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Post 13.12.2004 17:16 PostKurzgeschichten
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_TylerDurden_



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Ich habe zum Glück kein Liebeskummer. Mir geht es prächtig.

Aber falls ich irgendwann der Liebe wegen Kummer haben werde, dann lese ich mir diesen Beitrag nochmal durch und lache dann vielleicht wieder, hähä, ein bischen hämisch, weils den Frauen auch nicht besser geht, oder vielleicht weine ich auch noch bitterlicher, weil das ja gerade das traurige ist.

LIEBESKUMMER
Kirsten Fuchs

Guten Tag! Ich habe Liebeskummer! Die Diagnose ist eindeutig. Alles weißt darauf hin. Ich habe tagsüber kein Hunger und Abends auch nicht, auch nachts hab ich kein Hunger aber Appetit. z.B. auf Eis, also gehe ich zur Tankstelle und kaufe mir soviel Eis, daß ich denke, daß es reichen wird, bis er sich doch in mich verliebt hat. Dann kucke ich Quincy und esse das ganze Eis auf. Also gehe ich noch mal zur Tankstelle und kaufe nochmal Eis und Cola und zwei Männerzeitschriften, vielleicht kann ich dann ahnen, was Männer denken. Denn es ist ein Gerücht, daß Männer leichter zu verstehen sind als Frauen. Männer sind die viel schlimmeren Frauen. Ich lese die Zeitschriften und esse das Eis auf. Danach weiß ich, wie man Frauen wirklich zum Höhepunkt bringt und das probiere ich gleich aus. Klappt natürlich, ich bin aber auch gut im Bett. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Ein klares Anzeichen, alles spricht für Liebeskummer.

Dabei wußte ich nicht mal, daß ich ihn liebe, bis er mir gesagt hat, daß er mich nicht liebt. Ich kann nicht schlafen. Ich werfe die Cola um, als ich auf Klo schlurfe. Die Flasche habe ich offengelassen und jetzt habe ich wenigstens was zu tun, nachts um Fünf. Ich wische meine Wohnung. Wie tief bin ich gesunken? Wegen eines Mannes. Es ist aber auch nicht irgendein Mann. Es ist der Mann, bei dem man von Anfang an ein gutes Gefühl hat. Beim Kennenlernen, beim Besserkennenlernen, sogar beim Korbbekommen. Ich hab noch nie einen so netten Korb bekommen, der ganze Korb voller Obst und Blumen. Um Sechs kann ich endlich schlafen und um Acht klingelt ein junger Mann an meiner Tür, der behauptet, daß ihm sein Keilriemen gerissen wäre und der Hausmeister sei nicht da und er fragt, ob ich ihm vier Euro neunundneunzig borgen kann. »Ich bin arbeitslos!« sag ich zu ihm »Ich esse püriertes Wasser. Und selbst das ist nur Instantwasser.«

Dann knalle ich die Tür zu und davon werde ich erst richtig wach. Mein Herz wird auch wach und fängt sofort an weh zu tun. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Ich dacht ich bin tot. Aber jetzt tut es wieder weh. Gottseidank. Und dann heule ich bis ich so ausgetrocknet bin, daß ich knistere. Ach nein, das ist die Zeitung, auf der ich schlafe, weil, weil, ja warum eigentlich? Das ist eben die Zeitung, auf der ich schlafe. Ich komme mir verwahrlost vor, schlafe aber wieder ein, träume, er ißt mein Herz und trinkt Rotwein dazu. »Das ist ja gar nicht durch!«, sagt er zu mir und dann wache ich auf. Ich bin total verschwitzt. Die Druckerschwärze der Zeitung hat dem nicht standgehalten und so stehen auf mir Filmkritiken und Veranstaltungstips.

Ich schlurf in die Küche und finde im Flur einen angebissenen Toast. Den heb ich auf, klopf mit ihm gegen die Badtür, um zu kucken, wie hart er ist. Geht noch. Warum hab ich den denn nicht aufgegessen? Ich mach mir Tee und starre auf den Toast. Mein Körper will den nicht. Der Toast und ich kämpfen miteinander. Der Toast gewinnt, angenommen es war seine Absicht nicht gegessen zu werden. Ich beiße nur einmal ab und lege ihn wieder in den Flur. Dann verbringe ich den Tag damit zu hoffen, daß er anruft - obwohl er meine Telefonnummer nicht hat - und ab und zu den Hörer ans Ohr zu halten, um zu kucken, ob das Telefon noch geht. Ich schreibe ein richtig schlechtes Liebesgedicht. Als Muse taugt er überhaupt nicht. Küssen will er mich ja sowieso nicht.

Nachmittags finde ich den kalten Tee in der Küche und trinke ihn. Davon bekomme ich Durchfall. Ich sprühe danach großzügig Raumspray ins Bad, Tannenduft. Jetzt riecht es, als hätte jemand in den Wald gekackt.

Dann wasche ich mein bißchen Geschirr ab, hauptsächlich weil meine Hände kalt sind und ich auch keine Lust habe, neues Geschirr zu kaufen, nur weil das alte schmutzig ist. Als ich fertig bin, will ich den Stöpsel ziehen, aber der liegt auf dem Waschbeckenrand. Ich wühle im dreckigen Wasser und puhle einen Pfropfen Spaghettireste aus dem Ausguß. Ich komme mir so einsam vor. Gleich muß ich wieder heulen. Nich heulen, sag ich zu mir. Versuch doch einfach mal dein Wasser zu halten. Ich will Eis. Eis ist natürlich alle und einkaufen kann ich nicht gehen, falls er anruft, obwohl er meine Telefonnummer nicht hat. Ich renne wie auf Entzug durch die Wohnung. Danach blätter ich noch ein bißchen in der Männerzeitschrift und mache so einen Ankreuztest. Wie gut verstehen sie Frauen? Das klingt ja schon so, als müsse man versuchen, extra wenig Punkte zu bekommen, sonst hat man verloren. Sie sind ein Frauenversteher. Sie haben verloren. Setzen sie drei Felder zurück und fangen sie vor ihrer Pubertät von vorne an. Der Test beinhaltet die Deutung schlechter Fotos. Was glauben sie, was diese Frau gerade denkt. A. Er kommt schon wieder zu spät. B. Er kommt schon wieder zu früh. C. Er kommt mir so bekannt vor.

Ich glaube ja, die Frau auf dem Foto denkt: Wie lange soll ich denn noch mit eingezogenem Bauch und leidender Miene an diesem Scheiß-Thonetstuhl lehnen für das bißchen Geld. Aber diese Antwort gibt es nicht. Ich habe anscheinend nicht soviel Ahnung von Frauen. Aber Hopfen und Malz sind bei mir nicht verloren, denn ich habe ja immerhin den Ankreuztest gemacht und somit bewiesen, daß ich willens bin, das schöne Geschlecht zu verstehen. Jaja, das schöne Geschlecht. Ich spiel mir ein bißchen am schönen Geschlecht und finde es doof ohne das starke Geschlecht. Ich überlege, ob ich doch etwas unternehmen sollte. Kino oder so. Leider kann ich das Kinoprogramm auf meinem Rücken nicht sehen. Ich gehe stattdessen meine Hausbar durch und trinke halbleere Likörflaschen aus. Ordnungtrinken nenne ich das. Mir geht’s so schlecht. Ich hab definitiv Liebeskummer. Da brauch ich kein Arzt zu. Das sieht ja ein Blinder mit Krückstock.



[Dieser Beitrag wurde von _TylerDurden_ am 13.12.2004 um 17:16 editiert]

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Post 04.03.2004 19:06 PostLiebeskummer
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Scarlett



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Ich finde, ihr geht es noch verhältnismäßig gut...
Es gab ganze Wochen, in denen ich nichts essen konnte, Nächte, in denen ich nur geweint habe und mein Herz war praktisch nicht vorhanden...
Mich wundert es, dass sie nicht zum Friseur gegangen ist oder Schuhe gekauft hat. Gut, dafür hat sie sich ordentlich was hinter die Binde gekippt, hab ich auch schon getan ( 5 Tequila Bourbon auf Ex auf nüchternen Magen...der nächste Morgen war unbeschreiblich...).

Ich weiß nicht, was schlimmer ist, Zahnweh, Kopfschmerzen oder Liebeskummer. Gegen die ersten beiden kann man ja unter Umständen noch etwas tun...aber bei Liebeskummer kann man schlecht das Herz rausschneiden, obwohl es ja im Grunde herausgerissen ist.

Was machen Männer denn, wenn sie Liebeskummer haben?

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Post 04.03.2004 19:28 PostRe: Liebeskummer
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_TylerDurden_



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Hm, ich denke es gibt schon Unterschiede. Und deshalb fand ich auch den Text so interessant, weil sie passiv in einer leidenden Rolle ist. Und nichts dagegen tun kann. Wir Männer lernen stattdessen Jonglieren oder überlegen uns andere dumme Sachen, um die Frau doch noch beeindrucken und verführen zu können. Erfolg durch Ignoranz.

Dafür leiden wir mehr beim Beziehungsende. Die klassische amerikanische short Story beginnt ja damit, dass der Held mit einer Flasche Bourbon in seiner leeren Wohnung sitzt, die Frau hat ihn verlassen, und sich besäuft.

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Post 10.12.2004 14:10 PostRe: Re: Liebeskummer
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_TylerDurden_



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Eine kurze Kurzgeschichte von Hans-Peter Kraus:

Eins steht fest: Ich habe heute morgen den Bus nicht verpasst. Es fing damit an, dass ich nur schwer aus dem Bett kam. Spätdienst. Es gab keinen Grund, das warme, wohlige Bett gegen kalten Alltag einzutauschen. Und doch schaltete ich das Radio ein. Fehler. Erst kam Musik, dann was über die neueste Landwirtschaftssauerei, wieder Musik, abgebrochen durch Werbung. Radio-Werbung. Steht nicht im Grundgesetz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist? Warum gibt es dann Radio-Werbung? Weg mit der Decke, hochgehievt, Flucht ergriffen.
Aber es wurde nicht besser. Verdoppelung der Schwerkraft im Umfeld meiner Körpermasse und natürlich fiel die Schnitte mit dem Käse nach unten auf den Boden. Vielleicht lag es daran, dass ich mit Walter Spätdienst haben sollte. Spätdienst mit Walter heißt, Monologe zur Lage der Bundesliga, zusammengeschnitten aus den abgestandenen Redewendungen von Fernsehkommentatoren und den Fußball-Neuigkeiten aus seiner billigen Zeitung.
Lider auf Halbmast verließ ich die Wohnung. Als ich in die Straße einbog, wo die Haltestelle ist, stand der Bus schon da. Ich lief auf ihn zu und er fuhr natürlich nicht weg. So etwas machen Busfahrer nicht. Genausowenig wie Straßenbahnfahrer einfach abschieben, wenn da noch jemand am Fahrkartenautomaten herumfummelt, weil es in der Straßenbahn keine Fahrkarten mehr gibt. Würden die nie tun. Nie.
Also musste ich nicht 20 Minuten an der Haltestelle warten und meine Wut auf kleiner Flamme köcheln lassen. Ich saß im Bus, den ich nicht verpasst hatte und sah nicht den Kartoffelmann mit dem Pferdewagen, der auf Höhe der Haltestelle auf die Straße spuckte. Da nie gesehen, vergaß ich nicht gleich wieder die eine Million Autos, die an mir vorbeifuhren bis auf den weißen Mercedes mit den Nonnen drin. Und ganz klar, ich werde niemals wissen, dass der Busfahrer im nächsten Bus aussah wie der junge Leonard Bernstein mit Brille, kaugummikauend.
Gut. Hier ist der Haken: Ich kann mich nicht erinnern, was ich sah, als ich mit dem Bus fuhr, den ich nicht verpasst habe. Auch von den Mitfahrern ist mir keiner im Gedächtnis geblieben. Aber das ist schließlich normal, wenn man jeden Tag die gleiche Tour fährt und überhaupt – ich war immer noch im Tran.
Härter ist, dass ich diese Geschichte nicht schreibe, weil es dafür keinen Anlass gibt. Der Busfahrer hat ja gewartet und ich hab den Bus nicht verpasst. Nur was mache ich statt dessen? Und welche Auswirkungen hat das, was ich gerade tue, auf mein Leben?
Noch härter ist, dass Sie diese Geschichte nicht lesen können, aber was tun Sie statt dessen? Und welche Auswirkungen hat das, was Sie gerade tun, auf Ihr Leben? Und welche Auswirkungen hat das, was Sie tun, während Sie diese ungeschriebene Geschichte nicht lesen, auf das Leben anderer?
Vielleicht rufen Sie, statt zu lesen, einen Freund an. Passt gerade nicht, der Freund kriegt was in den falschen Hals, Freundschaft auf der Kippe, Freund schlecht gelaunt, schnauzt seine Lebensgefährtin an, die am nächsten Tag sein Konto räumt und in Urlaub fährt.
Oder: Statt zu lesen, fahren Sie in die Stadt, nehmen unbeabsichtigt jemandem die Vorfahrt. Typ ärgert sich, prügelt wegen nichtigem Anlass seine Kinder, die dafür seinen Lieblingskanarienvogel in der Mikrowelle einsperren und das Gerät anstellen.
Übertrieben? Möglich. Nur was macht Sie so sicher, dass keine Katastrophen passieren, wenn Hunderte oder Tausende Menschen, die eigentlich eine Geschichte lesen wollten, plötzlich orientierungslos vor einer ungewissen Zukunft stehen, weil es keine Geschichte gibt? Sind da nicht Kurzschlusshandlungen vorprogrammiert?
Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte heute morgen den Bus verpasst. Dann hätte ich diese Geschichte schreiben können und wir wären alle fein raus.


Die Grundidee ist natürlich ein alter Hut, aber mir gefiel es.

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Post 10.12.2004 19:23 Post
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Waldelb
Fool


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Liebeskummer ist etwas so klischeebaldenes, dass einem davon ganz uebel werden kann.

Kirsten Fuchs beschreibt Liebeskummer, Scarlett sagt etwas zum Liebeskummer, doch den wahren Herzschmerz erkenne ich erst in Hans-Peter Kraus's Geschichte (zumindest wenn man sie nur liest, bis er anfaengt pseudo-philosophisch zu werden).

Wenn in einem Film die huebsche, tolle und charismatische Hauptdarstellerin von ihrem Freund verlassen wurde kauft sie sich Eis an der Tanksstelle. Am besten noch Schokoeis. Wenn man darstellen will wie schlecht es dieser Frau geht laesst man sie mit straehnigen Haare durch die Wohnung rennen (was sie natuerlich nur noch unwiederstehlicher macht). Und nicht selten schafft es diese Frau dann auch noch so wie die Figur bei Kirsten Fuchs sich selbst ironisch zu sehen.
Ist sie dann langsam, nach ein oder zwei Wochen, ueber den Schuft hinweg leistet sie sich neue Schuhe und geht zum Friseur und siehe da: wundersamerweise tritt zu dem Zeitpunkt ein gut aussehender, liebenswerter und ganz niedlicher Kerl in ihr Leben...
Ist es nicht wundervoll?

Moeglicherweise gibt es sowas. Moeglicherweise sehen die ersten zwei Wochen bei manchen wirklich so aus. Aber der Liebeskummer den ich kenne und fuerchte sieht nicht so aus. Er aeussert sich dadurch, dass man morgens das Radio anmacht und gleich wieder ausmacht, nicht wegen einer Schnulze, sondern weil alles nervt. Die Harmoniesosse der Lieder, der froehliche Moderator und nicht zu letzt die Werbung. Gezwungenermassen steh man auf, man muss ja arbeiten gehen. Das das Broetchen runter faellt kann passieren, musste passieren, so fuehlt es sich an. Aber es stoert auch nicht, man macht eben sauber, die Bewegungen werden nicht schwerfaelliger als sie ohnehin schon sind. In der Bahn (die man wegen Liebeskummer wirklich nicht verpasst) faellt der Blick nach draussen, aber es ist uninteressant. Eine trostlose Landschaft, langweilig. Auch auf der Arbeit ist es auch nur das triste Dasein, dennoch besser als zuhause zu sitzen und nichts zu machen. Die Fernsehkanaele durchzuschalten ohne etwas davon wirklich sehen zu wollen. Mit Freunden in einer Kneipe zu sitzen, ohne daran wirklich Spass zu haben. Sich von Freunden anhoeren zu muessen, dass es ja wieder besser wird. Daran hat man wirklich keinen Spass.
Denn alle erwarten auch, dass es nach einem, zwei Monaten wieder weg ist. Doch das Broetchen wird einem auch noch nach 4 Monaten runterfallen und der Blick aus der Bahn bietet dann immer noch nichts, was das Herz aufzumuntern vermag. Fast wird es schwerer, denn nun muss man laecheln, wenn einem der Kollege aus der Spaetschicht seine langweiligen Geschichten erzaehlt. Denn jetzt hat man keinen Grund mehr innerlich taub zu sein. Zwar gibt es schon lange keine Traenen mehr, oder nur noch sehr selten. Aber das Leben macht trotzdem nicht mehr den selben Spass wie frueher. Die Augenlider haengen nun innerlich auf Halbmast. Als Grund fuer seine Muedigkeit und die Augenringe gibt man nun an, dass man zu lange in der Kneipe war. Fast hat man Angst zu sagen, dass man immernoch, nach 5 Monaten, nicht einschlafen kann. Denn schliesslich muss man ja drueber hinwegkommen, oder?

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Post 10.12.2004 21:11 Post
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pfeifenkrautler
Honk


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Beiträge: 5344
*schluchz*

Sehr schön geschrieben, Waldelb, auch wenn ich immer noch nicht weiß, was Tylers gepostete Geschichte mit Liebeskummer zu tun hat. Ihr geht beide davon aus, das Kraus so mies drauf ist, weil er Liebeskummer hat? Klingt für mich eigentlich "nur" nach ganz normalem Lebensekel.

Zitat:
Denn schliesslich muss man ja drueber hinwegkommen, oder?
Das Komische ist doch, man kommt tatsächlich drüber weg. Und da stellt sich die Frage, ob all die unsensiblen Freunde nicht doch Recht hatten mit ihren leichtherzigen Ratschlägen und abgestandenen Lebensweisheiten. Und ob das nicht das Schlimmste daran ist, dass der eigene Weltschmerz gar nichts Einzigartiges ist, sondern nur eine alltägliche Angelegenheit. Sowas wie eine Grippe oder die Weisheitszähne. Etwas, wo halt jeder mal durch muss.




__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

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Post 11.12.2004 18:41 Post
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Alex.



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Zitat:
pfeifenkrautler schrieb:
Das Komische ist doch, man kommt tatsächlich drüber weg.
Glaube ich nicht. Das ist mir so zu pauschal ausgedrückt.

Es mag sein, daß da jeder durch muß, aber nicht jeder kommt wirklich drüber weg. Igendwas bleibt immer zurück, mal mehr, mal weniger. Und manchmal geht das Leben gar nicht weiter. Ein Freund von mir hat, nachdem ihn seine Freundin verlassen hatte und zu ihrem alten Lover zurückgegangen war, über mehrere Monate hinweg still und leise und von allen unbemerkt seine Angelegenheiten geordnet und testamentarische Verfügungen getroffen. Dann ist er von Österreich, wo er wohnte, in die Gegend in Norddeutschland gefahren, wo er aufgewachsen war und hat ein langes Gespräch mit einem befreundeten Pfarrer geführt. Am nächsten Tag ist er auf einen Hochspannungsmast geklettert und hat in die Leitungen gegriffen. Das hat ihn allerdings noch nicht gleich umgebracht, das haben erst die Folgen des Sturzes und der Schädelbruch erreicht, zwei Tage später.

Das ist ein extremes Beispiel, aber diese schwerste und endgültige Reaktion auf eine gescheiterte Beziehung kommt wahrscheinlich häufiger vor als man glaubt. Vor allem unter den Jüngeren, bei denen die Selbstmordrate höher ist.

Andere knabbern monate- und jahrelang an dem, was man so verharmlosend als "Liebeskummer" zu bezeichnen pflegt.

A fool there was and he made his prayer
(Even as you and I!)
To a rag and a bone and a hank of hair
(We called her the woman who did not care),
But the fool he called her his lady fair
(Even as you and I!)

Oh the years we waste and the tears we waste
And the work of our head and hand,
Belong to the woman who did not know
(And now we know that she never could know)
And did not understand.


A fool there was and his goods he spent
(Even as you and I!)
Honor and faith and a sure intent
But a fool must follow his natural bent
(And it wasn’t the least what the lady meant),
(Even as you and I!)

Oh the toil we lost and the spoil we lost
And the excellent things we planned,
Belong to the woman who didn’t know why
(And now we know she never knew why)
And did not understand.


The fool was stripped to his foolish hide
(Even as you and I!)
Which she might have seen when she threw him aside –
(But it isn’t on record the lady tried)
So some of him lived but the most of him died –
(Even as you and I!)

And it isn’t the shame and it isn’t the blame
That stings like a white hot brand.
It’s coming to know that she never knew why
(Seeing at last she could never know why)
And never could understand.


Rudyard Kipling



[Dieser Beitrag wurde von Alex. am 11.12.2004 um 18:41 editiert]

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Post 11.12.2004 03:46 Post
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Arbrandir
Schuft


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Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
Was für ein weites Feld....

Ich könnte ja nun die gute, alte Edna St. Vincent Millay bemühen, die es verstand, in einem Sonett alles auszudrücken, was die Tragweite und (Un-) Erheblichkeit der Liebe bzw. ihrer Abwesenheit angeht.

Mach ich aber nicht.

Liebeskummer mag für die Menschheit trivial und immerschondagewesen sein -- für den einzelnen Menschen ist es die unverdünnte Hölle.

Echte Liebe zu verlieren bedeutet, einen Teil der eigenen Seele zu verlieren, so daß sie danach niemals wieder unbeschädigt/unverdunkelt sein wird.

Wer das nicht glaubt oder darüber lacht, hat niemals geliebt und niemals verloren.







__________________
Alle Postings auf eigene Gefahr.




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Post 11.12.2004 12:30 Post
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Triskel



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Registriert: Apr 2004
Beiträge: 2609
Nach dem Lesen hier bin ich traurig und meine Augen glasig.

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Post 11.12.2004 21:10 Post
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pfeifenkrautler
Honk


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Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
Zitat:
Arbrandir schrieb:
Echte Liebe zu verlieren bedeutet, einen Teil der eigenen Seele zu verlieren, so daß sie danach niemals wieder unbeschädigt/unverdunkelt sein wird.
Das ist mir zu dick aufgetragen. So gesehen wären wir ja alle seelische Krüppel.

Zitat:
Wer das nicht glaubt oder darüber lacht, hat niemals geliebt und niemals verloren.
Ich glaub das nicht. Hab ich also niemals geliebt? Mit welchem Recht maßt du dir an, das zu entscheiden?



__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse

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