter einer glühenden Septembersonne dösend. Es sind die letzten heißen Tage eines ungewöhnlich heißen Sommers und der kleine Gordon Lachance, Stephen Kings jüngeres Ich, spielt mit seinen Freunden Karten im selbstgebauten Baumhaus auf einem zugewucherten Brachgelände. Stephen King stammt aus ärmlichen Verhältnissen, seine alleinerziehende Mutter musste ihre drei Kinder mit Näharbeiten durchbringen und an Urlaub war nicht zu denken. Während die Kinder der bessergestellten Familien in den Ferien verreist waren, verbrachte der kleine Stephen die langen heißen Sommer seiner Kindheit mit den Kindern der Trinker- und Herumtreiberfamilien, mit dem „white trash“ seiner Heimatstadt. Und so schlägt auch Gordie die letzten Ferientage mit dem dicken, etwas unterbelichteten Vern tot, mit dem halbverrückten Brillenträger Teddy und mit dem bulligen, aber großherzigen Chris, dem jüngsten der berüchtigten Chambers-Brüder. Diebe und Kleinkriminelle und jeder in Castle Rock wusste, dass auch aus Chris ein Dieb werden würde, inklusive ihm selbst. Sicher nicht die Art Freunde, die sich Mittelschichtseltern für ihren Sohn erhoffen, aber Gordon war diesen Sommer zu Hause zum „unsichtbaren Mann“ geworden: sein älterer Bruder Dennis war im Frühjahr bei einem Verkehrsunfall gestorben und seine Eltern taumeln seitdem wie Schlafwandler durch den Alltag. Was Gordie tut, wann er kommt und geht, es kümmert sie nicht. Er ist nicht existent und er leidet furchtbar unter dem Gefühl, ignoriert und ungeliebt zu sein. Unter dem Äußeren eines dürren, kleinen Jungen brodeln düstere Emotionen, Wut, Trauer und Schuldgefühle. Ab und zu blitzen sie in kurzen Ausbrüchen überraschender Aggressivität durch und nur Chris, der älter und reifer ist als die anderen und der bereits die Schattenseiten des Lebens ausreichend kennengelernt hat, ahnt, was in Gordon vor sich geht. Ein unsichtbares Band schweißt die beiden äußerlich so unterschiedlichen Jungen zusammen, eine tiefe, nie ausgesprochene Freundschaft, bei der Teddy und Vern letztendlich außen vor bleiben müssen.

Doch erst mal ist es Vern, der die Sache ins Rollen bringt: er belauschte seinen großen Bruder, ein halbstarker Nichtsnutz, der bei einer Spritztour in einem gestohlenen Buick über die Leiche von Ray Brower gestolpert war. Ray war ein Junge in ihrem Alter, der vor einigen Tagen nicht mehr vom Blaubeerpflücken zurück kehrte. Die Suchaktion der Polizei war bisher erfolglos, kein Wunder, er war weit gekommen. Er musste getrampt sein, denn er lag nun 30 Meilen entfernt neben den Zuggleisen der GS & WM-Linie am Royal River, weit draußen in den Wäldern. Ein Zug musste ihn im aufkommenden Dunkeln erfasst haben und sein junges Leben wurde geknickt wie ein dürrer Zweig. Die vier Freunde beschließen, den Jungen zu suchen, sie würden berühmt werden, vielleicht sogar ins Fernsehen kommen! Und sie müssen es schnell tun, bevor die großen Jungs auf die gleiche Idee kommen (wegen des gestohlenen Wagens wollen diese die Sache erst mal unter den Teppich kehren). Es waren die 50er und Sommerferien, es ist für keinen der vier ein Problem, sich für zwei Tage von zu Hause abzusetzen, man campt in Verns Garten, so die offizielle Version. Eine glückliche, freie Zeit, heute kaum noch vorstellbar. Mit Schlafsäcken, Trinkflaschen und einem Rucksack notdürftig ausgerüstet, brechen die vier ungleichen Freunde gegen Mittag auf, in brüllender Hitze wandern sie zu den Gleisen, denen sie nun bis zum Royal River folgen wollen. So können sie die Leiche nicht verfehlen. Immer den Gleisen nach, und das Abenteuer beginnt.



Der Film schwelgt im Sommer, in der Darstellung eines Kindersommers, der nostalgisch und gleichzeitig ewig jung ist. Wer kennt es nicht, durch die Wiesen streifen, die Pollen verfangen sich in den Haaren, Gräser jucken auf der Haut, Insekten tanzen, die Nase pellt sich und jeder Tag ist so lang wie ein halbes Leben. Ich kenne keinen Film, der dieses Gefühl so überzeugend auf die Leinwand bringt. Man möchte sich seine kurzen Hosen anziehen, das Taschenmesser einstecken und noch mal zwölf sein. Ein handverlesener Soundtrack mit Fifties-Musik tut ein übriges.

Die Stunden ziehen dahin, die Kinder kommen gut voran. Sie singen und tanzen, sie erzählen sich Geschichten und verschlucken sich fast vor Aufregung über ihr großes Abenteuer. Allerlei Gefahren sind zu meistern, Teddy, der einen ganz klaren Dachschaden hat, will einem Zug ausweichen und wird von Chris, dem fürsorglichen und unausgesprochenen Führer der Gruppe, in letzter Sekunde von den Gleisen gezerrt. Sie müssen vor einem Schrottplatzköter flüchten (der auf einen realen Hund aus Kings Kindheit zurückgeht und nach dessen Vorbild auch Cujo entstand) und geraten bei der Überquerung einer schwindelerregenden Brücke in Lebensgefahr. Zwischendurch aber sind sie so ausgelassen und voller Lebenslust, wie man es als Kind nur sein kann:

“Es ist wirklich gut“, sagte Vern, und damit meinte er nicht nur die Tatsache, dass wir uns unerlaubt in der Deponie aufhielten, dass wir unsere Eltern angeschwindelt hatten und dass wir auf den Gleisen nach Harlow laufen wollten. Das alles meinte er zwar auch, aber wenn ich heute darüber nachdenke, scheint mir, dass noch etwas hinzukam und dass wir alle es wussten. Es war die ganze Atmosphäre. Wir wussten genau, wer wir waren und wohin wir wollten. Es war herrlich.
(Stephen King, „Die Leiche“)


Als die Nacht hereinbricht, machen sie ein Lagerfeuer und verbringen einen Abend, wie ihn sich ein Junge nur träumen kann: Hackfleisch grillen, gestohlene Zigaretten rauchen und über die Dinge reden, über die Jungen reden, solange sie die Mädchen noch nicht entdeckt haben: “Also gut, Mickey ist eine Maus, Donald eine Ente, Pluto ein Hund – was ist Goofy?“ Gordie, dessen Kopf voller kruder Geschichten steckt, erzählt eine wunderbare Moritat, „Riesenarsch Hogans Rache“, eine derbe, wilde Kotzgeschichte, die den eher ruhigen und ernsten Film auflockert.

Der nächste Morgen beginnt mit der stillsten und vielleicht schönsten Szene des Films. Gordon, der eher ruhig und in sich gekehrt ist, solange er nicht Geschichten erzählt, ist schon früh auf, sitzt auf den Gleisen und liest ein Comic, während um ihn herum der tauglänzende Wald erwacht. Da tritt ein Reh aus dem Unterholz, nur wenige Schritte entfernt. Die beiden schauen sich an, niemand bewegt sich und Gordie hat ein klassisches Zen-Erlebnis. Hier zeigen sich die Grenzen des Mediums Film, im Buch wird das deutlicher:

Ich bewegte mich nicht. Ich hätte es gar nicht können. Ihre Augen waren nicht braun, sondern ein dunkles staubiges Schwarz, wie der Samt, auf dem Juwelen ausgestellt werden. Ihre kleinen Ohren sahen aus wie abgetragenes Wildleder. Sie sah mich freundlich an und hielt den Kopf leicht gesenkt. Sie sah einen Jungen mit vom Schlaf zerwühltem Haar, in Jeans mit Aufschlägen und einem braunen Khakihemd mit geflickten Ellenbogen und hochgeschlagenem Kragen und war wahrscheinlich sehr neugierig. Was ich sah, war ein Geschenk, das mit einer Sorglosigkeit dargeboten wurde, die etwas Erschreckendes an sich hatte.

Nach wenigen Sekunden schreckt das Reh auf und verschwindet im Wald. Gordie gesellt sich zu seinen Freunden, die sich kratzend und gähnend erwachen:

Es lag mir auf der Zunge, ihnen von dem Reh zu erzählen, aber ich ließ es. Ich behielt es für mich und bis heute habe ich darüber weder gesprochen noch geschrieben. Ich muss gestehen, dass es sich geschrieben weniger wichtig ausnimmt, fast bedeutungslos. Aber für mich war es das schönste Erlebnis auf unserer Expedition und auch das reinste, und immer wenn ich später im Leben in Schwierigkeiten steckte, habe ich mich fast hilflos an diesen Augenblick erinnert. (....) Aber 800 Millionen Rotchinesen kümmert das einen Scheißdreck, nicht wahr? Die wichtigsten Dinge lassen sich am Schwersten ausdrücken, denn Worte verkleinern sie.

Am zweiten Tag wird die Stimmung zusehends düsterer. Allen ist klar, mit jedem Schritt kommen sie der verstümmelten Leiche eines Jungen näher und keiner fühlt sich wohl dabei. Gordon entdeckt, dass ihn ein immer stärker werdender Zwang antreibt, er muss die Leiche einfach sehen, es wird fast zu einer Besessenheit. Immer wieder treibt er Vern und Teddy an und je entschlossener und düsterer Gordon wird, umso mehr tritt Chris hinter ihn zurück. Nach einem traumatischen Erlebnis mit Blutegeln bei der Durchquerung eines ekelhaften Tümpels übernimmt nun der willensstarke Gordon vollends die Führung der kleinen Truppe. Alle, auch Chris, erkennen seine Autorität an, und Chris, hinter dessen Fassade eines Halbstarken sich ein großer Menschenkenner verbirgt, ahnt, was Gordon umtreibt. In zwei bewegenden Dialogszenen breiten die Jungen ihre Seelen voreinander aus, Chris verzweifelt an der Vorherbestimmtheit seines Lebens als „white trash“ und Gordon beweint die Hartherzigkeit seiner Eltern. Wie zwei Ertrinkende klammern sich die Jungen aneinander und geben sich den Halt, den sie von ihren Familien nicht bekommen. Dann finden sie die Leiche.



Das Wetter ist mittlerweilen umgeschlagen, ein Gewitter kündigt sich an und beim ersten einsetzenden Regen stolpern die Jungs die Böschung am Bahndamm herunter und stehen nun vor der Leiche von Ray Brower, die in den Büschen hängt wie eine zerbrochene Puppe. Ihre Suche ist vorbei und viel mehr als nur ein Jungenabenteuer geht damit zu Ende. Der Tod tritt in ihr Leben und der Film erspart seinen Zuschauern nicht den Anblick eines toten Jungen mit blutverkrusteten Haaren, der mit leeren Augen in den Himmel schaut. Und das ist gut so.

Er war barfuß und hinter ihm sah ich ein Paar flache dreckige Turnschuhe in den Brombeerranken hängen. Zuerst wunderte ich mich – warum war er hier und seine Turnschuhe dort? Aber dann wusste ich es und diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. (...) Der Zug hatte ihn aus seinen Schuhen gerissen, genau wie er ihm das Leben aus dem Körper gerissen hatte. Der Junge war tot. Der Junge war nicht krank und der Junge schlief nicht. Der Junge würde nie wieder morgens aufstehen, er würde nie wieder Durchfall bekommen, weil er zu viele Äpfel gegessen hatte. Der Junge war tot, mausetot. (...) Der Junge würde nie wieder mit seinen Freunden, einen Rucksack auf dem Rücken, Pfandflaschen suchen, die der Schnee im Frühling freigibt. Er würde im Pausenraum kein einziges Mädchen am Zopf ziehen. Der Junge würde niemandem die Nase blutig schlagen und auch selbst keine blutige Nase bekommen, der Junge war nicht, kann nicht, will nicht, soll nicht, wird nicht, niemals, nimmermehr... (...) Ich könnte es den ganzen Tag lang versuchen und würde doch nicht die Entfernung zwischen seinen bloßen Füßen und seinen Turnschuhen ermessen können. Es waren etwas über 30 Zoll. Es waren Lichtjahre. Der Junge war so weit von seinen Turnschuhen entfernt, dass beides nie wieder vereint werden konnte. Der Junge war tot.



In diesem Moment taucht King und seine Bande auf wie ein böser Deus ex machina. King, der Führer der örtlichen Halbstarkenfraktion und eine wirklich fiese Type, hatte schließlich doch die Wahrheit aus Verns Bruder herausbekommen und die großen Jungs waren in ihren Autos zum Royal River gefahren. Sie sind die ganze weite Strecke einfach gefahren, das ist nicht fair. Es ist einfach nicht fair! Und nun werden sie die Leiche mitnehmen und sie werden den Ruhm ernten und die Kinder können froh sein, wenn sie nicht noch eins in die Fresse kriegen. Gordon weint vor Verzweiflung und vor ohnmächtiger Wut, King, grandios gespielt vom blutjungen Kiefer Sutherland, grinst wie ein Schachtelteufel. Was für ein Spaß! Doch die Rotzgören sind hartnäckig: während sich Vern und Teddy in die Büsche schlagen, stellen sich Gordon und Chris dem Feind entgegen, entschlossen, die Sache zusammen durchzustehen, komme was wolle. King lässt ein Schnappmesser aufklacken, die Stimmung kippt um. Es wird hässlich werden, sehr hässlich... aber letztendlich kommt niemand zu Schaden und die Leiche bleibt dort, wo sie ist. Mehr verrat ich nicht.

Die Kinder gehen zurück, den ganzen langen Weg und die ganze Nacht hindurch. Im Morgengrauen sind sie wieder in Castle Rock und ihre Wege trennen sich. Und diesmal gehen sie nicht einfach nur nach Hause, es ist jedem klar, dass nichts mehr so sein wird, wie es war, nicht nach diesem Abenteuer und nicht nach diesem letzten heißen Sommer der Kindheit. Im Herbst werden die Klassen aufgeteilt werden und Gordon wird die College-Kurse belegen, Vern und Teddy werden Vogelhäuser und Aschenbecher bauen, zusammen mit den anderen Idioten. Chris weiß es noch nicht, aber er wird zum College gehen und er wird Anwalt werden und mit 40 Jahren beim Versuch, eine Kneipenschlägerei beizulegen, erstochen werden. Das aber liegt noch weit in der Zukunft, jetzt gibt es erst mal Dresche und Ärger, von Eltern und Halbstarken, aber drauf geschissen, das war es wert!

Chris ging davon, immer noch lachend, und bewegte sich so leicht und elegant, als hätte er keine Schmerzen wie ich und keine Blasen wie ich und keine Stiche von Moskitos und schwarzen Fliegen wie ich. Als hätte er nicht die geringsten Sorgen und als ginge er an einen sehr schönen Ort anstatt zu einem Haus mit drei Zimmern, der Toilette im Hof, Plastik vor den zerbrochenen Fensterscheiben und einem Bruder, der sicher schon auf ihn wartete. Selbst wenn mir die richtigen Worte eingefallen wären, hätte ich sie wahrscheinlich nicht sagen können. Sprache zerstört die Funktionen der Liebe – das klingt wahrscheinlich seltsam, wenn ausgerechnet ein Schriftsteller das sagt, aber ich glaube dennoch, dass es stimmt. (...) Die Liebe hat Zähne, sie beißen, die Wunden schließen sich nie. Kein Wort kann diese Bisse heilen. Es ist genau umgekehrt, das ist der Witz. Wenn diese Wunden verheilen, sterben die Worte mit ihnen. Glauben Sie mir. Ich habe mein Leben auf Worten aufgebaut und ich weiß, dass es so ist.



Chris geht und dreht sich noch einmal nach Gordon um, dann verschwindet er buchstäblich, seine Figur löst sich in Luft auf. Der Film wollte mit diesem Effekt seinen späteren Tod andeuten, aber wenn man heute weiß, das River Phoenix als einziger der Mitwirkenden tatsächlich tot ist, mit 23 aus dem Leben gerissen, dann kommt man bei dieser Szene nicht umhin, einen kalten Schauer zu verspüren. River Phoenixs Talent ist fast schon unheimlich, selten hat ein Kind so dramatisch und überzeugend gespielt, seine Szenen sind allesamt Sternstunden des Kinderfilms. Er ist der stille, von Tragik umflorte Held, zugleich die Lichtgestalt des Films, sein Rückgrat und sein Herz. Sein früher Tod macht das Ganze natürlich noch dramatischer, es tut mitunter fast weh, ihm zuzusehen.

Stand by me ist ein großartiger Film und traf mich damals wie ein Schlag in die Magengrube. Als hätte jemand alles, was ich als Kind je gedacht, gefühlt und erlebt hatte, in Zelluloid gegossen. Eine wunderbare Verfilmung der wahrscheinlich besten Stephen-King-Geschichte überhaupt und ganz ohne Monster. Rob Reiner bewies hier seine Erzählkunst, bevor ihm mit „Harry und Sally“ der ganz große Durchbruch gelang. In nur zwei Drehwochen schuf er mit einer herausragenden Crew aus Kindern und Jungstars ein zeitloses Kleinod, ein Film, der selber mittlerweilen so klassisch, nostalgisch und doch ewig jung ist wie der Sommer, den er beschreibt.

Das Buch ist natürlich besser.. Kleinere Änderungen stören mich immer noch, aus der dreckigen Diesellok bei King wurde im Film eine romantische Tschu-tschu-Dampflok, das nimmt ihr einiges von ihrer Bedrohlichkeit. Der Ladenbesitzer ist eigentlich ganz nett und kein Kinderhasser wie im Buch und es ist im Buch Chris, Gordons Freund und Held, der die Situation mit den Halbstarken rettet, nicht Gordon, der Sympathieträger des Films. Hier beugt sich der Film dem Hollywooddiktat, aber das verzeih' ich gerne angesichts der grandiosen Umsetzung der Gesamtatmosphäre. Eine der besten Buchverfilmungen, die ich kenne, wenn nicht die beste.

Ich kann die King-Novelle "The body" im Band "Jahreszeiten" nur empfehlen, sie zerstört manches Stephen-King-Klischee. Wäre er nicht so krank im Kopf, hätte er ein richtiger Schriftsteller werden können.



[Dieser Beitrag wurde von pfeifenkrautler am 05.01.2005 um 19:34 editiert]

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