24.03.2005 22:16
|
|
Ramujan
Offline
Registriert: Feb 2004
Beiträge: 999
|
|
Ich habe an dieser Stelle schon mal geschrieben, dass ich noch ein paar Ideen für Insekten-Kurzgeschichten habe. Für den Adventskalender fehlte mir damals ein wenig die Zeit zur Umsetzung, die ganze Sache hat sich im Nachhinein als umfangreicher herausgestellt als angenommen.
Dafür gibt es nun bis Ostersamstag noch drei (nachgelieferte) Geschichten, unabhängig davon, ob sie gelesen werden oder nicht. So zum Abschluss.

Die Hummel ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn die Evolution Fett ansetzt.
Man betrachte zum Beispiel die Biene, jenes fleißige und grazile Insekt in Leichtbauweise; man betrachte die Wespe mit der berühmten Taille; man betrachte die Hornisse; und dann, ja dann werfe man einen Blick auf den breiten Schatten, der über das Blumenbeet huscht, und auf die plumpe Flauschkugel, die sich auf die größte, verlockenste, gewaltigste Blüte weit und breit fallen lässt. Uff!
Die Junghummel ist fix und fertig von den Strapazen ihres Fluges. Eine Reise vom Löwenmaul bis zur Sonnenblume! Mit anderen Worten: Sie ist an der Vogeltränke vorbeigeflogen, hat den Patt aus Natursteinen überquert und die Flanke der Blautanne genommen - Tagesrekord.
Natürlich macht die Hummel meistens an der Blautanne schlapp und lässt sich dann in das unter dem Nadelbaum ausgebreitete Kissen aus Löwenzahn und sonstigem Unkraut plumpsen. Leider hat besagtes Kissen sich ausgerechnet am heutigen Tage aufgrund einer gut meinenden Hobbygärtner-Natur als abwesend herausgestellt, was die Hummel veranlasst hat, ihre Masse kurz vor dem Aufschlagen mit Hilfe einer Reihe gleichfalls panischer, als auch unkontrollierter Flügelbewegungen abzufangen und im Zickzackmuster ihren Flug fortzusetzen. Sonnenblume, o der Hummel süße Hoffnung.
Ja, das, was nun folgt, macht das Insekt auch nicht gerade dünner. Vor Erschöpfung halb wahnsinnig stürzt es sich auf das Nektardepot, auf die sprudelnden Kalorien, die die Pflanze in den Schönwettertagen von Mai und Juni angelegt hat. Ein Tropfen hier, zwei Schlücke da, das Blümchen ist rasch leergesaugt.
Dabei wäre die Lösung zur Rettung der Hummel so einfach: Etwas mehr Selbstdisziplin, eine Ernährung, die kalorienreiche Pflanzen wie Flieder, Lupine und Wiesensalbei weitesgehend meidet und eine Diät aus Knoblauch- und Zwiebelblüte an deren Stelle setzt. Aber nein, während wir entsetzt zusehen, wie das Insekt wie irre die Oberfläche der Sonnenblume entlangdopst, verwerfen wir diesen Gedanken rasch wieder. Der Hummel ist nicht zu helfen.
Womit wir wieder bei der Evolution wären, die mit den glücklicheren Verwandten – der Biene, der Wespe und der Hornisse – sicherlich noch viele schöne Stunden und manch ruhmreiche Tat vorhat. Die Hummel dagegen wird sich zu Tode fressen und von der Erdoberfläche verschwinden, um Platz für effizientere Lebewesen zu schaffen. Überhaupt, was ist das auch für ein Name? Hummel? Was hat man sich bloß dabei gedacht? Hummel. Pummel. Hummelpummel. Das konnte ja nur schlimm enden.
__________________
the
IP: Logged
|
|
24.03.2005 23:06
|
|
Garrett
meisterdieb
Offline
Registriert: May 2003
Beiträge: 1035
|
|

__________________
kleiner Beispieltext
mit Schriftvariante small-caps
IP: Logged
|
|
25.03.2005 10:25
|
|
Arbrandir
Schuft
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 866
|
|
Ich mag die Hummel.
Sie kämpft einen so aussichtslosen Kampf + stellt nebenbei alle Aerodynamik-Gesetze auf den Kopf.
Sehr cool.
*bssssssssssssssssssss*rrrrrmmmmmmmmmmmmmmm*
__________________
Alle Postings auf eigene Gefahr.
IP: Logged
|
|
25.03.2005 10:49
|
|
Garrett
meisterdieb
Offline
Registriert: May 2003
Beiträge: 1035
|
|
Ich mag Hummeln auch, deshalb finde ich ja die Geschichte so traurig. *schnüff*
__________________
kleiner Beispieltext
mit Schriftvariante small-caps
IP: Logged
|
|
25.03.2005 11:07
|
|
titania
Partytine
Offline
Registriert: Mar 2003
Beiträge: 2142
|
|
Die Geshcichte ist bösartig. Es ist eine Hummelverleumdung und wird eventuell von mir verfolgt werden. Unerbittlich.
__________________
Du legst dein Licht in allen Farben
um meine weiße Einsamkeit.
Ich fühle sie an meinen Narben
wie Balsam einer leichten Zeit.
IP: Logged
|
|
25.03.2005 11:52
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Hummeln sind toll. Als Kinder haben wir sie gefangen und in den geschlossenen Händen herumsummen lassen, weil es so schön gekitzelt hat und jemand sagte, dass Hummeln nicht stechen können. Bis mir mal eine herbsttrunken nachts ins Schlafanzugbein krabbelte und in den Oberschenkel stach, was zu einer mittleren allergischen Reaktion meinerseits führte. Sie können nämlich wohl stechen, sie tun es nur so gut wie nie, weil sie so friedfertig sind, nicht so wie das bösartige und aufdringliche Wespengeschmeiß.
Außerdem sollen sie ein ganz spezielles, einzigartiges Sozialsystem haben, dass so kompliziert ist, dass ich es nicht mehr wiedergeben kann. Anders als bei Bienen und Wespen steht bei Hummeln wohl von Geburt an nicht fest, wer Arbeiterin und wer Prnzessin wird, sondern wird in spannenden und verworrenen Palastintrigen ausgefochten. Das macht ein Hummelvolk flexibler und Umweltveränderungen gegenüber widerstandsfähiger als andere staatenbildende Insekten mit ihren starren Hierarchien. Hummeln sind zäh.
Mit ihrem kompakten und dich behaarten Körper sind sie kälteresistenter als die Konkurrenz und können im Frühling früher und im Herbst länger Nektar sammeln als andere Insekten, was ihnen den Überlebensvorteil sichert, den sie brauchen, um nicht von den riesigen und straff organisierten Bienenvölkern aus ihrer ökologischen Nische gedrängt zu werden.
Und das mit der Aerodynamik ist auch geklärt: sie verschränken die Flügel auf eine spezielle Weise, die zusätzlichen Auftrieb schafft. Parallel zur Auf-ab-Bewegung gibt es so noch eine Art Vor-zurück-Bewegung, deren Entschlüsselung die Hubschraubertechnik revolutionieren könnte. So toll sind Hummeln!
[Dieser Beitrag wurde von pfeifenkrautler am 25.03.2005 um 11:52 editiert]
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse
IP: Logged
|
|
25.03.2005 12:24
|
|
Mike Hat
Moderator
Offline
Registriert: Jun 2001
Beiträge: 1852
|
|
Pfui Teufel, Ramujan! Du solltest es eigentlich besser wissen:
Aufgrund von Flauschigkeit und Nicht-Stechens als Weichei verschrien, kam die Hummel erst sehr spät zu größeren Ehren, namentlich in dem berühmten hanseatischen Gruß "Hummel, Hummel - Mors, Mors" und den noch berühmteren Hummelfiguren.
Denk mal drüber nach.
IP: Logged
|
|
25.03.2005 14:11
|
|
Ramujan
Offline
Registriert: Feb 2004
Beiträge: 999
|
|
So macht man sich unbeliebt. Beim Schreiben habe ich mich ein klein wenig an dieser Seite entlanggehangelt (und die uninteressanteren Fakten einfach angepasst oder zur Seite geschoben). Auf der Seite wird aber ersichtlich, dass viele Hummelarten durchaus vom Aussterben bedroht sind. Ich saug mir nicht alles aus dem Ärmel.
Der nächste Text ist etwas ekelig. Das macht aber nichts, so zu schreiben macht durchaus Spass und viel passieren kann mir auch nicht, Kakerlaken sind nicht halb so beliebt wie Hummeln (was durchaus seine Berechtigung hat).

Es gibt auf diesem Planeten drei Arten von Küchen: Es gibt saubere, es gibt etwas dreckigere und es gibt lässige Küchen. Die lässigen Küchen sind die Küchen, deren Besitzer einen ausgeprägten Appetit mit sich bringen, der zugleich mit einer Trägheit einhergeht, die ein Aufräumen nach dem Essen, sowie ein Säubern der Töpfe und Pfannen unmöglich macht.
In lässigen Küchen quillt der Mülleimer wie eine eiternde Wunde, klebt der Boden, duftet der Kühlschrank. Von der Anrichte tropft Orangensaft, Hackfleisch-Zwiebeln-Schokoladenmus plätschert gegen Brotkrumenatolle, die Salatblätter hinter dem Kühlschrank welken bekömmlich, hinter jeder Ecke warten Cornflakes im Speckmantel, locken Becher ohne Pudding, lockt Pudding ohne Becher, und Kartoffelschalen, Pilzhüte, Eiweißklumpen verheißen das Paradies.
In lässigen Küchen kämpft sich ein Sonnenstrahl durch honigfarbene Vorhänge und wirft Sprenkel auf den Fussboden, zwischen denen sich etwas bewegt: Eine Kakerlake beim Frühsport folgt einer Erdbeermarmeladenspur und stolpert über die Wurstpelle.
„He, Dude.“
„Was’n?“
„Ich hab da was, Dude.“
„Was’n?“
„Ich hab da `ne Wurstpelle, Dude.“
„Lass ma’ sehn.“
„Da is ´ne Wurstpelle, Dude.“
„Ich seh’ das da ´ne Wurstpelle is, Easy.“
„Ich bin da g’rad voll über `ne Wurstpelle gestolpert.“
„Easy, ich seh’ das da ´ne Wurstpelle is ...“
Lässige Küche, lässiger Tag. Die beiden Kakerlaken rollen die Wurstpelle in den Schatten unter dem Tisch, dorthin, wo der Boden ein interessantes Muster angenommen hat und einen statistisch signifikanten Beweis für die These liefert, dass Toastbrot immer, aber auch wirklich immer auf die falsche Seite fällt.
„He, Dude.“
„Was’n?“
„Ich glaub’, das is’ die beste Wurstpelle von der ganzen, weiten Küche, Dude.“
„Easy, das is’ die einzige Wurstpelle von der ganzen, weiten Küche, Easy.“
„Ja, aber ich mein, wenn es noch mehr Wurstpelle gäben täte, ich mein’ ne Wurstpelle und dann noch `ne Wurstpelle, Dude, dann wär das die beste.“
Aber nicht nur die Wurstpelle steht den Kakerlaken zur Verfügung: Der Obstkorb hat einen Apfel verloren und der Apfel seine Frische; gekochte Spagetti pappen wie runische Schriftzeichen an der Spüle; der Kaffesatz in der eingetrockneten Filtertüte weist eine Zukunft, in der selbst Schimmel schimmelt und Rote-Beete-Saft bildet hübsch anzusehende Rorschach-Muster auf der Fettspritzergrundierung einer Raufasertapete. Über dem Herd geben Kacheln ein Suchspiel: Wer die in ihre Oberfläche eingebrannten Ornamente findet, darf den Belag behalten. So sieht sie aus, die wunderbare Kakerlaken-Welt.
Und abends, wenn der Kühlschrank-Kompressor mit einem Rumms anspringt und versucht, den Verwesungsgeruch von Pizzapampenstückchen und Fleischresten zu vertreiben, abends, wenn das Gammeln der Staudensellerie und der Gemüsepaprika seinen Höhepunkt bereits erreicht hat, abends, wenn der Farbton der Sonne ins rötliche wechselt und die Küche in ein tiefes Dämmerlicht taucht, dann sitzen unsere beiden Helden vor dem Fenster, betrachten jene seltsame Welt, die so viele tolle Lebensmittel hervorbringt, und denken an Nachwuchs und Nachspeise.
„Du, Dude?“ sagt der eine Held.
„Ja, Easy?“, antwortet der zweite.
„Das war ´ne tolle Wurstpelle, nich’ wahr, Dude?“
„Ja, Easy, das war sie.“
Doch der Rest des Gesprächs geht in einem Rascheln unter: Dutzende nachtaktive Tiere verlassen ihre Verstecke und in den süßlichen Geruch schwindender Nahrung mischt sich noch ein weiterer, ein sanfterer Hauch - kaum wahrnehmbar ist er, der Pheromonkult der Schaben.
__________________
the
IP: Logged
|
|
25.03.2005 14:20
|
|
Kaylee
Offline
Registriert: Jan 2004
Beiträge: 4029
|
|
|
25.03.2005 16:26
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Ist ja ekelhaft.
__________________
Held ohne nennenswerte Kenntnisse
IP: Logged
|
|
|