17.03.2005 20:24
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meisterdieb schaut die SZ-Cinemathek

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Garrett
meisterdieb
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Die SZ-Bibliothek war eine tolle Errungenschaft, obwohl noch nicht ansatzweise dazu gekommen bin, alles zu lesen. Und weil die Leute von der Süddeutschen Zeitung nicht blöd sind, werfen sie gleich noch 50 Filme hinterher (nicht zu vergessen Klassik Kaiser, die ich mir auch irgendwann zulegen werde). Was macht der dieb? Er schickt natürlich gleich die Bestellkarte an den Standard und schon hat er den Salat: vier Filme pro Monat zu je 7 Euro. Und weil der Standard so nett ist schenkt er mir die erste DVD gleich:
Luchino Viscontis Der Leopard

Ich hatte zuvoer noch nie etwas von diesem Film gehört. Ich bin sowieso ein unbeschriebenes Blatt, was Filme betrifft, naja, ein paar hab ich wohl schon gesehen.
Der Leopard ist in erster Linie ein Film über Sizilien. Er spielt 1860, zur Zeit der Revolution durch Garibaldi, und beschreibt die Entwickling einer Aristokraten-Familie in dieser Zeit. Die Revolution ist eigentlich nur ein Seitenaspekt des Films, der sich in erster Linie mit dem Schicksal der Familie beschäftigt. Das Familienoberhaupt, der Fürst von Salina, gibt sich dabei von der Revolution selbst völlig unbeeindruckt und verdrängt den Gedanken, dass sich auch nur das geringste für seine Familie ändern könnte.
Der Leopard wirkte auf mich in erster Linie wie ein langer Film. Ich muss zugeben, dass ich vor einer Prüfung stand und mich vielleicht nicht fallen lassen konnte, aber ich empfand ihn zunächst einmal als äußerst lang. Obwohl er nicht unbedingt langatmig war. Der Film ist in zweiter Linie sehr politisch. Teilweise war es für mich schwierig den Wirrungen der Revolution folgen zu können (wer ist dafür, wer dagegen), was auch daran liegen könnte, dass ich überhaupt kein geschichtliches Wissen darüber habe. Der Film ist aber auch ein sehr schöner Film mit starken Dialogen, einer zum Hinknien schönen Claudia Cardinale und wunderschönen Bildern von Sizilien. Was mir besonders gut gefallen hat, war die Darstellung des Fürsten durch Burt Lancaster: Er hat für mich die Zwiegespaltenheit, mit der er den Umstürzen in "seinem" Sizilien begegnet ist, überzeugend rübergebracht und ich konnte am Ende mit ihm fühlen.
Ich denke aber ich muss ihn noch einmal sehen und dabei im Kopf freier sein, um mir ein endgültiges Urteil bilden zu können. Sehenswert ist Der Leopard auf jeden Fall:

Claudia Cardinale und Burt Lancaster in der 30-minütigen Ballszene
[Dieser Beitrag wurde von meisterdieb am 17.03.2005 um 20:23 editiert]
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17.03.2005 20:23
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Nanny Ogg
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Dito.
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17.03.2005 20:37
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Kaylee
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…guuuuute Idee! Toller thread! *thumbsup* +freuuu*
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17.03.2005 21:03
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Lothiriel
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Ich schließe mich der Fee an. :daumenhoch:
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Ihr habt doch alle keine Ahnung.
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18.03.2005 09:08
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Garrett
meisterdieb
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Und hier kommt der nächste schon, es geht jetzt Schlag auf Schlag. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nur einen Film pro Woche durchzunehmen, da das eine schön Regelmäßigkeit hätte. Da wir uns aber gestern wieder einen zu Gemüte geführt haben, muss ich meine Eindrücke gleich schildern. Wir haben uns allerdings nicht für den nächsten der Reihe entschieden, sondern für den kürzesten (weil Inga heute früh raus musste):
Ingmar Bergmanns Wilde Erdbeeren

Alles beginnt mit einem Albtraum über eine Uhr ohne Zeiger, einen Mann mit zerknautschtem Gesicht und den Tod von Isak Borg, einem 78-jährigen Arzt. Er beschließt nach diesem Traum nicht mit dem Flugzeug zur Fünfzigjahrfeier seiner Promotion nach Lund zu reisen, sondern mit dem Auto und er nimmt seine Schwiegertochter Marianne mit. Isak Borg ist ein mürrischer alter Mann, selbstsüchtig und eiskalt wirkt er auf seine Schwiegertochter, die ihm gleich zu Beginn der Reise allerlei Vorwürfe macht. Die Fahrt nach Lund entwickelt sich für Isak Borg zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, zu einer Reise in sein innerstes Selbst.
Wilde Erdbeeren wirkt wie eine frühe Form des Road Movie. Jemand begibt sich auf eine Reise und erfährt dabei viel über sein eigenes Leben. So auch in diesem Film. Er lebt von den überzeugenden Darstellern und schwankt so fließend zwischen Leichtigkeit und Schwermut, dass es trotzdem nicht aufgesetzt wird. Ich konnte gestern herzlich lachen über die Streitereien zwischen Dr. Borg und seiner Haushälterin und ich hatte einen Kloß im Hals, als ihn die Einsicht über sein verkorkstes Leben und das seines Sohnes überkommt. "Es ist als wolle ich mir selbst etwas zu sagen, was ich nicht höre, wenn ich wach bin." Seine Schwiegertochter, drei junge Anhalter und seine Träume, seine Kindheitserinnerungen rütteln ihn mit 78 Jahren aus seinem Egoismus wach und als er weiß, dass er etwas ändern muss, geht einem als Zuschauer das Herz auf.
Ein toller film (wenn auch die Copyright-Bestimmungen, die gleich im Anschluss an das Ende gezeigt wurden etwas gestört haben). Unbedingt anschauen.

Victor Sjöström (Isak Borg) und Ingrid Thulin (Marianne)
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18.03.2005 09:41
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Kaylee
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wooow, hört sich spannend an. Das Cover zusammen mit dem Titel suggerierte allerdings irgendwie einen komplett anderen Film…
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18.03.2005 09:50
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Garrett
meisterdieb
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Im Original heißt der Film "Smultronstället", benannt nach dem Ort, an dem die wilden Erdbeeren zu finden sind. Es ist ein versteckter Platz im Wald. "Man verrät die Stelle niemandem, denn die Früchte sind klein und selten." (Thomas Steinfeld, Klappentext der DVD)
Hach, ich mag den Film wirklich 
[Dieser Beitrag wurde von meisterdieb am 18.03.2005 um 09:50 editiert]
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18.03.2005 10:54
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Nanny Ogg
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20.03.2005 03:14
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titania
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Hach - Alain Delon - Held meiner Kindheit, als ich noch begeistert alte Mantel-und-Degenfilme sah!
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Du legst dein Licht in allen Farben
um meine weiße Einsamkeit.
Ich fühle sie an meinen Narben
wie Balsam einer leichten Zeit.
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21.03.2005 17:22
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Garrett
meisterdieb
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und 
So gingen wir Freitag Abend ins Bett. Richtig, wir haben uns
David Lynchs Lost Highway

zu Gemüte geführt.
Das ist ein wirklich verstörender Film - und ein gruseliger Film - und ein richtig guter Film. Ich kannte auch von Lynch bis Freitag noch nichts, nur vom Hören-Sagen hörte ich von seiner recht eigentümlichen Art, Filme zu machen. In Lost Highway habe ich das zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen, und eigentümlich ist gar kein Ausdruck.
Da ist also dieser Fred, der anscheinend ziemlich eifersüchtig ist und keine glückliche Ehe mit seiner Frau führt. Die Gespräche gehen selten über ein "Guten Morgen" hinaus - wenn es denn überhaupt ein "Guten Morgen" gibt. Das Ehepaar bekommt eines Tages Videobänder zugestellt: Zunächst wird dabei nur das Haus von außen gezeigt, später wird im Haus gefilmt und Fred ruft die Polizei, die den Fall aufnimmt. Eines Tages liegt wiederum ein Band vor der Tür, das Fred nach der Ermordung und Zerstückelung seiner Frau zeigt. Er wird verhaftet und zum Tode auf dem elektrischen Stuhl verurteilt. Und jetzt wird lynchesk: In der Todeszelle "verwandelt" sich Fred in den jungen Pete, einen Automechaniker.
Mehr möchte ich im Moment nicht verraten. Ich gebe zu, wir hatten den Film nicht verstanden - zumindest dachten wir das. Wir hatten so unsere eigene Interpretation im Kopf und die fanden wir dann auch von anderen Leuten so wiedergegeben, genauso wie gänzlich andere Interpretationen. Genau das ist es, was Lynch meiner und anderer Leute Meinung nach (und eigenen Aussagen zu Folge) erreichen will: Seine Filme sollen nicht erklärt werden, sondern der Zuschauer soll selbst überlegen, was er aus dem Film herausliest und das ist ihm in beeindruckender Art und Weise gelungen.
Lost Highway ist absolut sehenswert, aber nichts für schwache Gemüter. Ich muss gestehen, dieser Mann

hat mir Angst gemacht.

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