06.11.2004 14:38
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MorgothderGrosse
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"Vielleicht möchtest Du zuerst Deine Auffassung etwas näher beleuchten, Morgoth?"
Gerne doch .
Mir gefallen Tolkiens Bücher eigentlich genau aus dem Grund nicht mehr, aus dem sie mir früher gefallen haben: Wegen dieser zwanghaft-gekünstelten historischen Atmosphäre. Ein Autor, der im 20.Jahrhundert schrieb und ein Nationalepos für England schaffen wollte, mit Drachen, Elfen, Rittern und Burgen - das ist so absurd anachronistisch, so zwanghaft gegen die Moderne gerichtet. Ich kann aus diesem Grund auch nichts mit Wagner anfangen - diese bombastisch-lärmende pseudo-germanisch geprägte Musik mit mittelalterlich idealisierten Helden sagt mir einfach nichts. Ähnlich ist es für mich bei Tolkien: Vollkommen platte, unglaubwürdige Charaktere, keinerlei Passagen, die bei mir tiefere Emotionen auslösen würden, als Ausgleich aber auch nicht das geringste Stückchen Humor oder Selbstironie für ein an sich schon recht schräges Werk, für das 20. Jahrhundert gesehen. Mir gefällt das nicht (mehr), es löst einfach überhaupt nichts in mir aus.
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07.11.2004 16:55
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Mike Hat
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Morgoth: Ich verstehe was Du meinst, aber ganz nachvollziehen kann ich es nicht. Wenn überhaupt, könnte man dem HdR eines zum Vorwurf machen: Dass er gar nichts ist, weder modern noch wirklich altmodisch, denn beide Elemente sind darin zu finden - ausgedrückt in den unterschiedlichen Sprachebenen bei Menschen und Elben und dem Auenland mit seinen Hobbits als Übergangszone. Meines Erachtens eine Stärke sowohl des Autors als auch des Buches! Hätte Tolkien eine durchweg altmodische Erzählung schreiben wollen, sie wäre in etwa so lesbar wie das Silmarillion geworden. Inhaltlich ist sie sicherlich zutiefst antimodernistisch, aber trotzdem nicht ohne Belang für unsere heutige Zeit. Das wirkt für mich nicht gekünstelt, sondern wegen des weitgehenden Verzichts auf eine allegorische Darstellung angenehm unaufdringlich.
Zitat: Vollkommen platte, unglaubwürdige Charaktere, keinerlei Passagen, die bei mir tiefere Emotionen auslösen würden, als Ausgleich aber auch nicht das geringste Stückchen Humor oder Selbstironie für ein an sich schon recht schräges Werk, für das 20. Jahrhundert gesehen.
Der Punkt ist interessant. Tolkien war meines Wissen wirklich der erste, der das so gemacht hat. Bei den Autoren in meinem letzten Beitrag war das ganz anders, da gab es noch diesen ironisierenden Unterton, mit dem sich der Verfasser gleichsam entschuldigend an den Leser wendet. Nichts wäre dem Philologen Tolkien fremder gewesen!
Übrigens hatte er wohl nicht den Anspruch, ein Nationalepos schreiben zu wollen. Tolkien wollte eine Mythologie für England entwerfen, das ist ein Unterschied.
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07.11.2004 19:42
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MetkrugSturmtief
Nerdine
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@MikeHat: Bei deinen wahllos herausgegriffenen Autoren nanntest du Bradbury. Gehe ich recht in der Annahme, daß du Ray Bradbury meintest? Ich glaube, es gibt noch mindestens einen anderen Autoren dieses Nachnamens, allerdings will mir der Vorname beim besten Willen nicht einfallen.
Auf jeden Fall hast du jetzt einen Stein bei mir im Brett.
Vor allem war Oktober. Ein köstlicher Monat für Jungen. Nicht, daß alle anderen Monate nicht auch köstlich wären. Doch sind böse und gute darunter, wie die Piraten sagen.
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08.11.2004 10:30
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Mike Hat
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Jo, der "Fahrenheit 451"-Bradbury ist gemeint. Leider kenne ich noch nicht so viel von ihm: Seine "Martian Chronicles", mehrere Kurzgeschichten und "Fahrenheit" halt. Habe da noch einiges aufzuholen ... vielleicht möchtest Du eine Empfehlung aussprechen? 
Zitat: MetkrugSturmtief schrieb:
Vor allem war Oktober. Ein köstlicher Monat für Jungen. Nicht, daß alle anderen Monate nicht auch köstlich wären. Doch sind böse und gute darunter, wie die Piraten sagen.
Ah. Damit spielst Du auf "Something Wicked This Way Comes" an, richtig? Darüber habe ich mal was gelesen, kenne es aber selbst noch nicht.
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09.11.2004 19:27
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MetkrugSturmtief
Nerdine
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@MikeHat: Dieser Smilie flößt mir Angst ein, bibber.
Also, empfehlen kann ich dir "Die Mechanismen der Freude", da sind zwei meiner absoluten Lieblingsgeschichten drin:
"Tyrannosaurus Rex" und "Die Hymnensprinter". (Oder kennst du die schon?)
"Das Böse kommt auf leisen Sohlen" mochte ich auch sehr gerne, aber noch besser hat mir "Löwenzahnwein" gefallen.
Am besten leist du einfach alles von ihm, wenn du genug Zeit findest ... 
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10.11.2004 15:49
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Ludy
Chief Resident
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Wenn Tolkien gar nicht so toll ist, ist dieser Klappentext dann keine Beleidigung? Oder gar eine Herabsetzung Hohlbeins?
Zitat: Der einzigartige Roman zum größten deutschen Heldenepos
Parallel zum spektakulären TV-Zweiteiler „Der Ring der Nibelungen“ mit Benno Führman in der Hauptrolle (im Dezember 2004 auf SAT 1) hat Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein dem Nibelungenlied eine neue Gestalt gegeben: In seinem spannenden Roman wird der größte deutsche Mythos zu einem atemberaubenden Drama um Rache und Magie, um Liebe und Tod – ein Drama, das Tolkiens „Herr der Ringe“ an erzählerischer Wucht und Phantasie in nichts nachsteht.
Das Fantasy-Ereignis des Jahres!
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10.11.2004 16:48
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Mike Hat
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Meine liebe Ludy: Jeder, wirklich jeder Fantasyautor wird hierzulande in Rezensionen oder in Klappentexten mit Tolkien verglichen, sei er auch noch so schlecht. Sogar Hohlbein. Und Terry Pratchett ist der Charles Dickens des 21. Jahrhunderts. Harharhar...
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10.11.2004 17:36
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Ludy
Chief Resident
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Hohlbein ist doch kein Fantasy- sondern ein Groschenromanautor!
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17.11.2004 02:58
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Patty
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Zitat: Ludy schrieb:
Tanja Kinkel schreibt wirklich schöne Romane. Es haben mir allerdings nicht alle Bücher von ihr gefallen, in einem wird sie leicht esoterisch - es spielt ein böser geist mit, der im Hintergrund intrigiert und so. War nicht mein Fall, aber alle anderen Romane, die ich von ihr kenne, fand ich einfach toll. "Die Puppenspieler" zum Beispiel.
Welches war das denn, falls Du es noch weißt? Ich dachte, ich kenne alle Bücher von ihr, kann mich aber jetzt gerade an keines erinnern, in dem ein Geist eine Rolle spielt.
Ihr letztes Buch, "Götterdämmerung", war aber einfach nur schlecht. Sie sollte bei den historischen Stoffen bleiben.
Lieblingsautoren:
Jane Austen - Von manchen oberflächlich als 'Liebesschnulzen' abgetan, liefern ihre Romane ein scharfsichtiges Bild der Zeit um 1800. Sie verwendet viel Mühe auf liebevolle und bissige Charakterbeschreibungen und demaskiert letztlich jede einzelne Figur, bis manche ganz und gar in ihrer mißratenen (inneren) Nacktheit dastehen. Die Liebesgeschichten bilden eigentlich nur das Gerüst dafür. Außerdem verfocht Austen eine sanfte Form des Feminismus. Ihre Protagonistinnen bewegen sich zwar innerhalb der damals gültigen Konventionen, doch präsentieren sie zugleich ein selbstbewußteres und eigenständigeres Frauenbild.
Charles Dickens - Dickens beherrschte die ganze Palette britischen Humors geradezu virtuos, von sanfter Ironie bis hin zu bitterbösem Zynismus. Dabei ist er immer gesellschaftskritisch und seziert scharfsinnig die Folgen der Industriellen Revolution.
Außerdem hat er mit Ralph Nickleby (aus "Nicholas Nickleby") einen der großartigsten Bösewichte überhaupt erschaffen.
Nick Hornby - Und auch Nummer 3 ist von der Insel in ihrer splendid isolation. Für ihn gilt ähnliches wie für Dickens und Austen, nur daß Hornby die Elemente der modernen Popkultur auseinandernimmt. Seine Titelhelden sind dabei nie wirklich sympathisch, oft verdammt egoistisch und entweder von Fußball oder Musik (oder sich selbst) besessen, aber trotz ihrer Macken schließt man sie irgendwann doch noch ins Herz.
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Before God we are all equally wise - and equally foolish.
A. Einstein
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