04.08.2004 10:37
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Wenn ich davon ausgehe, dass der Film ein großangelegter Wahlkampfspot ist, stellt sich natürlich die Frage, warum ich mir ihn anschauen sollte: Ich kann Bush nicht wählen und wenn, würde meine Wahl jetzt schon feststehen.
Kann ich als bushkritischer Europäer überhaupt etwas aus dem Film ziehen oder ist es nur die Freude, die eigene Meinung bestätigt zu bekommen?
IP: Logged
|
|
05.08.2004 22:56
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
Zitat: pfeifenkrautler schrieb:
Und Tyler, deine Meinung?
Der Film hat einen klasse Soundtrack.
Ich habe keine Lust das irgendwie zu gliedern, ich erzähle einfach mal drauflos, was mir am prägnantesten in Erinnerung blieb.
Der Anfang mit der gestohlenen Wahl und George Bush als faulen Urlaubspräsidenten (oft mit so einem Hilbilly-Country-Gedudel unterlegt) ist gut. Nach den Anschlägen ist es etwas zäh mit der jüd...saudischen Weltverschwörung. Die vielgelobte Sequenz in der George Bush ratlos im Kindergarten sitzt nachdem er von den Anschlägen erfuhr fand ich auch nicht so eindrücklich wie überall gelobt. Aus dem Off wird kommentiert was GWB wohl jetzt denkt, "hat er sich mit den falschen Leuten eingelassen?" (Tja, die Saudis.) Besser wäre gewesen, Michael Moore hätte die Bilder für sich selbst sprechen lassen.
Irgendwo davor sieht man auch noch Condolezzadingens, Bush und Cheney wie sie für Fernsehauftritte geschminkt werden. Fand ich doof zu polemisch. Friedensnobelpreisträger machen da auch keine bessere Figur. Wie Paul Wolfowitz seinen Kamm einspeichelt um sein Haar zu fixieren ist allerdings schon supereklig! So einer kann kein guter Mensch sein. Weiter gehts: Der Patriot-Act aus der Schublade gezogen, eine Koallition mit Costa Rica, den Kiffern der Niederlande und den isländischen Wikingern geschmiedet. Ab zu Saddam:
Der Gegensatz von glücklich spielenden Kindern im friedliebenden "souveränen" Irak und dann die Bass-wummernden Explosionen der Koaliations-Angriffe bei Nacht sind Propaganda in Reinstform, verfehlen aber ihr Ziel nicht. Hände-über-den-Kopf schlagen bei mir bei den Interviews der Ami-Soldaten. Stell dir milchgesichtige Dumpfbacken aus einem Diablo-Forum vor, die an das Funksystem ihres Panzers einen CD-Player mit der Bloodhound Gang angeschlossen haben, während sie auf alles Ballern was sich bewegt:
The roof the roof the roof is on fire
The roof the roof the roof is on fire
We don't need no water let the motherfucker burn
Burn motherfucker burn
Yeah! Die Yankees räumen auf. War is Fun! Moore lobt die journalistische Unabhängigkeit, der Satz wird mit kurzen Ausschnitten der hurrapatriotischen FOX News konterkariert. Hätte ich gerne mehr davon gesehen, siehe den letzten Absatz.
Bush auf dem Flugzeugträger "Mission accomplished".
Krieg ist kein Spaß. Die Bloodhoundgang die die Panzerfahrer so gerne hörten setzen wieder ein. Verbrannte Leichen von US-Soldaten.
Everybody here we go
Ohh Ohh
C'mon party people (aufständische Islamisten)
Ohh Ohh
Throw your hands in the air (Kalaschnikovs in die Höhe)
Ohh Ohh
C'mon party people
Ohh Ohh
Bitterböse!
Moore beschäftigt sich viel mit den amerikanischen Soldaten. Sie kommen nicht schlecht weg. Michael Moore ist ihr Anwalt, während der Präsident ihre Bezüge kürzt, ihre Dienstzeiten im Ausland verlängert und generell jeden Kontakt mit Gefallenen oder Verletzten vermeidet. Moore zeigt uns die versehrten Veteranen, tausende, die für immer vom Krieg gezeichnet sind an Körper und Seele, er zeigt uns ihre Eltern und wie sie leiden wenn ihre Kinder sterben, er zeigt uns wie die Kids aus armen Verhältnissen von schmierigen Armeewerbern bequatscht werden zu dienen. Während der Präsident von weißen, reichen, elitären Wahlkampfspendern hofiert wird.
Ein Fanal für eine Abwahl Bush. Und höchst unterhaltsam (dies zu deiner Frage was du als Europäer daraus ziehen kannst PK).
Orwell Zitat aus 1984. Abspann. Von Neil Young Keep on rockin' in the free world.
Gefallen hätte mir aber auch eine Analyse wie es dazu kommen konnte. Wieso die Opposition versagt hat, die mahnenden Stimmen von Chirac und Fischer überhört wurden, die Medien so bereitwillig mitzogen.
[Dieser Beitrag wurde von _TylerDurden_ am 05.08.2004 um 22:56 editiert]
IP: Logged
|
|
05.08.2004 22:14
|
|
pfeifenkrautler
Honk
Offline
Registriert: Mar 2004
Beiträge: 5344
|
|
Interessante Kritik. So würde ich meine eigene Reaktion einschätzen, ohne den Film zu kennen. Ich kann Moores Stil nicht gut ab, seh' aber die Notwendigkeit für einen "groben Keil" (Tribute to Arbrandir). Ich werd' mir den Film am WE ansehen.
Und es stimmt, die Frage ist auch, wie konnte jemals Bush gewählt werden? Selbst abzüglich aller Wahlmauscheleien bleibt, dass knapp die Hälfte der wählenden Amerikaner Bush wollte. Oder zumindest die Demokraten aus Washington jagen. Und das, nachdem die Clinton-Administration das beste ökonomische Ergebnis seit Jahrzehnten abgeliefert hat, ein prosperiendes Land mit einem satten Haushaltsüberschuss, außenpolitisch etwas glücklos, aber stabil und international respektiert. Doch das hat anscheinend nicht gereicht, der Unwille war groß genug für eine plus/minus 50%-Abwahl, das ist das Seltame.
Das spricht für die Theorie der "zwei Amerikas", eine tiefgehende Spaltung, die sich gar nicht um so flüchtige Dinge wie Haushaltsüberschüsse und Arbeitslosenzahlen kümmert, sondern Größeres im Visier hat. Ein Kampf der Weltanschauungen.
Irgendwie lustig auch, dass die Karte der "fettesten Bundesstaaten", die in "Super size me" gezeigt wird, sich ziemlich genau mit der Karte der erfolgreichsten "The Passion"-Aufführungen deckt, die Ramujan hier verlinkte. Republikaner sind fett und religiös, sozusagen. Eine ganz neue Verschwörungstheorie.
IP: Logged
|
|
06.08.2004 20:23
|
|
_TylerDurden_
Offline
Registriert: Oct 2002
Beiträge: 2560
|
|
Und Thanil, deine Meinung?
IP: Logged
|
|
07.08.2004 11:42
|
Re: Fahrenheit 9/11 -- Dokus &..
|
|
Ludy
Chief Resident
Offline
Registriert: May 2002
Beiträge: 2102
|
|
Zitat: Arbrandir schrieb:
Ein Film, der zweifelsohne inhaltliche Fehler aufweist und der auch formal besser sein könnte.
Sehr interessant zu diesem Thema finde ich den FAKTENCHECK IN "FAHRENHEIT 9/11" bei spiegel.de.
Nur ein Beispiel für Moores Spielerei mit den Fakten ist die behauptete Tatsache, dass ganz kurz nach dem 11. September viele Familienangehörige Osama Bin Ladens klammheimlich per Learjet vom US-Geheimdienst ausgeflogen worden seien. Für Moore ein Beweis, dass die Bush-Regierung engen Kontakt zu Bin Laden und seiner Familie pflegte und durch die ermöglichte Flucht, deren genauen Zeitpunkt Moore wohlwissentlich verschweigt, mögliche Mitwisser entsorgte.
[...]
Zu dumm aber, dass sich die Rechercheure unabhängigen Kommission zum 11. September intensiv mit den ominösen Privatflügen beschäftigt haben, inklusive des so genannten "Bin Laden flight". Mit den Flügen wurden rund 160 Saudis zurück in die Heimat gebracht. Die Kommissionsmitglieder kommen im Fall der Bin Ladens zu dem Ergebnis, dass der spezielle Flug - der genau eine Woche nach dem Ende des Flugverbots am 13. September abhob - nicht zu beanstanden ist. Fast alle (22 von 26) der an Bord befindlichen Mitglieder der Bin-Laden-Familie seien durch das FBI befragt und registriert worden, sogar gründlicher als bei der normalen Ausreise. Zudem fand die Kommission "keine Beweise für eine politische Motivation" der Flüge.
Moore lügt nicht, er läßt nur weg und arbeitet fürchterlich suggestiv.
__________________
Manche leuchten, wenn man sie liest.
IP: Logged
|
|
09.08.2004 10:04
|
|
thanil.bernetar
Dackinei
Offline
Registriert: Jun 2003
Beiträge: 1947
|
|
Zitat: Tyler fragte:
Und Thanil, deine Meinung?
Meine Meinung ist, dass ich diesen Thread fast nicht wiedergefunden hätte...
__________________
Naughty have been my dreams of late...
IP: Logged
|
|
|