26.03.2005 09:05
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Ramujan
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Registriert: Feb 2004
Beiträge: 999
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Und die letzte:
Im Zwielicht betrachtet wirkt der Dschungel wie eine schlechte Geisterbahn.
Da sind Lianen, die Tentakeln gleich nach Gesichtern greifen, Koboldmaki-Augen, denen man die Glühbirnen auswechseln möchte und Spinnen, die so klein sind, dass man sein Geld zurückfordern sollte. Von den fleischigen Blättern tropft das Wasser wie nach einem Rohrbruch, das Grün ist ekelerregend, die Skorpione flüchten. Der Wasserfall wird nachts abgeschaltet, Hinweisschilder geben Hinweise zu lateinischen Namen, Warnschilder warnen, den Weg ja nicht zu verlassen. Die Vögel haben sich in die höchsten Wipfel der tropischen Bäume zurückgezogen.
Eine Schulklasse kommt lärmend angerannt, eine Spur aus Bonbonpapier und Butterbroten hinter sich herziehend. Die Enttäuschung darüber, bei den Tigern im Raubtierhaus weder durch heftiges Rufen, noch durch Gegen-Die-Scheibe-Klopfen ein Verhalten provoziert zu haben, das einem Tiger angemessen ist, steht dem Kollektiv ins Gesicht geschrieben. Das phlegmatische Scheißvieh hätte wenigstens die Tränke kurz und klein schlagen können.
„Boah, guck mal, eine Gespensterschrecke!“
„Wo? Zeig her!“
Die Gruppe hat sich vor dem Hinweisschild versammelt, auf dem die verblasste Zeichnung des ganz und gar missraten anmutenden Tiers zu sehen ist.
„Ieeeehh. Da hinten.“
„Dort drüben, auf dem Blatt.“
„Ein Gespenst! Ein Gespenst!“
„Kannst du glibbern?“
„Mach dich mal unsichtbar!“
„Buh.“
Kurz darauf rast ein Butterbrot auf die Orchidee zu, auf deren deformierte Blätter die Gespensterschrecke Platz genmommen hat und verfehlt das Insekt nur knapp. Das nun einsetzende Lachen ist ohrenbetäubend und hätte sicherlich das Zoo-Personal herbeigerufen, wenn dieses nicht gerade mit dem zweiten Frühstück beschäftigt gewesen wäre.
Die Gespensterschrecke ist entsetzt und geht in Deckung. Die Natur hat ihr allerhand Werkzeuge mitgegeben, um Fressfeinde zu überlisten: Mit ihrer Hässlichkeit kann sie ein Chamäleon foppen, mit den aus ihren Thorax wachsenden Dornen Vögel überlisten. Kröten haben Angst vor ihr, Makis suchen woanders nach Nahrung.Aber auf das hier, auf das hat sie auch eine mehrere Millionen Jahre andauerndeEntwicklungsgeschichte nicht vorzubereiten vermocht.
„Gespe-henst“, tönt eine Stimme.
„Ist das eklig.“
„Jetzt ist sie weg.“
„Lass uns weitergehen.“
„Da hinten ist das Schlangenhaus.“
„Iiih, Schlangen.“
Der Lärm verebbt, die Gespensterschrecke bleibt im Versteck, wartet eine Minute, dann noch eine Minute. Schließlich traut sie sich hervor. Die Kinder sind verschwunden, vereinzelt hört man noch Stimmen. Wie gut, dass es immer noch ein Wesen gibt, das noch faszinierend ekliger ist als man selbst.
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the
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26.03.2005 14:06
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Waldelb
Fool
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Registriert: Mar 2003
Beiträge: 695
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Verdammt genial! Alle drei Geschichten, auch wenn die ueber Hummeln am besten war. Aber das sind ja auch wirklich die suessesten Geschoepfe, da koennen laessige Kakerlaken nicht mithalten. Gibt es die eigentlich auch in Deutschland?
Ansonsten wuensche ich mir noch ein paar mehr Geschichten. Drei ist so unfair, damit machst du einem gerade den Mund waessrig und "schwupp" ist schon Schluss.
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26.03.2005 16:34
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MetkrugSturmtief
Nerdine
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Registriert: Sep 2004
Beiträge: 754
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Ja, Ramujan, schreib doch noch eine Hummel-Palastintrige oder so.
Ich bringe demnächst ein Schild an meinem Kühlschrank an:
Warnung vor dem Duft.
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I'`m afraid my psychic powers are a little bit below par this morning
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31.03.2005 23:13
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RV
Krampfhenne
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Registriert: Apr 2004
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Wegen Hirnüberanstrengung geschlossen.
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